Leiden für London: Ganz Dortmund träumt von einer Rückkehr nach Wembley und dem deutschen Champions-League-Finale gegen den FC Bayern. Bei allem Respekt vor dem schweren Halbfinal-Rückspiel am Dienstag (21.00 Uhr/Prime Video) bei Paris Saint-Germain überwiegt die Vorfreude.
«Wir haben einen riesigen Traum - und den wollen wir erfüllen. Wenn es nötig ist, rennen wir 20 Kilometer mehr», sagte Edin Terzić. Dass der Gegner nach wie vor als Favorit gilt, kann die Zuversicht des BVB-Trainers nicht schmälern: «Wäre es nach Favoriten gegangen, wären wir heute nicht hier.»
Ermutigt durch das 1:0 im ersten Duell mit den Franzosen schlug auch der am Saisonende scheidende Marco Reus ähnlich kämpferische Töne an. «Wir gehen mit einem Vorsprung in das Spiel und müssen wie Männer spielen», forderte der Routinier. Nach über 21 Jahren im schwarz-gelben Trikot sehnt er sich nach einem märchenhaften Karriere-Showdown: «Wir wollen den Henkelpott nach Dortmund holen.» 2013 verhinderte das der FC Bayern mit einem 2:1-Erfolg über den BVB im Endspiel im Wembleystadion.
Liebend gern würden seine Mitspieler und das Trainerteam der Dortmunder Kultfigur einen glorreichen Abschied bereiten. «Da würde sich ein Kreis schließen. Er war in seiner ersten Saison mit Borussia Dortmund in Wembley. Und das wäre doch der perfekte Rahmen, wieder dahinzufahren», sagte Terzić.
Wie schwer die Aufgabe im Parc des Princes werden kann, bekam die Borussia bereits in der Gruppenphase zu spüren, als sie an gleicher Stätte mit einem 0:2 noch gut bedient war. Doch mit zuletzt berauschenden Auftritten auf europäischer Bühne wuchs nach Einschätzung von Terzić die Widerstandskraft - und der Glaube: «Am Anfang der Saison hatten wir uns noch nicht wirklich gefunden. Da fehlte uns in ganz vielen Bereich der Mut.»
Hinspiel als Blaupause
Als Blaupause für die knifflige Aufgabe taugt der couragierte Auftritt im Hinspiel. Zumindest in der ersten Halbzeit blieb der Wundersturm des französischen Meisters um Stars wie Kylian Mbappé und den ehemaligen Dortmunder Ousmane Dembélé ohne Torchance. Dass es dem BVB als bisher einziger Mannschaft in dieser Champions-League-Saison gelang, gegen Paris kein Gegentor zu kassieren, hatte am Ende aber auch mit Glück zu tun.
Diese Fortune wird der BVB wohl auch in Paris benötigen. «Über 90 Minuten kannst du sie nicht ausschalten, das sind Ausnahmespieler. Sie werden mehr Chancen haben als im Hinspiel», orakelte Nico Schlotterbeck.
Kehl: «Werden leiden müssen»
Wie der 24 Jahre alte Innenverteidiger erwartet auch Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl einen Sturmlauf des Teams von Trainer Luis Enrique: «Sie haben die Erwartung, das gegen uns zu Hause zu regeln. Wir werden leiden müssen und brauchen eine unserer besten Leistungen, um zu bestehen.» Der Sportdirektor ist guter Dinge, dass es nicht so einseitig wird wie noch beim 0:2 im vorigen September: «Es wird eine ganz enge Kiste. PSG hat Respekt - den haben wir uns erarbeitet.»
Er hofft auf ein Endspiel gegen den FC Bayern, der einen Tag später im Halbfinale bei Real Madrid antritt und nach dem 2:2 im Hinspiel mehr unter Druck steht. «Ich würde mir nichts mehr wünschen, als dieses Finale noch mal zu spielen. Das wäre für die Bundesliga, für Deutschland und auch für die Vereine großartig», sagte der Sportdirektor beim Sender Welt-TV.
Weitere Tore von Niclas Füllkrug könnten helfen, den Weg zum Endspiel am 1. Juni in London zu ebnen. Der Nationalstürmer strotzt nach seinen Treffern im Viertelfinale gegen Atlético Madrid und im Hinspiel gegen Paris vor Selbstvertrauen und verspürt wenig Lust auf eine rein defensive Ausrichtung: «Wir werden auch versuchen, unseren Fußball zu spielen und nicht, ein 0:0 über die Zeit zu bringen.»
Spielfrei für Paris
Nur gut, dass der BVB von der diesjährigen Sonderregelung profitierte und die Qualifikation für die Champions League über die UEFA-Jahreswertung bereits mit dem 1:0 sechs Tage zuvor gegen Paris perfekt machte. Deshalb konnte sich Trainer Terzić den Luxus erlauben, beim Ligaspiel am Samstag gegen Augsburg (5:1) gleich zehn Feldspieler aus der Startelf zu rotieren. Das brachte die Franzosen, die ihre Partie gegen Nizza eigens verlegt hatten, um einen vermeintlichen Vorteil. «Sie haben das Wochenende genutzt, um zu trainieren. Wir haben das Wochenende genutzt, um eine Menge Emotionen, Euphorie und Energie zu sammeln. Wir werden gut vorbereitet sein», sagte Kehl.