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Thüringer Pflanzenwelt schwindet lautlos

Experten sehen Thüringens Flora unter Druck. Anders als bei Tieren ist das öffentliche Interesse vergleichsweise gering - aber viele Freiwillige arbeiten gegen das schleichende Artensterben.
Naturschutzprojekt zum Erhalt lichtliebender Tiere und Pflanzen
Auch einige wilde Orchideen gehören zur Thüringer Pflanzenwelt - um die könnte es besser bestellt sein. (Archivbild) © Bodo Schackow/dpa

In Thüringen sind immer mehr Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. «Die hehren Ziele der Thüringer Biodiversitätsstrategie sind deutlich verfehlt worden», sagt Peter Rode, Vorsitzender des Arbeitskreises Thüringer Orchideen auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa. Zwar gebe es auch Erfolge zu verzeichnen. In Thüringen gehe das Artensterben in der Pflanzenwelt aber unvermindert und stellenweise sogar beschleunigt weiter - «und das buchstäblich vor unserer Haustür.»

Stilles Verschwinden

Nur eines von vielen Beispielen sei die Orchidee des Jahres 2024, die Große Händelwurz (Gymnadenia conopsea): Viele der zehn bis 25 Jahre alten Nachweise der Pflanze hätten bei einer umfangreichen Gelände-Untersuchung im Jahr 2024 nicht bestätigt werden können. «Ohne dass es jemand bemerkt, verschwinden still und heimlich Arten aus unserer Landschaft», so Rode. 37 der 52 Thüringer Orchideenarten stünden auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, bei manchen Arten müsse in den kommenden Jahren mit deren Aussterben gerechnet werden.

Dabei machten schöne oder auffällige Pflanzen wie Orchideen nur einen relativ kleinen Teil der gesamten pflanzlichen Artenvielfalt aus, weiß Nils Fröhlich vom Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN).

Dem Landesamt zufolge führte die «Rote Liste» Thüringen aus dem Jahr 2021 über 40 Prozent der Farn- und Blütenpflanzen als «gefährdet», «stark gefährdet», «vom Aussterben bedroht» oder bereits «ausgestorben» bzw. «verschollen». Bei den Moosen seien es rund 48 Prozent, bei Flechten 60. Bei den Süßwasser-Rotalgen seien rund 86 Prozent und bei den Armleuchteralgen sogar 89 Prozent betroffen.

Flächen für Bauten statt Natur

Über die Ursachen sind sich die Experten einig: Steigender Flächenverbrauch durch Bebauung, die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung und ein verstärkter Nährstoffeintrag durch Landwirtschaft und Atmosphäre gehörten zu den Faktoren, die zu schleichenden Veränderungen führten. 

Zudem hätten sich die vergangenen Dürresommer nach bisherigen Erkenntnissen auf Pflanzen in Feuchtbiotopen teils verheerend ausgewirkt. Der wichtigste Schlüssel zur Verbesserung der Zustände sei es, verschiedene Biotope wieder umfassend in einen besseren Zustand zu versetzen, zu erhalten und die Ursachen der Gefährdung für Pflanzen zu reduzieren, so die Experten. 

Auskömmliche Finanzierung nötig

«Eigentlich ist über Gefährdungen und Maßnahmen zum Erhalt von Biotopen so viel bekannt, dass es "nur noch" um die Umsetzung geht», so Rode. Dazu sei aber eine auskömmliche Finanzierung nötig, die trotz Fördermechanismen nicht immer gegeben sei - das gelte für die Unterstützung von Ehrenamtlichen genauso wie für Landwirte oder andere Berufsgruppen der Landschaftspflege. 

Fördermittel gibt es etwa über die Landschaftspflegeprogramme KULAP- und NALAP. Dem TLUBN zufolge erhielten 2022 im Bereich Biotopgrünland insgesamt 10.500 Einzelflächen mit einer Gesamtfläche von etwa 36.000 Hektar eine KULAP-Bewilligung. 2023 wurden demnach über das NALAP-Programm private Vereine und Verbände für die Pflege von rund 290 Hektar Mager- und Trockenstandorten gefördert.

Ehrenamtliche Biotop-Retter

Rode fordert auch, dass das Ehrenamt stärker anerkannt und unterstützt werden müsse: «Die Situation wäre noch viel dramatischer, gäbe es nicht so viele aktive und still arbeitende "Kümmerer", die sich ehrenamtlich um Biotope und die darin siedelnden Arten kümmern.» So sei es gelungen, durch anhaltende Pflegearbeiten den Bestand der Orchideenart Orchis palustris im Haßleber Ried von 12 im Jahr 2012 auf über 760 in diesem Jahr zu erhöhen. Viele Ortsgruppen leisteten kostenlos unermüdliche Arbeit.

Auch im Nabu Thüringen seien viele Ehrenamtliche in der Erhaltung von Biotopen engagiert, sagt ein Sprecher. Neben den genannten Maßnahmen könne der Ankauf von Flächen ein wirksamer Baustein beim Schutz sein. So hätten sich Ende vergangenen Jahres 70 Flächen mit etwa 1.300 Hektar in der Obhut des Naturschutzvereins befunden.

© dpa
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