Kamala Harris und Donald Trump auf einer TV-Bühne. Rund 90 Minuten lang liefern sich die beiden US-Präsidentschaftskandidaten ein erbittertes Duell in Philadelphia - was mit einem Handschlag beginnt, wird zu einem gnadenlosen Wortgefecht zwischen zwei erbitterten Rivalen im Rennen ums Weiße Haus. Doch es gibt eine Person, die das erste Aufeinandertreffen der Demokratin und des Republikaners fast zur Nebensache macht.
«Wie viele von euch habe ich die Debatte heute Abend geschaut», beginnt ein Beitrag von Taylor Swift auf der Plattform Instagram ganz harmlos - veröffentlicht kurz nach dem Duell. Doch der Text hat es in sich: Der Superstar stellt sich im Wahlkampf hinter Harris und verleiht der Demokratin so einen gewaltigen Schub.
Warum Swifts Beistand für Harris so bedeutsam ist
Taylor Swift ist in den USA eine Art Lichtgestalt. Sie produziert einen Hit nach dem anderen, bricht bei Preisverleihungen regelmäßig Rekorde. Swift hat eine gewaltige Fangemeinde und allein auf der Plattform Instagram rund 283 Millionen Follower. Auf der «Forbes»-Liste der weltweit einflussreichsten Frauen landete Swift auf Rang fünf. Etwa 53 Prozent der Erwachsenen in den USA gaben in einer 2023 veröffentlichten Umfrage an, Swift-Fans zu sein. Die gelten als sehr loyal. Wie die Künstlerin stammen die meisten ihrer Fans in den USA aus Vorstädten oder leben auf dem Land, viele Swift-Fans sind junge Frauen - eine wichtige Wählergruppe.
Die Sängerin ist im Swing State Pennsylvania geboren, der bei der Wahl besonders hart umkämpft ist. Noch dazu kommt der Segen des Stars in einem wichtigen Moment. Der Wahlkampf ist in der entscheidenden Phase. Bis zur Wahl am 5. November sind es weniger als acht Wochen, und die Briefwahl startet schon deutlich früher.
Was für Harris gut lief im TV-Duell
Nach ihrem Blitzstart als Kandidatin profitierte Harris über Wochen allein vom Enthusiasmus in ihrer Partei, dass es nach quälenden Debatten um Joe Biden nun etwas Aufbruch gibt. Bislang bewegte sie sich aber fast komplett in einem geschützten Raum aus choreografierten Wahlkampfauftritten, mit Skript und doppeltem Boden.
Allein, ohne Spickzettel oder anderen Beistand, mit Trump auf der Debatten-Bühne zu stehen, war für die 59-Jährige eine wichtige Bewährungsprobe. Die hat sie bestanden. Sie trat souverän auf, sprach langsam, formulierte klare Botschaften, verhaspelte sich nicht, ließ sich von Trump nicht aus dem Konzept bringen und platzierte viele verbale Attacken, ohne Regeln des Anstands zu verletzen. In einer Blitzumfrage des Senders CNN sahen sie 63 Prozent der Befragten als Siegerin - gegenüber 37 Prozent für Trump.
Warum Harris' Erfolg trotzdem keineswegs ausgemacht ist
Acht Wochen bis zur Wahl: Das ist wenig Zeit - und doch viel, wenn es darum geht, mögliche Fehler zu machen. Es ist schwer vorstellbar, dass die 59-Jährige die verbleibenden Wochen ohne Stolperer übersteht. Noch dazu, weil sie in ihrer bisherigen Rolle als Vizepräsidentin viel patzte und wenig punktete.
Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass noch Unvorhergesehenes passiert, was der Biden-Harris-Regierung angelastet werden könnte: von der Wirtschaft bis zur Außenpolitik. Vor allem aber ist das Rennen gegen Trump Umfragen zufolge extrem knapp, und beide Kampagnen müssen um jede Stimme kämpfen.
In einer aktuellen Umfrage gaben 28 Prozent der Befragten an, sie wüssten nicht genug über Harris - bei Trump lag dieser Wert bei 9 Prozent. Während den meisten Menschen in den USA klar ist, was sie von dem Republikaner erwarten können, sind Harris und ihre Positionen weit mehr Menschen unbekannt. Das ist ein ernstes Problem für Harris, das sie bei dem TV-Duell keineswegs beseitigt hat.
Was für Trump gut lief im TV-Duell
Der 78-Jährige ist bei Auftritten oft ungehalten und überzieht seine politischen Gegner mit Beleidigungen unter der Gürtellinie. Während des TV-Duells hielt er sich damit zurück. Trump war zwar keineswegs handzahm - er äußerte sich wie immer besonders abfällig über Migranten und fasste Harris nicht mit Samthandschuhen an. Doch Trumps giftige Attacken gegen seine Kontrahentin uferten nicht in herabwürdigende Beleidigungen aus.
Trump ist sonst nicht schüchtern, wenn es um rassistische und sexistische Beleidigungen geht. Und gewiss, Trump wirkte etwas verdutzt, als Harris ihm zu Beginn der Debatte die Hand reichte - doch er erwiderte den Handschlag. Der Republikaner ließ dann zwar kein gutes Haar mehr an Harris. Doch für Trump-Verhältnisse war der Auftritt des Ex-Präsidenten auf der TV-Bühne in Philadelphia fast schon zivilisiert.
Trumps Frauenproblem
Auch wenn Trump es vermied, Harris mit sexistischen Kommentaren zu überziehen, wurde das Problem des Republikaners mit Wählerinnen an diesem Abend dennoch offenbar. Denn ihre Unterstützung für Harris untermalte Swift mit einem Foto, auf dem sie eine Katze im Arm hält. Damit spielt sie auf Trumps Vizekandidaten J.D. Vance an, der demokratische Politikerinnen, darunter Harris, einst als «kinderlose Katzen-Frauen» bezeichnet hatte. Und genauso unterschrieb Swift dann auch ihren Instagram-Beitrag: «Mit Liebe und Hoffnung, kinderlose Katzen-Frau.»
Umfragen zeigen, dass Trump, der wegen eines sexuellen Übergriffs zu einer Geldstrafe in einem Zivilverfahren verurteilt wurde, gerade bei Frauen die Unterstützung fehlt. Sogar seine einstige Konkurrentin im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur fühlte sich jüngst zu einem Ratschlag im US-Fernsehen bemüßigt. «Donald Trump und J.D. Vance müssen die Art und Weise ändern, wie sie über Frauen sprechen», sagte Nikki Haley. Man müsse nicht über Intelligenz oder Aussehen reden, sondern sich nur auf die politischen Inhalte konzentrieren.
Warum man Trump dennoch nicht abschreiben darf
Möglicherweise hat Trump sich Haleys Rat für das TV-Duell zu Herzen genommen. Aber so oder so: Trotz einer Verurteilung in einem Strafverfahren, mehrerer Anklagen, offenkundiger Lügen und derber Beleidigungen - Trump genießt unter Wählerinnen und Wählern im Land eine anhaltend große Unterstützung. Aktuell ist schwer vorstellbar, welches Verhalten Trump-Wähler von ihrem Kandidaten abbringen könnte. Sowohl Harris als auch Trump bleibt im Wahlkampf nur, sich beim Stimmenfang auf die Unentschlossenen zu konzentrieren.