Die Gegebenheiten vor den beiden letzten Spielen in der Gruppe E waren klar. Deutschland benötigte einen Sieg gegen Costa Rica, war aber auf Schützenhilfe der Spanier angewiesen.
Sollte Spanien parallel gegen Japan gewinnen, wäre man eine Runde weiter. Bei einem Unentschieden zwischen Spanien und Japan müsste man mit zwei Toren Differenz gewinnen. Bei einem japanischen Sieg müsste ein deutscher Erfolg mit mindestens acht Toren Unterschied erzielt werden, da die „Furia Roja“ gegen Costa Rica im ersten Spiel 7:0 gewonnen hatte – eine eher unwahrscheinliche Konstellation.
Costa Rica – Deutschland 2:4
Das sagte sich wohl auch Bundestrainer Flick, der entgegen der Annahme der meisten Experten trotz seines Tores gegen Spanien Bremens Stürmer Füllkrug auf der Bank beließ und Bayern Münchens Müller in den Sturm beorderte. Kimmich wurde von seiner angestammten Sechser-Position auf die rechte Abwehrseite versetzt – das war schon während der EM unter Flicks Vorgänger Löw keine gute Idee gewesen.
Man kann also davon ausgehen, dass Flick ein 8:0, 9:1 oder 10:2 gar nicht erst in Betracht gezogen hatte – dabei wäre man damit ins Achtelfinale eingezogen, egal wie Spanien und Japan gegeneinander gespielt hätten. Die logische Aufstellung wäre indes ein Zweier-Sturm mit Füllkrug und Müller oder auch mit Füllkrug in Kombination mit dem kopfball- und dribbelstarken Havertz gewesen.
Trotz der eher kontrollierten Offensive erzielte Gnabry denn auch schon in der 10. Minute das 1:0 per Kopf nach butterweicher Flanke von Musiala, aber da waren vorher schon zwei Hochkaräter ausgelassen worden. Der Chancenwucher der sichtlich nervösen Deutschen nahm im Laufe der ersten Halbzeit immer groteskere Formen an.
So witterten die „Ticos“ ihre Chance. Nach einem langen Schlag von Duarte war Stürmer Fuller wegen eines krassen Abwehrfehlern des Leipzigers Raum durch, scheiterte mit seinem guten Schuss allerdings an Neuers Reflex (42. Minute).
Nach dem Seitenwechsel sprach sich schnell herum, dass im Parallelspiel nicht mehr Spanien, sondern Japan führte, d.h. das DFB-Team hätte nun sieben Tore in einer Halbzeit schießen müssen, doch stattdessen wirkten die Jungs wie gelähmt und kassierten das 1:1.
Nach einem Ballverlust des wieder einmal überforderten Raum ging es schnell in Richtung Neuer, wo Waston per Kopf zwar am Bayern-Keeper scheiterte, Tejeda aber humorlos abstaubte (58. Minute) – Grund genug für einen ersten Gefühlsausbruch bei ARD-Report Gottlob, dem die Freude über den Ausgleich sichtlich anzumerken war.
Nur Musiala zeigte sich unbeeindruckt. Ausgerechnet der 19-jährige und damit jüngste Spieler im DFB-Team fummelte unaufhörlich weiter, aber das hochverdiente Tor wollte einfach nicht fallen. In der 61. und 67. Minute traf Musiala jeweils nur Aluminium.
Stattdessen machte Costa Rica in der 70. Minute das zweite Tor durch Vargas und war in dem Moment selbst im Achtelfinale. ARD-Mann Gottlob drehte nun frei und ließ seiner Häme freien Lauf.
Erst jetzt brachte Flick mit Füllkrug und Havertz die volle Offensive auf den Platz, die Deutschland von Anfang an gebraucht hätte. Kurz darauf bereitete der kantige Stürmer von Werder Bremen auch tatsächlich den Ausgleich durch den beim FC Chelsea spielenden Havertz vor (73. Minute). Nun musste Costa Rica den Abwehrriegel weiter öffnen, denn die Chance mit einem dritten Treffer ins Achtelfinale vorzustoßen, war weiterhin gegeben.
Doch nun nutzen die Deutschen die restliche Spielzeit für einen klaren DFB-Sieg. Erst schoss der blendend aufgelegte Havertz mit einem lockeren Abschluss nach Gnabry-Vorlage zum 3:2 ein (85. Minute) und dann besorgte Füllkrug, von der Londoner „Times“ ehrfurchtsvoll „Killer mit der Zahnlücke“ getauft, nach Sané-Brustablage das 4:2 (89. Minute).
Mit demselben Ergebnis hatte Deutschland Costa Rica einst bei der WM 2006 im eigenen Lande in der Vorrunde geschlagen und das „Sommermärchen“ eingeläutet. Doch im Katar des Jahres 2022 herrschte nur noch das pure Entsetzen auf dem Rasen, denn dank Spaniens merkwürdiger Niederlage war Deutschland ausgeschieden. In der ARD-Reporterkabine war Gottlob dagegen blendend aufgelegt und zählte auf, wer nun alles die Schuld am Ausscheiden habe.
Fazit: Costa Rica hat sich nichts vorzuwerfen und fährt mit erhobenem Haupt nach Hause. Die deutsche Nationalmannschaft hat ihr Ausscheiden im Wesentlichen ihrer Unfähigkeit zu verdanken aus zigfachen Chancen erst gegen Japan und nun gegen Costa Rica Tore zu machen. Nur beim 1:1 gegen Spanien war man einigermaßen effizient.
Man muss trotz teils merkwürdiger Aufstellungen aber nicht – wie ARD-Reporter Gottlob – Bundestrainer Flick in Frage stellen. Sein Ziel ist die EM 2024 im eigenen Lande und bei diesem Turnier wird Deutschland mit einer gereifteren Mannschaft eine gewichtige Rolle einnehmen. Es ist eher fraglich, ob dann auch ein von Gebührengeldern bezahlter Reporter am Mikrofon sein sollte, der sich so offensichtlich über das Versagen des DFB-Teams freut wie Gottlob.
Japan – Spanien 2:1
Stattdessen stehen nun Japan und Spanien im Achtelfinale, weil die „Blue Samurai“ einen äußerst überraschenden Sieg gegen den Weltmeister von 2010 einfuhren. Wer allerdings das Verhalten der FIFA gegenüber Deutschland bei dieser WM beobachtet hat, dürfte nicht sonderlich überrascht sein.
Darüber hinaus vereinbarten die Fußballverbände Japans und Spaniens ausgerechnet kurz vor ihrem WM-Spiel auch noch eine Kooperation. Dabei soll es insbesondere um eine enge Verknüpfung im Jugendbereich, im Frauenfußball und bei der Ausbildung von Schiedsrichtern und Trainern gehen. Noch viel wichtiger: Spanien will in den nächsten Jahren in Asien für seine WM-Kandidatur gemeinsam mit Portugal und der Ukraine für das Turnier 2030 werben.
Auffällig war jedenfalls, dass Spanien nach dem frühen 0:1 durch Kopfballungeheuer Morata (11. Minute) gleich mehrere Gänge zurückschaltete und die von Trainer Enrique auf sechs Positionen veränderte Mannschaft das Spiel nur noch verwaltete. Ausnahme war erneut Morata, der aber in der 23. Minute mit einem Flachschuss an Japans Keeper Gonda scheiterte.
Kurz nach der Pause drehte Japan die Partie. Zunächst brachte Spaniens unsicherer Torhüter Simon den Gegner mit einem unpräzisen Schlag aus dem Strafraum ins Spiel. Ito eroberte die Kugel, die zu Freiburg-Profi Doan gelangte. Dessen Linksschuss schlug links unten ein (48. Minute).
Drei Minuten später segelte ein weiter Diagonalball durch den spanischen Strafraum bis zur Grundlinie, von wo Mitoma nach innen passte und Fortuna Düsseldorfs Tanaka innen per Knie vollstreckte. Der VAR überprüfte das Tor und gab es, obwohl in der Zeitlupe zu sehen war, dass der Ball die Grundlinie ins Aus überschritten hatte – nicht die erste Fehlentscheidung des VAR bei dieser von Schiebungen gekennzeichneten WM!
Merkwürdigerweise tat Spanien dennoch kaum etwas für das Spiel. Erst als im Parallelspiel Costa Rica führte und die „Furia Roja“ somit in jenem Moment ausgeschieden war, wurden die Lebensgeister geweckt und in Form von Asensio und Olmo kamen die Iberer auch zu Chancen. Dann führte im Parallelspiel wieder Deutschland und die Angriffsbemühungen der Spanier flachten wieder ab. Am Ende hieß es 2:1 für Japan.
Fazit: Spaniens Trainer Enrique gab nach dem Spiel sogar zu, dass man schon vor dem letzten Spiel mit einer Niederlage gegen Japan geliebäugelt hatte, schließlich trifft Spanien nun auf Außenseiter Marokko und geht in einem möglichen Viertelfinale dem großen Turnierfavoriten Brasilien aus dem Weg. Die „Blue Samurai“ sind ihrerseits Außenseiter gegen Kroatien.
Kroatien – Belgien 0:0
Natürlich hatte Spaniens Trainer Enrique zuvor das 0:0 der Kroaten gegen Belgien gesehen. Die mit viel Vorschusslorbeeren ins Turnier gestarteten Belgier ließen einige gute Chancen aus, aber Kroatien zeigte sich taktisch überlegen und nickelig in den Zweikämpfen. Der mittlerweile 37 Jahre alte Real-Madrid-Star Modric kommt bei diesem Turnier in eine immer bessere Form und hätte sicherlich eine Idee, wie man Spanien entzaubern könnte.
Ähnlich wie Deutschlands Trainer Flick gebührt aber auch Belgiens Coach Martinez ein gehöriger Anteil am Ausscheiden der „Roten Teufel“, ließ er doch mit Lukaku zunächst seinen torgefährlichsten Stürmer auf der Bank. Stattdessen mühte sich Carrasco im Sturm und verfehlte in der 11. Minute eine Flanke von Mertens. Zwei Minuten später verfehlte Mertens selbst mit einem Schlenzer das kroatische Tor.
In der 18. Minute stand dann schon Modric zur Ausführung eines Foulelfmeters bereit, nachdem Carrasco im eigenen Strafraum ungeschickt gegen Kramaric zu Werke gegangen war. Allerdings entschied der VAR auf vorheriges Abseits der Kroaten und so gab es keinen Strafstoß.
Belgien wirkte bis zur Pause viel zu planlos im Sturm und so brachte Trainer Martinez mit Lukaku in der 46. Minute endlich mehr Torgefahr auf den Platz. Der kantige Stürmer von Inter Mailand stand auch sogleich im Mittelpunkt. Erst wuchtete er das Leder aus kurzer Distanz an den rechten Pfosten (60. Minute), dann köpfte er nach Lovrens unfreiwilliger Vorarbeit knapp über den kroatischen Kasten (62. Minute).
Da Marokko im Parallelspiel führte, brauchte Belgien unbedingt einen Sieg und rannte weiter an. Lukaku wurde dabei zur tragischen Figur. Einmal verfehlte er das Tor per Schienbein (87. Minute) und dann klappte es selbst aus kürzester Distanz nicht mit der Brust (90. Minute).
Fazit: Die Belgier fahren trotz zahlreicher Chancen verfrüht nach Hause und müssen sich einen neuen Nationaltrainer suchen, denn Martinez gab kurz nach dem Spiel seinen Rücktritt bekannt. Kroatien hat seinerseits gegen Japan die Chance ins Viertelfinale vorzustoßen.
Kanada – Marokko 1:2
Der überraschende Sieger in der Gruppe F heißt indes Marokko. Die Nordafrikaner, die sich durch einen 2:0-Sieg gegen die favorisierten Belgier in die Pole Position gebracht hatten, ließen auch gegen Kanada nichts anbrennen.
Von Beginn an waren die „Löwen vom Atlas“ feldüberlegen, profitierten dann aber von einer Slapstick-Einlage des Gegners. Erst spielte Vitoria einen schlampigen Rückpass, dann klärte Keeper Borjan viel zu kurz und genau in die Füße von Chelseas Ziyech, der den Ball aus rund 30 Metern ohne Probleme ins leere Tor chippte (4. Minute).
Während Marokko fortan dominierte, hatten die „Maple Leafs“ kaum Möglichkeiten. Einzige Ausnahme war Buchanans Schuss, der Bonos Gehäuse knapp verpasste (15. Minute). Ganz anders die Nordafrikaner! En-Nesyri lief nach einem einfachen langen Ball von Hakimi zwei Gegenspielern davon und netzte cool ein (23. Minute). Zwei Angriffe, zwei Tore – das ist Effizienz.
Aus dem Nichts erzielte Kanada den Anschlusstreffer, da Aguerd eine Adekugbe-Flanke unglücklich ins eigene Tor abfälschte. Torhüter Bono war machtlos (40. Minute). Kurz vor der Pause dann zappelte das Leder wieder im Netz der Kanadier, doch En-Nesyri stand im Abseits.
Nach dem Pausentee kontrollierte Marokko das Spiel weitgehend, doch in der 72. Minute fingen sich die „Löwen vom Atlas“ fast den Ausgleich. Der Ball sprang vom Kopf des 39-jährigen Jokers Hutchinson an die Unterkante der marokkanischen Latte, von dort auf die Linie und wieder ins Feld. Johnstons zweiter Versuch, ebenfalls per Kopf, landete auf dem Tordach. Danach versuchte Kanada weiterhin alles, um zum Ausgleich zu kommen, doch Marokko verteidigte leidenschaftlich und brachte den Sieg über die Zeit.
Fazit: Marokko steht verdientermaßen im Achtelfinale, wo es gegen die Spanier geht. Nach deren peinlicher Vorstellung gegen Japan dürften die Nordafrikaner nicht mehr als krasser Außenseiter gelten. Kanada hingegen verabschiedet sich ohne Punkte aus dem Turnier, legt aber den Fokus auf die WM 2026, die die „Maple Leafs“ zusammen mit den USA und Mexiko austragen.