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Begrenzte Feuerpause im Süden Gazas für Hilfslieferungen

Israels Armee will entlang einer Route im Süden Gazas täglich elf Stunden lang die Waffen schweigen lassen. So sollen mehr Hilfslieferungen ermöglicht werden. In Rafah wird aber weiter gekämpft.
Gazastreifen
Die «taktische Pause» gelte bis auf Weiteres jeweils für die Zeit von 8 bis 19 Uhr und solle mehr Hilfslieferungen ermöglichen. © Tsafrir Abayov/AP/dpa

Das israelische Militär will im südlichen Gazastreifen täglich eine mehrstündige und räumlich begrenzte Feuerpause einhalten. Die «taktische Pause» entlang einer wichtigen Straße soll mehr Hilfslieferungen in das Küstengebiet ermöglichen. Die Entscheidung wurde nach Beratungen mit den Vereinten Nationen und internationalen Organisationen getroffen, wie die Armee mitteilte.

Die Pause gilt demnach bereits bis auf Weiteres zwischen 8 und 19 Uhr (7 bis 18 Uhr MESZ) entlang einer Straße, die vom Grenzübergang Kerem Schalom nach Nordosten führt. Das Militär betonte jedoch, die Pause beziehe sich nicht auf die Stadt Rafah an der ägyptischen Grenze, dort sollten die Kämpfe weitergehen. Der dortige Grenzübergang, der bis zu Israels militärischem Vorstoß in Rafah die wichtigste Schleuse für Hilfslieferungen war, bleibt geschlossen.

Ein ranghoher Vertreter des Palästinenserhilfswerks UNRWA, Scott Anderson, sagte dem US-Sender CNN, die Organisation hoffe, dass die Pause es Helfern ermöglichen werde, sich dort frei zu bewegen, um «dringend benötigte Hilfe für die Bevölkerung zu bringen». Am Grenzübergang hätten sich viele Hilfsgüter gesammelt. Die Menschen in Gaza bräuchten Essen, Wasser, Medizin und Zelte. Er hoffe, dass sich auch die Hamas an die Pause halten werde.

Kritik in Israel an Kampfpause entlang humanitärer Route

Die Entscheidung der Armee stieß jedoch auf Kritik rechtsextremer Minister in Israel. Polizeiminister Itamar Ben-Gvir schrieb auf X, wer diese Entscheidung getroffen habe, «während unsere besten Soldaten im Kampf fallen», sei «ein Narr und Dummkopf, der nicht auf seinem Posten bleiben darf». Finanzminister Bezalel Smotrich schrieb: «Die humanitäre Hilfe, die weiter an die Hamas gelangt, belässt sie an der Macht und droht, unsere Erfolge im Krieg zunichtezumachen.»

Bei Massenkundgebungen in Israel demonstrierten am Samstag einmal mehr zehntausende Menschen für die Freilassung der Geiseln und gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. In Tel Aviv und anderen Städten verlangten sie von Netanjahu, einem Ende der Kämpfe mit der Hamas als Teil eines Abkommens zuzustimmen, das die verschleppten Geiseln wieder zu ihren Familien bringt, wie «Haaretz» berichtete. Nach Darstellung des Forums der Geisel-Familien handelte es sich um den größten Protest seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober vergangenen Jahres.

In einer auf Video aufgezeichneten Rede sagte Andrey Kozlov, den die israelische Armee zusammen mit drei weiteren Geiseln vor einer Woche bei einem Großeinsatz aus der Gefangenschaft befreit hatte: «Für die Geiseln, die noch in Gaza sind, gibt es nur eine einzige Lösung: einen Deal zwischen Israel und der Hamas.»

In Tel Aviv wurden nach Polizeiangaben zwölf Menschen festgenommen. Sie hätten gegen die öffentliche Ordnung verstoßen und unter anderem Straßen blockiert.

Warnungen vor Hunger im Süden des Gazastreifens

Wegen der Kämpfe zwischen Israels Armee und der islamistischen Terrororganisation Hamas warnt das Welternährungsprogramm (WFP) davor, dass die Menschen im südlichen Teil des Gazastreifens schon bald unter der gleichen katastrophalen Hunger-Lage leiden könnten wie jene in den nördlichen Gebieten. «Die Situation im südlichen Gaza verschlechtert sich rasch», sagte der stellvertretende WFP-Direktor Carl Skau.

Eine Million Menschen seien aus Rafah vertrieben worden und nun bei brütender Sommerhitze in einem überfüllten Gebiet entlang des Strandes eingepfercht. Im nördlichen Teil Gazas habe sich die Versorgung mit Hilfsgütern zwar etwas verbessert, sagte Skau. Nachhaltig abgesichert sei die Verteilung von Nahrungsmitteln aber nicht. UNRWA teilte mit, mehr als 50.000 Kinder im Gazastreifen müssten wegen akuter Mangelernährung behandelt werden.

Mehrere israelische Soldaten getötet

Überschattet wurden die Kundgebungen vom Tod acht israelischer Soldaten in Rafah. Militärangaben zufolge wurden sie am frühen Samstagmorgen Opfer einer Explosion, als sie nach einem Einsatz im nordwestlichen Teil der Stadt in einem Konvoi gepanzerter Fahrzeuge unterwegs waren. Noch sei unklar, ob die Explosion von einer Panzerabwehrrakete oder einer Sprengfalle ausgelöst worden sei, sagte Armee-Sprecher Daniel Hagari. «Heute wurden wir ein weiteres Mal schmerzlich an den Preis des Krieges erinnert.» Insgesamt gab die Armee am Wochenende den Tod von elf Soldaten im Gazastreifen bekannt.

Israel will in Rafah nach eigenen Angaben eine der letzten Hochburgen der Hamas und ihrer Verbündeten zerschlagen. Das Militär geht dort seit Anfang Mai verstärkt mit Bodentruppen gegen die Hamas vor, will dies aber nur als begrenzten Einsatz, nicht als großangelegte Offensive verstanden wissen. Letzteres hatte US-Präsident Joe Biden zur «roten Linie» erklärt. Wegen der vielen Toten und der katastrophalen humanitären Lage ist das Vorgehen Israels im Gaza-Krieg international sehr umstritten.

Am 7. Oktober hatten Terroristen der Hamas und anderer Palästinensergruppen den Süden Israels überfallen, rund 1200 Menschen ermordet und weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Im Zuge des dadurch ausgelösten Krieges wurden nach - unabhängig nicht überprüfbaren - Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden mehr als 37.000 Palästinenser getötet. Rund 80 Prozent der Bevölkerung sind innerhalb des abgeriegelten Küstenstreifens auf der Flucht.

Weiter Unklarheit bei Verhandlungen über ein Abkommen

Ein Abkommen über die Freilassung der verbliebenen Geiseln in der Gewalt der Hamas - im Gegenzug für die Freilassung von Palästinensern in israelischen Gefängnissen - scheint derzeit nicht in Reichweite. Vermutet wird, dass sich noch rund 120 Geiseln in dem abgeschotteten Küstengebiet befinden. Wie viele von ihnen noch am Leben sind, ist unklar.

Die Hamas verlangt als Voraussetzung für einen Geisel-Deal ein Ende des Kriegs oder zumindest eine Garantie dafür, dass Israel die Kampfhandlungen einstellt. Netanjahus Regierung ist dazu nicht bereit. Ihr Ziel ist es, die bis zum Kriegsbeginn unangefochten über den Gazastreifen herrschende Terrororganisation militärisch zu zerschlagen und politisch zu entmachten. Katar und die USA treten wie auch Ägypten als Vermittler auf, weil Israel und die Hamas nicht direkt miteinander verhandeln.

Hamas-Führer Ismail Hanija sagte dem arabischen TV-Sender Al-Dschasira, die Antwort seiner Bewegung entspreche den Grundsätzen des von Biden vorgestellten und dem UN-Sicherheitsrat gebilligten Plans. Israel und seine Verbündeten seien jedoch nicht darauf eingegangen. US-Außenminister Antony Blinken hatte die Änderungsvorschläge der Hamas am Mittwoch in Doha als teilweise unrealistisch bezeichnet.

© dpa ⁄ Sara Lemel und Dirk Godder, dpa
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