Sie sind von Beruf Biotechnologin, Beamter oder Krankenschwester. Sie eint ihr ehrenamtliches Engagement an einem nicht alltäglichem Ort - den Berliner Gefängnissen. Egal, ob verurteilter Dieb, Betrüger, Räuber oder Mörder - rund 200 Menschen kümmern sich nach Angaben der Senatsjustizverwaltung regelmäßig um inhaftierte Straftäter.
«Diese Menschen leisten einen wichtigen Beitrag zur Resozialisierung von Strafgefangenen», betont Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU). Mit einer Festveranstaltung im Roten Rathaus würdigte sie den Einsatz der Ehrenamtlichen. «Sie helfen den Inhaftierten, den Vollzug zu bewältigen, und ermutigen sie außerdem, die Zeit sinnvoll zu nutzen, um sich auf ein Leben in der Gesellschaft vorzubereiten und den Weg zurück in die Gemeinschaft zu finden.»
Verschiedene Möglichkeiten für Ehrenamt im Gefängnis
Mit ihrem Engagement seien die Ehrenamtlichen auch für die Beschäftigten im Vollzug eine wichtige Stütze, so die Senatorin. Zugleich sind sie für die Inhaftierten ein «essenzielles Bindeglied zur Gesellschaft».
Wer beispielsweise ehrenamtlich als Vollzugshelferin oder Vollzugshelfer tätig ist, hilft vor allem Gefangenen, die keinen Kontakt zu ihrer Familie haben oder keinen Besuch erhalten, heißt es von der Justizverwaltung. Dabei kann es um einen Briefwechsel gehen, um Besuche oder um Unterstützung bei Behördengängen. Denkbar ist auch Hilfe für jüngere Inhaftierte bei Hausaufgaben oder Bewerbungen. Erhält ein Häftling Lockerungen, sind gemeinsame Besuche von Museen denkbar.
«Immer ins Theater oder Museum zu gehen, ist mir zu langweilig»
Solche Besuche unternimmt beispielsweise Ulrike Funke mit einem Straftäter, der in Sicherungsverwahrung ist und nicht weiß, ob er jemals wieder entlassen wird. Durchschnittlich einmal die Woche fährt die 70-Jährige zur Justizvollzugsanstalt Tegel, um mit dem Mann ins Museum zu gehen, ihn zu einer Kunstgruppe zu begleiten - oder andere Dinge zu unternehmen. «Er ist sehr vielseitig interessiert», sagt Funke.
Die gelernte Krankenschwester ist seit sechs Jahren als Vollzugshelferin des Vereins Freie Hilfe Berlin tätig. «Als Rentnerin immer ins Theater oder Museum zu gehen, ist mir zu langweilig», sagt sie. Als Krankenschwester hat sie sich um traumatisierte Opfer gekümmert. «Es war für mich naheliegend, nach den Opfern zu den Tätern zu gehen.» Auf die Frage, warum sie das macht, sagt die 70-Jährige: «Ein Mensch ist mehr als seine Tat.» Durch den Kontakt zu den Häftlingen habe sie erfahren, dass auch diese häufig traumatisiert sein.
Derzeit befinden sich laut Senatsjustizverwaltung rund 3.550 Menschen (Stand: 16. Oktober) in den sieben Berliner Gefängnissen, davon verbüßen 107 eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Ehrenamtliche werden geschult vor Gang ins Gefängnis
Angelique Geray sieht in dem Ehrenamt eine Chance, «etwas zurückzugeben». Ihre Tätigkeit als Vollzugshelferin sei eine Bereicherung für sie selbst. «Sie entlastet meinen Kopf», sagt die TV-Reporterin auch mit Blick ihrem schnelllebigen Job. Die 31-Jährige ist seit einem Jahr für die Freie Hilfe unterwegs. Ihr Klient sitzt lebenslänglich wegen Mordes, wie sie sagt. «Ich will ihm das Gefühl geben, dass ich ihm wertfrei begegne», sagt Geray.
Wichtig sei dabei aber professionelle Distanz trotz eines freundschaftlichen Umgangs. Auf derartige Dinge werde man als ehrenamtlicher Vollzugshelfer bei einer mehrwöchigen Schulung vorbereitet, schildert Geray.
Nach dem Umzug gemeinnützige Tätigkeit gesucht
Bevor es zum ständigen Kontakt kommt, wird auch geprüft, wer zu wem passt, schildert René Raithel. Der 53-Jährige ist seit vergangenem April Vollzugshelfer und besucht in der Regel alle 14 Tage seinen Klienten in der Berliner Haftanstalt Heidering, die auf Brandenburger Gebiet liegt.
Der Beamte war nach seinem Umzug von Bonn nach Berlin auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich gemeinnützig einzubringen. Eher zufällig ist er auf ein Interview gestoßen mit einem verurteilten Mörder, der beschrieben hat, wie wichtig für ihn die Hilfe und der Kontakt zu einem Vollzugshelfer ist. «In dem Moment wusste ich, dass ich das machen will», schildert Raithel.
Biotechnologin bringt Kinder zur Mutter in Haft
Bei Antonia Klaas stehen die Kinder von inhaftierten Müttern im Mittelpunkt. «Sie werden am meisten bestraft und traumatisiert durch die Inhaftierung ihrer Mütter», meint die 24-Jährige. Klaas engagiert sich seit sechs Jahren bei dem Projekt KidMobil, einem ehrenamtlichen Begleitdienst. Dessen Ziel es ist, dass die Mutter-Kind-Beziehung bestehen bleibt.
Das nach eigenen Angaben einzigartige Projekt in Deutschland gehört zum Sozialdienst katholischer Frauen Berlin und dessen Beratungsstelle für straffällige und gefährdete Frauen (TAMAR). Es wurde 2006 ins Leben gerufen, wie eine Sprecherin erklärt.
Zehn bis zwölf Ehrenamtliche engagieren sich derzeit und begleiten die Kinder zu ihren Müttern in die Haftanstalten. Das gilt für Babys ebenso wie für Kinder bis zu 14 Jahren. Die Ehrenamtlichen sind nach den Angaben im Alter von 20 bis über 60 Jahre.
«Es ist immer wieder schön zu sehen, wie die Kinder damit umgehen und sich auf den Besuch vorbereiten», schildert Klaas. Als Ehrenamtliche sei man Bezugs- und Vertrauensperson für sie. Einmal wöchentlich macht sich die Biotechnologin auf den Weg, um ein Kind in seiner Einrichtung abzuholen und es zum Gefängnis zu bringen.
«Es ist schön, wenn die JVA auf Bedürfnisse der Kinder eingeht», sagt sie. Selbstverständlich ist das aber nicht. Manche Haftanstalten sind alt und dunkel, Autorität strahlen sie angesichts von Gittern und Stacheldraht alle aus. Und es gibt strenge Vorschriften: «Wenn es nicht zuvor beantragt wurde, darf ein selbstgemaltes Bild nicht mit rein.»