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Umbau des deutschen Stromsystems - wie es aussehen könnte

Der massive Ausbau der erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne hat Folgen für das Stromsystem. Geplant sind umfassende Reformen.
Strommasten
Ladestationen für E-Autos
Wärmepumpe
Windpark an der Nordsee

Immer mehr Strom aus Wind und Sonne, immer mehr Wärmepumpen und Elektroautos: das hat Folgen für das Stromsystem. Es sind Reformen notwendig. Nun hat das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium ein umfassendes Papier für ein «Strommarktdesign» der Zukunft vorgelegt. Ziel sei ein sicheres, bezahlbares und nachhaltiges Stromsystem. 

Der Umbau kostet Milliardensummen, zum Beispiel für den Ausbau von Stromnetzen sowie für Investitionen etwa in neue Gaskraftwerke. Die Kosten sollen so gering wie möglich gehalten werden, wie es im Papier heißt. Zu den Vorschlägen für das neue Strommarktdesign findet zunächst bis Ende August eine öffentliche Konsultation statt.

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Stromsystem im Wandel

Deutschlands Stromsystem befinde sich mitten in einer umfassenden Modernisierung, heißt es in einem Papier des Ministeriums von Ressortchef Robert Habeck (Grüne). Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Der Anteil des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne soll bis 2030 auf 80 Prozent steigen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres waren es nach Branchenangaben 58 Prozent. 

Es beginne nun die Phase, in der es gelingen solle, die Stromversorgung vollständig über erneuerbare Energien abzudecken, heißt es im Papier - und in der eine «massive Elektrifizierung» der Energieversorgung im Wärme- und Verkehr anstehe und Kohle, Öl und Gas als fossile Energiequellen endgültig abgelöst werden. 

Ein neues «Betriebssystem»

In dem Papier ist die Rede von einem neuen «Betriebssystem». Die wetterabhängige, «variable» Stromerzeugung aus Wind und Photovoltaik (PV) führe zu einem Paradigmenwechsel. «Während früher die Erzeugung der Nachfrage folgte, orientiert sich im dekarbonisierten Stromsystem die Nachfrage stärker am Angebot.» Große Teile der Nachfrage – zum Beispiel die E-Mobilität oder bestimmte Teile industrieller Prozesse - würden ihren Verbrauch in Zeitfenster mit einem hohen Angebot an erneuerbaren Energien und niedrigen Preisen legen. «Das Elektroauto wird die Mittagszeit nutzen, wenn das Angebot an PV-Strom hoch ist und das Auto ohnehin steht.» 

Back-ups

Es gibt aber Zeiten, in denen kein Wind weht und keine Sonne scheint - die «Dunkelflauten». Auch in diesen Zeiten soll aber eine sichere Stromversorgung gewährleistet werden. Dazu ist ein «Technologiemix» geplant, auch um saisonale Schwankungen bei der Erzeugung erneuerbarer Energien ausgleichen. 

Zum einen geht es um «flexible Lasten» wie zum Beispiel Wärmepumpen oder Elektroautos, die ihren Strombedarf im gewissen Maß verschieben könnten, wie es im Papier heißt. Speicher sollen kurzfristige Schwankungen in der Wind- und PV-Erzeugung ausgleichen. Dazu kommen «steuerbare» Back-up-Kraftwerke - sie sollen einspringen, wenn Wind und PV sowie Kurzzeit-Speicher und flexible Lasten nicht ausreichen. 

Die Bundesregierung arbeitet seit längerem an einer Strategie zum Bau neuer Gaskraftwerke als Back-ups, denn für Betreiber müssen sich Investitionen lohnen. Für die neuen Gaskraftwerke, die später mit Wasserstoff betrieben werden sollen, ist eine staatliche Förderung geplant. 

Neuer Mechanismus

Bis zum Jahr 2028 soll eine neue Säule des Stromsystems eingeführt werden: ein «Kapazitätsmechanismus». In dem Papier legte das Ministerium dazu verschiedene, komplexe Modelle vor. Im Kern geht es darum, dass Anbieter dafür honoriert werden, dass sie sogenannte steuerbare Kraftwerkskapazitäten bereitstellen - auch wenn die Kraftwerke möglicherweise nur wenige Stunden im Jahr laufen. Geplant ist ein wettbewerblicher Ansatz unter anderem mit Pumpspeichern, Batteriespeicher, Bioenergieanlagen und Back-up-Kraftwerken. 

Ein Kapazitätsmechanismus soll den bisherigen Großhandelsmarkt ergänzen. Basis ist das «Merit-Order»-Prinzip. Dieses besagt im Kern: immer die kostengünstigsten Kraftwerke erzeugen Strom, um die Stromnachfrage zu decken.

Folgen auch für Stromverbraucher offen

Wie genau dieser Mechanismus aussehen soll, ist offen. Möglich ist ein «zentraler Kapazitätsmarkt», bei der eine zentrale Stelle den Bedarf an steuerbaren Kapazitäten festlegt und diesen durch Auktion ausschreibt. Bei diesem Mechanismus aber müssten Kosten im Wege einer Umlage auf die Verbraucher umgelegt werden, heißt es im Papier. 

Auch um eine Umlage zu verringern, favorisiert das Wirtschaftsministerium eine Kombination mit einem «dezentralen Kapazitätsmarkt». Bei diesem werde Versorgern die Verantwortung übertragen, ihre Stromlieferungen durch Kapazitäten abzusichern. Sie könnten zum Beispiel durch Anreizmodelle den Verbrauch ihrer Kunden in Spitzenlastzeiten mit wenig Wind- und PV-Strom verringern.

Mehr Flexibilität

Insgesamt nennt das Wirtschaftsministerium in dem Papier zum Umbau des Stromsystems vier Handlungsfelder. Dazu gehört auch eine Reform der Förderung der erneuerbaren Energien. Das geltende System, das im Kern eine Marktprämie zusätzlich zum erzielten Börsenpreis vorsieht, ist noch bis Ende 2026 europarechtlich genehmigt. Geplant ist nun unter anderem eine Umstellung auf eine Investitionskostenförderung. 

Außerdem soll es mehr Flexibilität bei der Stromnutzung geben. Dabei geht es auch um Anreize, damit Nutzer ihr E-Auto dann laden, wenn viel Wind - und Sonnenstrom produziert wird und die Strompreise günstig sind. Verbraucher könnten dafür auch niedrigeren Netzentgelten belohnt werden, wie aus dem Papier hervorgeht. 

Ökostrom besser nutzen

Ziel ist es laut Papier, «grünen» Strom lokal besser zu nutzen, anstatt Anlagen abzuregeln - das passiert bei drohenden Stromengpässen. Maßnahmen zur Verhinderung von Überlastungen des Stromnetzes verursachen hohe Kosten. Hintergrund: Der vor allem im Norden produzierte Windstrom muss in große Verbrauchszentren im Süden gelangen, dafür sind Tausende Kilometer neue Stromleitungen nötig. 

Voraussetzung für mehr Flexibilität im Stromsystem sind digitale Stromzähler, «Smart Meter». Ihr Einsatz soll beschleunigt werden. Für die Ausgestaltung der Netzentgelte ist die Bundesnetzagentur zuständig. 

 

© dpa ⁄ Andreas Hoenig, dpa
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