Die Spiele der Fußball-EM in Deutschland werden live in die ganze Welt gesendet. Aber nicht alle Fans in den Stadien und vor den Bildschirmen sehen immer dieselben Bilder. Wenn etwa den deutschen TV-Zuschauern die Bandenreklame eines großen niedersächsischen Geflügelschlachters ins Auge sticht, bekommen Amerikaner und Chinesen nichts davon mit. Auch die Leute in der Arena sehen diese Reklame auf den LED-Banden rund um das Spielfeld nicht. Der Grund dafür ist eine spezielle Technologie.
Die Europäische Fußball-Union UEFA produziert speziell zugeschnittene Werbung für TV-Zuschauer in Deutschland, China und den USA – mit virtuell angepassten Werbebanden. Das bedeutet, dass in den jeweiligen Ländern bei den Live-Spielen teils unterschiedliche Werbeeinblendungen auf den LED-Banden gezeigt werden. «So sieht zum Beispiel ein Zuschauer im Stadion Coca-Cola-Werbung in englischer Sprache auf den Werbetafeln, während ein Fernsehzuschauer in Deutschland eine ähnliche Coca-Cola-Werbung, aber in deutscher Sprache sieht», erklärte die UEFA der Deutschen Presse-Agentur.
KI-Premiere bei einer EM
Bei der Technologie werde Künstliche Intelligenz eingesetzt, um die Werbetafeln in Echtzeit zu überblenden. Die Werbung werde laut UEFA aber nur auf der Hauptübertragungskamera während des Spiels virtuell ersetzt. Bei anderen Kamerawinkeln werde die Werbung auf den Banden nicht angepasst.
Die UEFA testete das Prozedere in den vergangenen sechs Jahren. Erstmals zum Einsatz kam virtuelle Bandenwerbung beim Super Cup 2021, wie der Verband mitteilte - nun wird die Technologie erstmalig bei einer Europameisterschaft verwendet. Seit der Saison 2018/19 gibt es in der Bundesliga die Möglichkeit für virtuelle Bandenwerbung.
Christoph Breuer, Professor für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule in Köln, spricht von einer größeren Wirkung, die die Sponsoren durch virtuelle Werbung erzielen. Markenbotschaften von UEFA-Sponsoren könnten so in den jeweiligen Landessprachen gezeigt werden. Und es ist möglich, nationale Sponsoren zusätzlich einzublenden.
Spezieller Hinweis bei ARD und ZDF
«Technisch ist es seit mehreren Jahren möglich die Übertragungsbilder in Echtzeit zu verändern, ohne dass es der TV-Zuschauer merkt», sagt Breuer. Gerade im US-Sport werde die Technologie schon lange genutzt, mittlerweile auch verstärkt in Asien. In diesen Ländern erscheinen Markenlogos oft auch auf dem Spielfeld. «Die europäischen Sportveranstalter waren hierbei lange sehr zurückhaltend», merkt er an. Bei der EM werde virtuelle Werbung nur sehr dosiert eingesetzt – technisch wäre viel mehr möglich.
Bei den Übertragungen kennzeichnen ARD und ZDF am Anfang und Ende der Sendung, dass virtuelle Werbung eingesetzt wird. Auch im Medienstaatsvertrag wird festgehalten, dass in Sendungen darauf hingewiesen werden muss. Dort steht auch, dass virtuelle Werbung nur zulässig sei, wenn die «am Ort der Übertragung ohnehin bestehende Werbung ersetzt wird». Somit sollen also keine zusätzlichen virtuellen Werbeflächen geschaffen werden.
Experte: Faire Maßnahme
Breuer hält die neuartige Werbeform für unproblematisch. «Es wird ja nicht mehr Werbung gezeigt, sondern nur geschickter», sagt er. Zudem werde klar kommuniziert, dass die gezeigten Bilder nicht 1:1 dem entsprachen, was Stadionbesucher sehen. «Auf dieser Basis halte ich das Vorgehen für eine faire Maßnahme zur Steigerung der Wertschöpfung», sagt Breuer.
«Problematischer wäre es, wenn zusätzliche Werbeflächen eingebaut würden, die der Stadionsituation überhaupt nicht entsprechen», gibt der Sportökonom zu Bedenken. Das sei der Fall, wenn beispielsweise im Mittelkreis, Fünfmeterraum oder an den Ecken Markenlogos virtuell eingeblendet würden. Ob die UEFA solche Maßnahmen in Zukunft plant, ließ sie auf Anfrage offen.