Die Stuttgarter Spieler standen nach den zwei späten Nackenschlägen bedröppelt am Mittelkreis, als von den mitgereisten Fans im legendären Estadio Santiago Bernabéu aufmunternder Applaus ertönte. Deniz Undav und Co. rafften sich auf und gingen zu den Anhängern, die sie trotz des 1:3 (0:0) beim Champions-League-Comeback des VfB für einen mutigen Auftritt gegen Real Madrid feierten.
«Aktuell bin ich enttäuscht. Ich weiß, wir haben couragiert gespielt», sagte Trainer Sebastian Hoeneß bei Prime Video: «Darauf können wir stolz sein. Nur das Gefühl wird sich erst später einstellen.» Der VfB-Coach sprach zudem von einem «typischen Real-Madrid-Spiel».
Ausgerechnet Antonio Rüdiger vermasselte dem VfB Stuttgart die Rückkehr auf die glanzvolle Königsklassen-Bühne. Der Ex-Stuttgarter erzielte per Kopf in der 83. Minute das wegweisende 2:1 für den großen Favoriten. Endrick sorgte mit einem Treffer in der Nachspielzeit (90.+5) für den Endstand.
Stürmerstar Kylian Mbappé hatte bei seinem Königsklassen-Debüt für Madrid kurz nach dem Seitenwechsel die 1:0-Führung (46. Minute) erzielt, die Nationalstürmer Undav egalisierte (68.). Der VfB hatte den Titelverteidiger phasenweise gewaltig unter Druck gesetzt. Allerdings ließ das Team zu viele Chancen liegen.
In der ersten Halbzeit hatte der VfB aber auch Glück, dass der türkische Schiedsrichter Halil Umut Meler einen Elfmeter nach Ansicht der Videobilder wieder zurücknahm (36.). Maximilian Mittelstädt hatte seinen Nationalmannschaftskollegen Rüdiger im Strafraum - wenn überhaupt - nur minimal mit der Fußspitze berührt.
Die rund 4.000 VfB-Fans, die über das offizielle Kartenkontingent für die Gäste ins Stadion gekommen waren, konnten mit dem Auftritt ihrer Mannschaft trotz der Niederlage sehr zufrieden sein. Bis zu 15.000 Stuttgarter Anhänger waren in der Stadt Madrid unterwegs und verfolgten die Partie in Bars und Restaurants.
Nach fast 15 Jahren wieder Königsklasse
Der VfB feierte nach 14 Jahren und 184 Tagen ein historisches Comeback auf höchster europäischer Ebene. Laut Datenanbieter Opta war es die längste Zeitspanne eines deutschen Clubs zwischen zwei Champions-League-Spielen. Am zweiten Spieltag empfangen die Schwaben in zwei Wochen den tschechischen Meister Sparta Prag.
«Es kommt uns alles etwas spanisch vor, aber es ist real», sagte der VfB-Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle lächelnd vor dem Anpfiff bei Prime Video. Mittelstädt betonte aber auch: «Wir sind nicht nur hier, um nette Gäste zu sein.» Und Hoeneß, der Real im Vorfeld als «Mythos» betitelt hatte, stellte vor seinem Champion-League-Debüt als Trainer klar: «Wir haben schon den Anspruch zu zeigen, warum wir hier hergekommen sind.» Und das taten seine Spieler.
Der Coach verzichtete in der Startelf auf Mittelstürmer Ermedin Demirovic, der am Wochenende beim 3:1-Auswärtssieg gegen Borussia Mönchengladbach doppelt getroffen hatte. Dafür rückte Außenangreifer Chris Führich ins Team - und der leitete nach zwei Minuten gleich die erste Chance durch Jamie Leweling ein.
Nur kurze Zeit später vergab der ebenfalls neu in die Startelf gekommene Enzo Millot (8. und 14.) zweimal die mögliche Führung. Real-Torwart Thibaut Courtois reagierte richtig wütend auf seine Vorderleute, als er dann gegen den alleine auf sich zulaufenden Angelo Stiller parieren musste (16.). Der Treffer hätte wegen einer Abseitsstellung zwar nicht gezählt, aber es war ein Warnschuss für den Favoriten.
Schock nach Seitenwechsel
Plötzlich war Real mehr um Ballbesitz bemüht und damit auch gefährlicher, sodass sich ein offener Schlagabtausch entwickelte. Zuerst scheiterte Mbappé am Stuttgarter Schlussmann Alexander Nübel (25.). Dann traf auf der Gegenseite Undav mit einem abgefälschten Schuss nach einem Konter die Latte (28.). Der Eingriff des Videoschiedsrichters beim vermeintlichen Strafstoß passte zur packenden und ereignisreichen ersten Halbzeit.
Die zweite Hälfte begann mit einem Schock für die Gäste: Nachdem sich Mittelstädt verschätzt hatte, nahm Rodrygo den Ball auf und leitete ihn zu Mbappé weiter, der mühelos das 1:0 erzielte und das Bernabéu zum Kochen brachte.
Vom Rückstand waren die Stuttgarter aber nur kurz beeindruckt. Nachdem Courtois gegen Leweling noch parieren konnte (60.), war er gegen Undavs Kopfball machtlos. Der spanische Rekordmeister erhöhte nun abermals den Druck und kam noch zu zwei späten Toren.