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Satire mit Schlagkraft: «Micha denkt groß»

Der Osten boomt, jedenfalls im Kino. Kurz nach dem Publikumshit «Zwei zu eins» startet mit «Micha denkt groß» der nächste Spielfilm über den Alltag in Ostdeutschland. Eine Komödie mit Kultpotential.
Kinostart -
Das von Charly Hübner angeführte Schauspielensemble hat weitestgehend improvisiert. © Thomas Leidig/ARD Degeto/MDR/Florida Film/Pandora Film/dpa

Der Ausgangspunkt der Story ähnelt unzähligen wahren Geschichten: Micha (Charly Hübner) aus dem fiktiven Dorf Klein-Schappleben in Sachsen-Anhalt hat es zu Geld gebracht. Das möchte er gewinnbringend in seinem Heimatort anlegen, mit dem Bau eines Hotels samt luxuriösem Wellness-Center. Doch dem Plan stehen einige Hindernisse im Weg. Da schlägt die Fantasie der Filmschöpfer Purzelbäume. Was sich nicht allein darin zeigt, dass der Osten Deutschlands bei ihnen die atemlose Weite einer Western-Landschaft ausstrahlt.

Das Regie-Duo Lars Jessen und Jan Georg Schütte und dessen Drehbuchmitautoren haben bei tatsächlichen Schrecken angesetzt: den Folgen des Klimawandels. In dem von ihnen erfundenen Klein-Schappleben geht das Grundwasser aus. Ein neuer Brunnen müsste her. Micha möchte ihn gemeinsam mit den Nachbarn bauen. Doch es scheint fraglich, ob das klappt. Verschiedenen Spielarten der menschlichen Dummheit stehen dem Projekt im Weg.

Der erschreckende Hintergrund der Filmerzählung kommt nicht von ungefähr: Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge verfügen zwar derzeit selbst die niederschlagsärmsten Regionen in Deutschland noch über ausreichend Trinkwasser. Doch die Wasserspiegel sinken, das Grundwasser wird immer weniger. Andererseits nehmen der private, der industrielle und der landwirtschaftliche Wasserverbrauch zu. Die Uhr zeigt fünf vor zwölf. Noch ist keine Katastrophe wie die hier gezeigte eingetreten. Aber sie wird immer wahrscheinlicher.

Improvisieren statt festes Drehbuch

Statt auf Belehrung setzt der Film auf Lachen. Das Besondere: Wie bereits in dem mehrfach ausgezeichneten Fernsehspielfilm «Für immer Sommer 90» (2020) von Lars Jessen und Jan Georg Schütte handelt es sich um eine sogenannte Impro-Komödie. Heißt: Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben eher eine Drehbuch-Skizze denn ein ausgefeiltes Drehbuch erhalten. Sie durften heftig improvisieren. Was überwiegend gut funktioniert hat.

Wie schon bei «Für immer Sommer 90» hat Schauspiel-Star Charly Hübner («Polizeiruf 110», «Mittagsstunde») bei der Entwicklung des Films als Ideengeber und Co-Autor mitgewirkt. Dem ist sicher zu danken, dass seine Figur noch in burlesken Momenten glaubhaft wirkt. Wobei das pointierte Schauspiel das A und O des Films ist. Neben und mit Charly Hübner trumpfen insbesondere Jördis Triebel («Babylon Berlin») als Physiotherapeutin Tina und Peter Kurth («In den Gängen») als Bauer Köppe auf, verleihen auf den ersten Blick schräg anmutenden Typen im Lauf des Geschehens eine glaubhafte Menschlichkeit.

Mikrokosmos Dorf wird zum Panorama der Gegenwart

In den stärksten Szenen reift die Komödie zur Satire. Das immer dann, wenn der Witz konturenscharf gesellschaftliche Zustände beleuchtet. In einigen Szenen werden verschiedene Facetten heutigen Lebensgefühls im Schatten um sich greifender Politikverdrossenheit und gesellschaftlicher Umbrüche offenbart. Dabei gelingt das Kunststück, weder zynisch zu witzeln noch sentimental zu jammern. Der Mikrokosmos Dorf wird zum Panorama der gesamt-, keineswegs allein der ost-deutschen Gegenwart. Bemerkenswert!

Gelegentlich rutscht der Humor ins Alberne ab, etwa wenn die gefühlt tausendste Angela-Merkel-Parodie bemüht wird. Doch meist trifft die Komik ins Schwarze. Volkstümlicher Witz und das Nachdenken über die (Schief-)Lage der Welt münden in ein herzhaftes, befreiendes Lachen. Damit hat die pointierte Komödie die Chance, bei einem großen Publikum Kult zu werden.

© dpa ⁄ Peter Claus, dpa
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