Bevor Maurice Wetekam sich das Küsschen von seiner Freundin Joline abholte, kämpfte er im Becken der Pariser La Défense Arena mit den Tränen. Mit gerade einmal 18 Jahren sicherte sich der Schwimmer des TSV Bayer 04 Leverkusen Bronze über 100 Meter Brust und nahm dank der ersten Medaille für das deutsche Team bei diesen Paralympics auch ein wenig den Druck von seinen Teammitgliedern.
«Unfassbar - die erste Medaille. Aber auch generell eine Medaille zu holen, das ist ein unglaubliches Gefühl», sagte Wetekam, der mit einer Fehlbildung des linken Armes auf die Welt kam. «Ich hatte noch nie so einen unglaublichen Support, ich kann das gar nicht beschreiben.»
Schon in seinem Vorlauf hatte der Paralympics-Debütant seine persönliche Bestzeit gesteigert und ein dickes Lob von Bundestrainerin Ute Schinkitz erhalten. «Als Newcomer zum ersten Mal vor so einer großen Kulisse - da kann man nur gratulieren», sagte sie.
In vier Monaten um mehr als vier Sekunden gesteigert
Es ist die unerwartete Krönung eines besonderen Jahres. Bei der Europameisterschaft Mitte April auf Madeira schwamm er mit einer Zeit von 1:11,59 Minuten nur auf den achten Platz und der Konkurrenz deutlich hinterher. «Hinter ihm liegt eine schwierige Saison», sagte Schinkitz. «Es gab aber immer wieder Menschen, die an ihn geglaubt haben und er hat das zugelassen, dafür bin ich ihm sehr dankbar.» In nur vier Monaten steigerte sich ihr Schützling um mehr als vier Sekunden.
«Ich habe ein komplett neues Mindset aufgebaut - mit viel Unterstützung vom Trainerteam, aber auch von der familiären Seite. Ich bin neu an die Sache rangegangen, habe das Training umgestellt, alles überarbeitet und mich reingekniet. Es ist natürlich noch nicht perfekt, aber für die kurze Zeit ist es schon sehr gut geworden», sagte der gebürtige Dortmunder.
Feld von hinten aufgerollt
Im Finale galten der spätere Goldmedaillengewinner Stefano Raimondi aus Italien, Lokalmatador Hector Denayer und Artem Isaew, der unter neutraler Flagge startet, als die großen Favoriten auf Edelmetall. Und zunächst sah es auch so aus, als würde Wetekam das Nachsehen haben. Er kam mit einer schlechten Reaktionszeit vom Startblock weg und musste dem Feld hinterherhetzen. «Als ich nach 85 Meter gesehen habe, dass der Italiener und der Russe neben mir auf den Bahnen vor mir lagen, da habe ich einfach nur gedacht: Scheiße. Es war ein Mega-Kampf hinten raus.»
Der belohnt wurde. Wetekam verbesserte sich noch einmal um 0,75 Sekunden im Vergleich zur Eingangszeit. «Es hätte nicht besser laufen können, die Zeit kann sich definitiv sehen lassen», sagte er.
Und das nächste große Ziel hat er schon vor Augen: die Paralympischen Spiele 2028 in Los Angeles. «Wir bauen darauf auf, was wir uns jetzt erarbeitet haben und hoffen, dass es dann in LA noch deutlich besser wird», so Wetekam und Schinkitz ist sich sicher: «Der Junge hat noch wahnsinnige Reserven.»