Hunderte Pariser Straßen sollen künftig für Autos gesperrt werden. Dafür sprach sich bei einer Bürgerbefragung in der französischen Hauptstadt am Wochenende eine klare Mehrheit aus. Jetzt gehe es um die Umsetzung, sagte die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. In Deutschland begrüßten etwa der Fußgängerverein Fuß e.V. und der Berliner Fahrradclub ADFC die Entscheidung. Der Automobilclub ADAC hingegen sprach von einer «eher problematischen» Lösung.
Konkret stimmten vier Prozent der knapp 1,4 Millionen eingetragenen Wählerinnen und Wähler dafür, 500 Straßen zu begrünen und für Autos dicht zu machen. In den kommenden Jahren könnten damit in Paris 10.000 Parkplätze wegfallen. Autofahrer müssten sich auf Umwege einstellen. Welche Straßen zur grünen Fußgängerzone werden, soll nun lokal geklärt werden. In jedem der 20 Stadtviertel dürften es etwa 25 sein. Die Umsetzung wird wohl drei bis vier Jahre dauern. Wobei das Vorhaben bisher nicht in trockenen Tüchern ist.
Kritisch sieht die Pläne der ADAC: Die geringe Bürgerbeteiligung werfe die Frage auf, wie aussagekräftig das Ergebnis der Abstimmung sei. Mit Blick auf eine «breite Akzeptanz» halte man die angestrebte Lösung für «eher problematisch». «Autofreies Wohnen ist bestenfalls für einzelne Wohnprojekte realisierbar, nicht aber auf Quartiersbasis oder gar auf Ebene ganzer Innenstädte», teilte der ADAC auch mit Blick auf Deutschland mit. Wohnortnahes Parken etwa müsse möglich bleiben, sonst gebe es Unmut.
Ganz anders die Einschätzung des Berliner Fahrradclubs. Man halte die Pläne für «mutig», sagte ADFC-Sprecher Karl Grünberg. Paris zeige, dass eine Großstadt nicht vom Autoverkehr beherrscht werden müsse. Auch Roland Stimpel, Vorstand des Fußgängervereins Fuß e.V. begrüßte das Vorhaben von Paris. Nur jeder Fünfte habe dort ein Auto: «Das heißt, 80 Prozent der Menschen können nur davon profitieren.» Berlin etwa stehe bei der Fußgängerfreundlichkeit im Vergleich zurück. «Leipzig ist viel fortschrittlicher, mittelgroße Städte wie Kiel und Aachen tun auch sehr viel für den Fußverkehr», sagte Stimpel.
Autos sollen aus Hannovers Innenstadt verschwinden
Tatsächlich arbeitet Leipzig bereits seit 1993 an einer «autoarmen Innenstadt». In der gesamten Innenstadt gilt Tempo 20, Autos dürfen nur auf markierten Flächen und zeitlich beschränkt geparkt werden. Pkw am liebsten komplett verbannen will Hannover in Niedersachsen. Nach den Plänen der Stadtverwaltung soll die Innenstadt bis 2030 weitgehend autofrei sein, Parkplätze sollen verschwinden und einzig Parkhäuser geöffnet bleiben.
Zumindest in den Sommermonaten können sich Münchner und Besucher auf verkehrsberuhigte und autofreie Straßen freuen: Auf einigen «Sommerstraßen» sei «Spielen, Flanieren und Entspannen» möglich, heißt es von der Stadt. Geplant sind Hochbeete, Grünstreifen und Sitzmöglichkeiten. Ein ganzes Viertel mehr auf Anwohner und Fußgänger ausrichten möchte Nürnberg: In Gostenhof sollen Autos für mehr Grün und Spielflächen zurückgedrängt werden - vorerst für ein Jahr. Vorbild sei das «Superblocks»-Projekt der spanischen Metropole Barcelona.
Und wie ist die Lage in Berlin, das vielen als besonders progressiv gilt? Auf der Friedrichstraße, die mehr als zwei Jahre nur Fußgängern und Fahrradfahrern zur Verfügung stand, rollt der Verkehr schon seit Juli 2023 wieder. Große Pläne gibt es aber im Graefekiez in Kreuzberg: Hier werden über 400 Parkplätze gestrichen und zu Grün- und Ladeflächen umgestaltet. Auch Anwohner können mitentscheiden, was mit dem freien Platz geschehen soll.
Paris will Stadt an den Klimawandel anpassen
In Paris hatte das Rathaus das Votum auch zu einer Wahl für oder gegen Lärmbelästigung und Verschmutzung erklärt. Zudem geht um die Anpassung an den Klimawandel. Die meisten Wege legen die Pariser zu Fuß zurück, das Auto nutzen sie auf innerstädtischen Strecken nur selten.
Seit 2002 ist der Autoverkehr in Paris um fast 50 Prozent gesunken. Dennoch nehmen Autos laut Stadtplanungsamt noch immer mehr als die Hälfte des öffentlichen Raums ein. Bereits jetzt sind etwa 220 der mehr als 6.000 Pariser Straßen autofrei.
In drei Stadtvierteln stimmten die Bewohner allerdings mehrheitlich gegen die Schaffung neuer autofreier Straßen. Die konservative Opposition warnte zudem, die Sperrungen könnten Händler und sogar den Rettungsdienst einschränken. Außerdem seien damit enorme Kosten verbunden.
In Deutschland so nicht möglich
Grundsätzlich wäre ein Vorgehen wie in Paris in Deutschland nicht denkbar. Denn hier können Straßen nicht per Bürgerabstimmung gesperrt werden, sondern über ein Verfahren zur Entwidmung, wie Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, schildert. Dabei würden die Interessen aller Straßennutzer berücksichtigt - etwa auch von Händlern.
Viele deutsche Städte bemühten sich aber längst um einen guten Verkehrsmix. Klar sei jedoch: «Wenn wir weniger Autoverkehr haben wollen, dann brauchen wir mehr öffentliche Verkehrsmittel, mit guter Taktung und guter Erreichbarkeit.» Hier hake es, denn die Finanzlage der Städte sei dramatisch. Sie bräuchten mehr finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern für den öffentlichen Nahverkehr.