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Trinkflasche gegen Elfmeter-Trauma: England feiert Pickford

Elfmeterschießen gehören eigentlich nicht zu den Stärken der Engländer. Doch im EM-Duell mit der Schweiz gibt es keinen Fehlschuss. Nervenstärke und eine Trinkflasche verhelfen zum Happy End.
Euro 2024: England - Schweiz
Euro 2024: England - Schweiz

Den Elfmeter-Fluch besiegt, die Kritiker besänftigt - für Englands Nationalmannschaft geht die historische EM-Mission trotz anhaltend dürftiger Leistungen weiter. Ein Spickzettel auf der Trinkflasche von Torhüter Jordan Pickford und ungewohnte Nervenstärke verhalfen beim 5:3 (1:1, 1:1, 0:0) im Penalty-Krimi gegen die Schweiz in das EM-Halbfinale. Die Aussicht auf den ersten Finaleinzug bei einem großen Turnier außerhalb Englands versetzte Matchwinner Bukayo Saka in Euphorie: «Diese beiden Spiele können unser Leben verändern. Wir können Geschichte schreiben.»

Saka rehabilitiert sich

Anders als beim EM-Showdown vor drei Jahren gegen Italien behielten diesmal alle fünf Schützen im Duell vom Punkt die Nerven. Vor allem bei Saka war das Trauma von 2021 mit einem Schlag vergessen. Sein verschossener Elfmeter vor heimischer Kulisse in Wembley und die anschließende mitunter rassistische Kritik vieler enttäuschter englischer Fans hielten ihn nicht davon ab, erneut Verantwortung zu übernehmen - und eiskalt zu verwandeln. 

«Man kann einen Fehlschlag haben, aber man muss wieder aufstehen», kommentierte der Torschütze zum 1:1 (80. Minute), mit dem er seine erneut wankende Mannschaft vor dem Aus bewahrte und nach dem 0:1 fünf Minuten zuvor durch Breel Embolo in die Verlängerung rettete. Cheftrainer Gareth Southgate schloss den Matchwinner innig in die Arme: «Es ist ein Traum, mit ihm zu arbeiten. Wir freuen uns für alle, aber ganz besonders für ihn.»

Hilfreiche Trinkflasche 

Dass die Weltmeister von 1966 weiter vom ersten großen Titel seit 58 Jahren träumen dürfen, war auch Pickford zu verdanken. Die auf seiner Trinkflasche verewigten Vorlieben der Schweizer Elfmeterschützen halfen dem englischen Torhüter, gleich den ersten Schuss von Manuel Akanji zu parieren. Der «Dive left»-Hinweis hinter dem Namen des ehemaligen Dortmunder Abwehrspielers erwies sich dabei als besonders hilfreich. 

Dass der Schlussmann laut der Zeitung «The Sun» bei anderen Schützen seine eigenen Hinweise ignorierte und in die falsche Ecke flog, tat der märchenhaften Geschichte um die siegbringende Trinkflasche keinen Abbruch. «Ich habe an meine Mentalität und an mich geglaubt. Ich habe daran geglaubt, dass ich mindestens einen halten werde», sagte der 30 Jahre alte Keeper. So kam es.

Pickfords großartige Bilanz

Mit Pickfords Hilfe können die Engländer plötzlich wieder Elfmeterschießen gewinnen. In drei Duellen vom Punkt parierte er vier von 14 Strafstößen und übertraf damit seine Vorgänger deutlich. Am Samstag gegen Akanji, 2021 gegen Italien gegen Jorginho und Andrea Belotti sowie bei der WM 2018 gegen Kolumbien gegen Carlos Bacca. 

Das EM-Finale gegen Italien wurde vor drei Jahren nur verloren, weil gleich drei englische Schützen vergaben. «Wenn man Turniere gewinnen will, geht es nicht nur darum, gut zu spielen. Du musst einige dieser anderen Attribute zeigen», sagte Southgate. 

Nicht ohne Stolz verwies der Chefcoach, der als Fehlschütze im EM-Halbfinale von 1996 gegen Deutschland selbst zum Protagonisten der traumatischen Erfahrungen Englands in dieser Disziplin wurde, auf die jüngste Arbeit mit seinen Profis an dieser Schwäche: «Wir haben bei den vergangenen Turnieren drei von vier Elfmeterschießen gewonnen. Aber für das letzte verschossene Elfmeterschießen im Finale gegen Italien wurden wir ans Kreuz genagelt.»

Southgate kontert Kritiker

Der Einzug ins Halbfinale am Mittwoch (21.00 Uhr) in Dortmund gegen die Niederlande ist für den 53-Jährigen eine besondere Genugtuung. Die Kritik in der Heimat am bisherigen Rumpelfußball seines Teams dürfte in den kommenden Tagen abebben. Zwar blieb das über eine Milliarde Euro teure englische Starensemble auch gegen die Schweiz weit unter seinen Möglichkeiten, zeigte aber laut Southgate «Charakter und Widerstandskraft».

Der ehemalige Nationalspieler warb um Verständnis für die schmucklosen, aber erfolgreichen Auftritte seiner Mannschaft auf der großen Bühne: «Das sind keine normalen Fußballspiele, sondern nationale Ereignisse mit enormem Druck.» Seinen Kritikern begegnete Southgate mit dem Hinweis auf die beachtliche WM- und EM-Bilanz in seiner nunmehr knapp acht Jahre und 100 Länderspiele andauernden Amtszeit: «Wir stehen jetzt im dritten Halbfinale von vier Turnieren. Das ist eine gute Leistung. Jetzt wollen wir den großen Wurf machen.»

© dpa ⁄ Heinz Büse, Morten Ritter, Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa
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