Im Rechtsstreit um die Zulässigkeit von Werbeblockern wartet der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs ab. Die höchsten deutschen Zivilrichter sehen Ähnlichkeiten zu einem Fall, der im Oktober in Luxemburg entschieden werden soll. Aktuell geht es in Karlsruhe um eine Klage des Medienunternehmens Axel Springer gegen Werbeblocker. Der Verlag sieht in ihnen eine unzulässige Umarbeitung der Programmierung seiner Webseiten. Damit werde sein Urheberrecht verletzt.
Beim OLG erfolglos
In den Vorinstanzen hatte die Klage (AZ: I ZR 131/23) keinen Erfolg. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamburg ist die Beeinflussung des Programmablaufs durch den Werbeblocker keine Umarbeitung des Programms. Es könne offenbleiben, ob die Dateien, die beim Webseitenaufruf an den Nutzer übermittelt würden, als Computerprogramm urheberrechtlich geschützt seien und der Verlag über die ausschließlichen Nutzungsrechte verfüge.
Geht es an die Substanz?
Die Hauptfrage sei laut BGH: Liegt ein Eingriff in Schutzprogramme des Computers vor? Aus Sicht von Springer ist dies der Fall. Programmabläufe würden blockiert oder überschrieben. «Das ist ein Eingriff in die Substanz», betonte der Anwalt des Medienunternehmens. Es würden nicht nur Inhalte unterdrückt. «Die gesamte Finanzierung einer Webseite wird kaputt gemacht.»
Enorme Einbußen durch Blocker
Nach Ansicht des Medienunternehmens sind digitale Werbeerlöse neben digitalen Abonnements der wichtigste Pfeiler, um unabhängigen Journalismus auch in Zukunft profitabel betreiben zu können. «Genau dies versuchen Adblocker systematisch zu unterbinden. Die finanziellen Schäden für Medienangebote liegen in Millionenhöhe. Die gesellschaftlichen Schäden für die Presse- und Informationsfreiheit wiegen noch deutlich schwerer», so Philipp-Christian Thomale, Senior Legal Counsel bei Axel Springer National Media & Tech, in einem Statement.
Das Recht der Nutzer
Der Anwalt des Kölner Unternehmens Eyeo, mit dessen Software Adblock Plus Werbung auf Webseiten blockiert werden kann, betonte hingegen das Recht der Internetnutzer, ihre Browser so einzustellen, wie sie es möchten. Durch Werbeblocker würden Programme nicht umgearbeitet. Somit gebe es keine urheberrechtliche Relevanz. Er warnte zugleich vor einer Ausweitung des Urheberrechtsschutzes auf Funktionalitäten, der für PC-Programme nicht vorgesehen sei - und damit vor möglichen künftigen Problemen etwa bei der Installation von Jugendschutzsoftware.
Der Blick nach Luxemburg
Vor einem Urteil in dem komplizierten Rechtsstreit will der BGH abwarten, wie der EuGH in der Sache «Action Replay» entscheidet. Die Karlsruher Richter haben den Fall den Luxemburger Richtern vorgelegt (Beschluss vom 23. Februar 2023 - I ZR 157/21). Dabei geht es um die urheberrechtliche Zulässigkeit des Vertriebs von Software, die Nutzern das Manipulieren eines Spielkonsole-Programms ermöglicht («Cheat-Software»). Die EuGH-Entscheidung wird am 17. Oktober erwartet.
Der lange Kampf
Axel Springer versucht seit Jahren, den Werbeblocker Adblock Plus juristisch zu stoppen. Mit einer Wettbewerbsklage war der Verlag 2018 unterlegen. Der BGH sah in dem Angebot der Firma Eyeo keinen unlauteren Wettbewerb und auch keine rechtswidrige aggressive Geschäftspraxis. Die Entscheidung über den Einsatz des Werbeblockers liege beim Nutzer der Internetseiten und nicht bei dem beklagten Unternehmen, so der BGH damals (AZ: I ZR 154/16 - Urteil vom 19.4. 2018).