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Noch ein Dressur-Gold: «Emotionaler Orkan»

Deutschland bleibt in der Dressur auf Gold abonniert. Einen Tag nach dem Team-Sieg kürt sich Jessica von Bredow-Werndl wieder zur Doppel-Olympiasiegerin. Jubeln darf auch Isabell Werth.
Paris 2024 - Pferdesport
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Zitternd verfolgte Jessica von Bredow-Werndl auf einem TV-Schirm den letzten Ritt der Konkurrenz, dann sprang die Dressurreiterin ihrem Mann Max in die Arme. Am Abreiteplatz begannen die Feierlichkeiten nach ihrem zweiten Gold. Die 38-Jährige gewann mit ihrer Stute wie am Vortag mit der Mannschaft auch das Einzel und krönte sich im Schlosspark von Versailles zur Dressur-Königin der Olympischen Spiele. Silber sicherte sich Isabell Werth mit Wendy.

«Das war sehr anstrengend», berichtete die Siegerin über die bangen Momente: «Das waren, glaube ich, die anstrengendsten Minuten. Ich wusste nicht, wo das Ergebnis zuerst kommt, auf dem Bildschirm oder auf der Anzeigetafel. Ich bin ein paar Tode gestorben.» Dann entlud sich ein «emotionaler Orkan», berichtete sie: «Ich habe da schon weinen müssen.» Ihr Pferd blieb davon unberührt: «Dalera ist eine coole Socke, die ist nicht so gestört wie ich.»

Sie sei «berührt, unfassbar dankbar und überwältigt», meinte von Bredow-Werndl in der ARD und schwärmte von ihrer 17 Jahre alten Stute: «Ich habe ihr vertraut, sie hat mir vertraut, das war einfach wieder die perfekte Symbiose. Sie hat ihr Herz für mich da drin gelassen.»

Die Siegerin musste nach ihrem famosen Ritt noch ein paar Minuten bangen, denn die letzte Reiterin war Cathrine Laudrup-Dufour mit Freestyle. Strahlend war sie zuvor aus dem brodelnden Stadion geritten, lobte ihre Dalera und rief: «Hoffentlich reicht es.» Ja, es reichte. Denn die Dänin patzte. Für von Bredow-Werndl war es die Wiederholung des Doppel-Sieges von Tokio. 

Werth: «Sprengt meine Erwartungen»

Und es gab sogar zwei deutsche Medaillen im Einzel, da auch Werth mit Wendy brillierte. «Die Spiele sind einfach fantastisch», kommentierte Werth: «Hier mit Gold und Silber nach Hause zu fahren, sprengt meine Erwartungen. Und dann diese Atmosphäre, es ist unglaublich und fanatisch.»

Die deutsche Delegation in Versailles feierte die beiden Reiterinnen. «Es ist schwer, für diese überragenden Leistungen noch angemessene Superlative zu finden», kommentierte Dennis Peiler, der Sportchef des Reitverbandes FN. «Das ist einfach nur großartig, das vor dieser Kulisse zu erleben.»

Die beiden deutsche Konkurrentinnen genossen zusammen den Doppel-Erfolg, den es so auch in Tokio gegeben hatte. «Es freut mich extrem», kommentierte die Siegerin: «Das war natürlich unsere Traumvorstellung, dass wir noch einmal zusammen auf dem Podium stehen. Darüber haben wir gestern noch gesprochen, das ist unfassbar.»

Dalera tanzte im Viereck

Von Bredow-Werndl ließ ihre Dalera in der Kür wieder einmal tanzen. Zu einem Medley von französischer Chanson-Musik reihte die 38-Jährige mit der Stute Elemente mit höchsten Schwierigkeitsgraden aneinander. Nach ihrem herausragenden Auftritt wischte sie sich eine Träne aus den Augen. Und sagte später zur Musik: «Das war eine Hommage an Paris, an die Liebe und an Dalera.» 

Aber auch Werth zeigte noch einmal eine Gala in der Kür. Zu einem Potpourri rund um den Schmuse-Song «Mandy» von Barry Manilow, der wegen ihrer Stute auf «Wendy» umgedichtet wurde, begeisterte die 55-Jährige aus Rheinberg die rund 15.000 Zuschauer im Stahlrohr-Stadion von Versailles. Nach dem Ritt zeigte sie ihre Faust und strahlte.

Keine Zeit zum Feiern

Am Vortag hatten Werth und von Bredow-Werndl gemeinsam mit Frederic Wandres bereits eine goldene Medaille in der Mannschaft gewonnen. Viel Zeit zum Feiern blieb dabei nicht, da noch am Abend die Vorbereitung auf die Kür begann, bei der die beiden deutschen Reiterinnen zu Konkurrentinnen wurden - und beide jeweils noch eine Medaille gewannen.

Werth hatte mit dem hauchdünnen Sieg mit dem Team bereits etwas Einmaliges geschafft. Sie stieg zu Deutschlands Rekord-Medaillengewinnerin auf. In Werths Olympia-Bilanz stehen nun acht goldene und sechs silberne Olympia-Medaillen. Die Kanutin Birgit Fischer ist die deutsche Nummer zwei, sie hatte in ihrer Karriere acht olympische Goldmedaillen und vier Silbermedaillen geholt. «Also das ist schon sehr, sehr besonders», sagte sie zu ihrer Olympia-Bilanz. «Das macht mich natürlich stolz.» Sie kündigte an: «Ich werde mit Birgit bald einen trinken gehen. Wir haben beide echt was hingekriegt.»

«Blut und Wasser geschwitzt»

Der Weg zum Rekord-Sieg, dem 15. deutschen Team-Gold bei Olympischen Spielen, war ein ganz besonderer. Denn er war so knapp wie noch nie - und Werth hatte ihn bereits abgeschrieben, weil von Bredow-Werndl in dem Grand Prix Special ungewohnte Schwächen zeigte. «Wir haben uns verrechnet, sind zum Stall und haben gedacht, das reicht nicht», berichtete Werth: «Ich habe gedacht, das war knapp vorbei.» 

Als der Jubel im Stadion ausbrach, «mussten wir wieder zurück», sagte Werth und fügte grinsend an: «Da sage noch einer, Dressursport ist langweilig.» Die erfahrene Reiterin gab zu: «Dass das noch so ein Krimi werden würde, haben wir nicht so richtig erwartet. Wir haben Blut und Wasser geschwitzt.»

«Geht nicht, gibt es nicht»

Werths einzigartige Karriere hatte bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona begonnen, wo sie mit Gigolo Team-Gold gewann. Vier Jahre später feierte sie Doppel-Gold mit demselben Pferd. Weitere Goldmedaillen holte sie mit den Pferden Satchmo, Weihegold und Bella Rose. Zu Werths außergewöhnlicher Erfolgsbilanz gehören außerdem neun WM-Titel. «Dieses Durchhaltevermögen über all die Jahre, das ist der Wahnsinn», schwärmte ihr Teamkollege Frederic Wandres: «Geht nicht, gibt es nicht.»

Auch Wandres reiste mit Gold nach Hause in Hagen im Osnabrücker Land. Doch im Einzel blieb der 37-Jährige mit Bluetooth ohne Chance aufs Podium. Die Bundestrainerin habe ihm vor dem Einreiten gesagt: «Denk daran, du bist Olympiasieger seit gestern.» Er habe die Kür daher genossen.

Redaktionshinweis: In einer früheren Version dieses Artikels wurde der Name des Pferds von Isabell Werth an einer Stelle mit Mendy angegeben. Es muss Wendy heißen.

© dpa ⁄ Michael Rossmann und Stefan Tabeling, dpa
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