Für Steve Brilleman gibt es keinen Zweifel. «Luxemburgs Reichtum ist durch Eisenerz entstanden und nicht durch die Banken», sagt er und lacht. Brilleman kümmert sich um ein kleines Juwel am neuen Minett-Trail durch den Süden Luxemburgs: das Museum der Mine Cockerill, das die einstige Drecks- und Knochenarbeit der Bergleute würdigt.
Von der Mine (frz. mine) kommt auch der Begriff Minette, der der gesamten Region Minett den Namen gab. Es ist eine Verniedlichung und bedeutet «kleine Zeche» oder auch «kleiner Erzgang». In der Mine Cockerill zählen zu den Museums-Exponaten Karbidlampen, Werkzeug, Notbeatmungsgeräte, Zündschnüre, Sprengkapseln. In der alten Trockenkammer hängen, hochgezogen an feinen Stahlseilen, Helme und Kleidungsstücke. Historische Schwarzweiß-Fotos zeigen Männer mit schmutzigen, ausgemergelten Gesichtern.
«Sie bekamen keinen Stundenlohn, sondern wurden nur nach dem Ertrag bezahlt», sagt der 43-jährige Brilleman, dessen Großväter beide in der Minenindustrie malochten. Nach einer jahrzehntelangen Geschichte, die Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen hatte, schloss Luxemburgs letzte Grube 1981.
Fortan eroberte sich die Natur das Terrain zurück. Dabei entstand eine solch außergewöhnliche Artenvielfalt, dass die Unesco die Region Minett 2020 zum Biosphärenreservat erhob. Dann kam Nora Peters ins Spiel.
Peters, tätig beim örtlichen Fremdenverkehrsverband, fragte sich: «Wie kann man ein Biosphärenreservat für Besucher erlebbar machen?» Ihre Idee: ein Wanderweg quer durch Südluxemburg, der bestehende Strecken in neues Licht setzt. Heraus kam der Minett-Trail, der auf 90 Kilometern Natur, Geschichte und Zeugnisse der Industriekultur verzahnt.
Öffentliche Verkehrsmittel: kostenlos
Obendrauf kommen einige Kilometer Stichwege zu Orten oder Bahnhöfen. Der Trail ist kein klassischer Rundwanderweg, sondern so konzipiert, dass man vielerorts mit Bus oder Bahn zurück zum Ausgangspunkt kommt oder woanders hinfahren kann. Erfreulich nebenbei: Die öffentlichen Verkehrsmittel in Luxemburg sind für alle Nutzer kostenlos.
Bei den Planungen lief die 32-jährige Peters ein Paar Wanderschuhe durch: Sie macht den Trail schmackhaft: «Er ist so interessant, weil es so viele abwechselnde Landschaften gibt. Mal ist man mitten im Wald, alles ist grün. Wir haben aber auch alte Tagebaugebiete, die kahl sind und an eine Marslandschaft erinnern.»
Ein Highlight ist die Etappe von Esch-sur-Alzette nach Tétange, knapp zwölf Kilometer. Auf den Stadtgarten und Escher Tierpark folgt das Naturschutzgebiet Ellergronn, eines von acht Naturarealen, die der Minett-Trail durchläuft. Der Weg windet sich in Schleifen durch den Forst. Bäume stecken in fetten Moosschuhen. Vogelgezwitscher ist der Begleitsound.
Loren im Außengelände stimmen auf das eingangs erwähnte Minenmuseum Cockerill ein. Weitere Zeugnisse von Menschenhand sind Türme der einstigen Seilbahn für den Erztransport. Über einem romantischen See – entstanden durch den Einsturz eines Stollens – steigt ein Graureiher auf.
Es geht unter Blätterdächern von Buchen hindurch, über Wurzelwerk, Steinplatten, abwärts, aufwärts. Luxemburg ist erstaunlich wellig, der Trail kein Spaziergang. Eine Mariengrotte liegt am Weg und das Nationaldenkmal der Minenarbeiter, das an die Opfer unter den Berg- und Grubenarbeitern erinnert. Tétange schließlich, einst ein Zentrum der luxemburgischen Stahlproduktion, empfängt mit Häusern in Zitronengelb, Rottönen, Himmelblau.
Farbsatte Kulissen prägen auch Lasauvage, ein Dorf auf der 16,5-Kilometer-Etappe von Pétange nach Differdange, ebenfalls alte Stahlorte. Der Name Lasauvage bedeutet «Die wilde Frau», die dem Volksaberglauben nach durch die einsamen Wälder geistert. Wer die Schauermärchen kennt, blickt sich unterwegs um, wenn ein Baumstamm knarrt. Sicher ist sicher.
Vom Industriestandort zum urbanen Zentrum
Der Minett-Trail überrascht allerorten. Im Nationalen Bergbaumuseum in Rumelange rumpelt der Grubenzug in die Unterwelt, wo man sich bei Temperaturen um zehn Grad warm anziehen muss und bei Führungen die Geschichte des Abbaus erklärt bekommt.
In Belval am westlichen Stadtsaum von Esch, wo die Stahlära 1997 endete, säumen Ungetüme den Weg: zwei Hochöfen. Zu einem führt ein Lift auf die Plattform hinauf. «Das Ganze ist die Verwandlung eines ungenutzten Stahlwerks in ein urbanes Viertel», beschreibt der pensionierte Architekt Jean Goedert das sogenannte Belval-Projekt.
«Wenn alles gut geht, sollen die Arbeiten in fünf Jahren abgeschlossen sein», so der 77-Jährige. Wandern auf dem Trail bedeutet hier, eine Szenerie rauer Ästhetik zu durchstreifen, aufgelockert durch Wassergärten, Cafés, Restaurants und die moderne Uni-Bibliothek.
Originell sind elf Unterkünfte am Trail, bekannt als «Kabaisercher», gestaltet von Architekten. Philippe Morgado, der die Quartiere managt, kann sich nicht für einen Favoriten entscheiden: «Das ist so, wie wenn du viele Kinder hast und gefragt wirst: Welches ist dein Lieblingskind?»
In Dudelange schläft man im «Floater»-Bungalow an einem Kühlbecken, bei Esch-sur-Alzette im «Pump it up» unter einer hemisphärischen Kuppel. Der Clou in Fond-de-Gras, einst Umladestation: ein Eisenbahnwaggon auf dem Abstellgleis, vorn mit Küche, hinten mit Sauna. Und in Tétange nächtigen zahlende Gäste im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Eisenhütte. Und sind auch ganz nah dran an der Geschichte, wenn es dunkel wird.
Links, Tipps, Praktisches:
Reiseziel: Das kleine Großherzogtum Luxemburg grenzt an Deutschland, Belgien und Frankreich. Die Fläche von 2.586 Quadratkilometern entspricht etwa der des Saarlands.
Reisezeit für den Minett-Trail: Je nach Witterung lässt es sich bis weit in den Oktober gut wandern, die Saison startet dann wieder im April.
Anreise: mit dem Auto ab Deutschland über Trier, Saarbrücken oder die Eifel. Mit dem Zug bis Esch-sur-Alzette.
Der Minett-Trail: Die Strecke ist offiziell in zehn Etappen unterteilt, um an öffentliche Verkehrsmittel und die originellen Unterkünfte anzubinden. Die Schwierigkeitsgrade sind leicht bis mittel; einzig die Abschnitte Rumelange-Dudelange (10,9 Kilometer) und von Esch-sur-Alzette nach Schifflange (8,8 Kilometer) gelten als anspruchsvoll.
Unterkunft: Die ungewöhnlichen «Kabaisercher» sind über die Website von Simpleviu reservier- und buchbar. Die Preise für die Quartiere sind Einheitspreise, die pro Nacht zwischen 100 und 210 Euro liegen; inklusive sind Küchenbenutzung, Bettwäsche und Handtücher. Ein Frühstücksservice kostet 20 Euro pro Person.
Aktivitäten: Die Besichtigung des Hochofens in Belval kostet 5 Euro, Führungen 10 Euro pro Person; der Eintritt ins Musée National des Mines Rumelange beträgt 12 Euro; das Museum der Mine Cockerill ist kostenlos zugänglich.
Weitere Auskünfte: minetttrail.lu, visitluxembourg.com, visitminett.lu