Berlins Innensenatorin Iris Spranger rechnet auch in Zukunft mit einem regen Demonstrationsgeschehen rund um den Krieg im Nahen Osten. «Aktuell müssen wir davon ausgehen, dass der Nahost-Konflikt weiterhin ein Schwerpunkt der Sicherheitsbehörden in Berlin bleiben wird», sagte die SPD-Politikerin nach einer Senatssitzung.
Polizei und andere Behörden seien weiter wachsam, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, die Sicherheit zu gewährleisten, Straftaten zu ahnden, gleichzeitig aber auch die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit zur Geltung zu bringen.
700 Nahost-Demos in Berlin
Seit dem Massaker der radikal-islamistischen Hamas in Israel am 7. Oktober 2023, das den Krieg im Gaza-Streifen und weitere israelische Militäreinsätze zur Folge hatte, wurden in Berlin in dem Kontext bisher rund 700 Versammlungen abgehalten. Fast 6.000 Straftaten bearbeitet das Landeskriminalamt nach Polizeiangaben inzwischen, die meisten im Zusammenhang mit propalästinensischen Demonstrationen.
Spranger sprach von einem «zunehmend aggressiven Versammlungsgeschehen» in Berlin. «Es ist deutlich zu erkennen, dass eine Vielzahl von Versammlungen dazu benutzt werden oder werden sollen, Straftaten zu begehen und Hetze und Gewalt zu verbreiten», sagte sie. «Ich möchte klar herausstellen: Hass, Hetze und Antisemitismus gehören nicht auf die Straßen von Berlin.»
Viel Arbeit für Polizei zum Jahrestag
Rund um den Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel, bei dem rund 1.200 Menschen starben und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gaza-Streifen verschleppt wurden, fanden in Berlin 16 Demonstrationen statt, die meisten im Gedenken an die Opfer. Bei mehreren Versammlungen aus Solidarität mit den Palästinensern kam es zu Ausschreitungen.
Wie die Polizei bilanzierte, wurden von Freitag bis Montag (4.-7. Oktober) 235 Demonstranten zeitweise festgenommen oder zumindest festgesetzt. Allein gut 130 Personen betraf das bei zwei Versammlungen in Kreuzberg und Neukölln am Montagabend. 14 Polizisten wurden verletzt, darunter drei am Montag.
Gewalt bei Demos in Kreuzberg und Neukölln
Allein an diesem Tag fertigten die Beamten mindestens 24 Strafanzeigen gegen Demonstranten. Das geschah laut Polizei unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, versuchter Gefangenbefreiung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Sachbeschädigung oder des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger oder terroristischer Organisationen.
Bei der Demonstration in Berlin-Kreuzberg am frühen Montagabend warfen Teilnehmer laut Polizei unter anderem Flaschen auf Polizisten, attackierten Medienvertreter und skandierten israelfeindliche Parolen. Auch die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg war bei der Veranstaltung dabei, die von der Polizei schließlich aufgelöst wurde.
Reifen brennen
Später am Abend bauten dann rund 50 Menschen in Neukölln Barrikaden und zündeten Reifen an, wie die Polizei mitteilte. Einsatzkräfte wurden an verschiedenen Stellen mit Pyrotechnik und Steinen beworfen, zudem berichtete die Polizei von pro-palästinensischen Sprechchören. Die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD im Abgeordnetenhaus verurteilten die Ausschreitungen in einer gemeinsamen Erklärung als antisemitisch und schockierend.