Wie neugierige Schüler beim Klassenausflug wanderten Deutschlands Handballer in ihren quietschgelben Outfits durch das Olympische Dorf. Das obligatorische Sightseeing-Programm im neuen Quartier am nördlichen Stadtrand von Paris versetzte die DHB-Auswahl endgültig in Team-Deutschland-Stimmung.
«Die ersten Eindrücke sind durchweg positiv. Wir haben sehr, sehr ordentliche Wohnungen vorgefunden. Das Team-D-Gefühl war vom ersten Moment an sehr, sehr groß», berichtete Kapitän Johannes Golla und schwärmte von Empfang mit Applaus im Deutschen Haus. «Spätestens das war ein gutes Zeichen, dass da wieder ein tolles Wir-Gefühl entsteht.»
Applaus möchte sich das DHB-Team auch mit einem Auftaktsieg an diesem Samstag (19.00 Uhr) verdienen. Die Auftakthürde könnte aber kaum größer sein, denn der EM-Dritte Schweden wartet. «Wir haben das Team in den letzten drei Jahren sehr rigoros verjüngt – nicht nur gewollt, aber es ist halt so gekommen. Wir haben eine sehr junge, sehr hungrige Mannschaft, die riesige Talente hat, aber auch jetzt schon die Qualität besitzt, um die ganz Großen zu schlagen», sagte Bundestrainer Alfred Gislason.
Letzter Sieg ein gutes Omen?
Man muss im Länderspielarchiv weit nach unten scrollen, um den letzten deutschen Sieg gegen die Skandinavier zu finden. Im Sommer 2016 gewann das DHB-Team mit 32:29. Auch damals war es ein Duell bei den Olympischen Spielen. Auch damals war es das Auftaktspiel. Ein gutes Omen? Denn wie die Reise vor acht Jahren in Rio endete, ist bekannt. Über Bronze würde sich beim Deutschen Handballbund auch diesmal niemand beschweren.
Aber woher sollen Spielmacher Juri Knorr, Golla und Co. die Zuversicht nehmen? Denn Andreas Wolff und der für den verletzten Franz Semper nachgerückte Kai Häfner sind die einzigen Spieler aus dem deutschen Olympia-Aufgebot, die wissen, wie sich ein Sieg gegen das Drei-Kronen-Team anfühlt. In den Köpfen der Mitspieler sind eher Niederlagen präsent. Wie die bei der Heim-EM im Spiel um Platz drei. «Ihr schlechtestes Niveau ist wahnsinnig hoch. Aber wir sind jetzt auch mal dran», befand DHB-Profi Christoph Steinert trotzig.
Kein «Olympia-Tourismus»
Mut schöpfen die DHB-Profis aus der nahezu perfekten Vorbereitungsphase. Nach Siegen gegen Europameister Frankreich, Ungarn und Vorrundengegner Japan sind Deutschlands Handballer genau zum Saison-Höhepunkt in Topform. «Klar haben wir noch Schwankungen im Spiel, aber die Ausschläge nach unten sind viel geringer als in der Vergangenheit», analysierte Steinert, der mit einem Sieg gegen Schweden einen großen Schritt Richtung Viertelfinale gehen will. «Noch weniger Ballverluste, noch weniger Tempotore zulassen und effektiver im Abschluss sein», forderte der Rückraumspieler.
Das DHB-Team will nichts dem Zufall überlassen. Äußere Einflüsse minimieren und voller Fokus auf Schweden, lautet die Vorgabe. Die langwierige Eröffnungsfeier heute Abend findet deshalb ohne die deutschen Handballer statt. «Wir können es uns gegen Schweden nicht leisten, ein paar Prozentpunkte nachzulassen. Deshalb haben wir uns in der Mannschaft dafür ausgesprochen, dass wir nach Paris reisen, um nicht Touris zu sein und nicht Olympia-Tourismus zu machen», begründete Golla die Mannschaftsentscheidung.