Der von Hannovers Oberbürgermeister und den Klimaaktivisten der Letzten Generation vereinbarte Stopp der Klebeproteste führt zu Kritik. «Wir unterstützen den Vorstoß nicht», sagte SPD-Ratsfraktionschef Lars Kelich der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» (Donnerstag). Er hält Onays Vorgehen für einen «Fauxpas».
Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Verbands Niedersachsenmetall, sagte am Freitag in einer Mitteilung, es sei politisch völlig unerheblich, ob der Oberbürgermeister die Forderungen von Protestierenden der Letzten Generation unterstütze oder nicht. «Allein der Anschein, dass der Rechtsstaat gegenüber sogenannten Protestierern, die fortgesetzt Straftaten begehen, nachgibt und sich wohlfeiles Verhalten durch die Übernahme ihrer Forderungen «erkauft», ist verwerflich.»
Der Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay (Grüne), hatte sich nach eigenen Angaben mit der Klimabewegung Letzte Generation auf ein Ende der Klebeproteste in der Stadt geeinigt. Onay veröffentlichte am Donnerstagabend einen Brief an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen. Er teile die Einschätzung der Wissenschaft wie der Letzten Generation, dass derzeitige Maßnahmen nicht ausreichten, «um die existenzbedrohende Klimakrise abzuwenden», schrieb Onay darin. Er bat den Bund, Klimaschutzmaßnahmen in den Kommunen stärker zu unterstützen.
Onay sagte der dpa am Donnerstagabend: «Für mich als OB war klar, dass wir das abräumen müssen. Das ist im Ergebnis gelungen», sagte der Grünen-Politiker. «Wir haben eine Einigung, mit der die Proteste beendet werden.» Die Aktivisten der Letzten Generation hätten ein Anliegen, das im Ziel richtig sei. Die Methoden seien jedoch umstritten.
Die Klimaaktivisten bestätigten am Freitag, dass sie die Proteste in Hannover dauerhaft aussetzen würden. Nach dem Stopp der Protestaktionen in Hannover laufen Gespräche über entsprechende Vereinbarungen auch in anderen Städten. Namen oder Details könne man aber zurzeit nicht mitteilen, sagte Letzte Generation- Sprecher Jakob Beyer am Freitag auf dpa-Anfrage in Berlin.
Weiter sagte Beyer, mit der Ausweitung des Protests auf das ganze Land richtete man sich nun auch an die Bürgermeister der Städte. «Wenn diese sich öffentlich hinter uns stellen und die Bundesregierung dazu auffordern, unseren Forderungen nachzugehen, werden wir die Proteste in dieser Stadt einstellen.» Der Oberbürgermeister von Hannover habe dies bundesweit als erstes in einem öffentlichen Brief getan.
Onay sagte der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» am Freitag: «Die konkrete Bitte an mich lautete, die Forderung nach einem Gesellschaftsrat in Form eines Briefes an die demokratischen Fraktionen des Bundestags zu unterstützen. Das werde ich tun. Im Gegenzug beendet die Letzte Generation ihre Straßenblockaden in Hannover. Darauf haben wir uns am Donnerstagnachmittag geeinigt.»
Die Letzte Generation forderte die Bundesregierung unter anderem auf, einen «Gesellschaftsrat» einzuberufen, in dem zufällig ausgeloste Menschen sitzen. Hier sollten Schritte ausgearbeitet werden, damit Deutschland ab 2030 klimaneutral ist.
Zu dem geforderten Rat sagte Onay: «Ich kann der Idee viel abgewinnen, und auch in Hannover entsteht ein vergleichbares, beratendes Gremium. Der entscheidende Punkt ist die Kompetenz: Aus meiner Sicht könnte solch ein Gremium Anstöße geben und für bessere Repräsentativität sorgen.» Teilen der Letzten Generation schwebe hingegen ein eigenes Gesetzgebungsrecht vor, sagte Onay. «Das geht verfassungsrechtlich nicht, und ich lehne das auch politisch ab.
Wie in vielen Städten haben sich auch in Hannover Mitglieder der Letzten Generation auf Straßen festgeklebt und damit Verkehrsstaus und viel Ärger verursacht. Aktivisten der Gruppierung hatten sich am Montagmorgen erneut am Deisterkreisel in Hannover auf der Straße festgeklebt und so knapp eine Stunde lang den Verkehr blockiert.
Auch ein Rettungswagen des Rettungsdienstes der Region Hannover war auf einer Einsatzfahrt mit Blaulicht und Martinshorn von der Verkehrsbehinderung betroffen und musste einen Umweg in Kauf nehmen. Der Zustand des Patienten im Rettungswagen verschlechterte sich nach Angaben der Regionalleitstelle dadurch nicht. Die Gruppe selbst sieht ihren Protest als zivilen Ungehorsam, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen und die Politik zu einem verstärkten Handeln zu drängen.