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Wahlrechts-Urteil: SPD sieht keinen akuten Handlungsbedarf

Karlsruhe hat entschieden. Das neue Wahlrecht ist teils verfassungswidrig. Gibt es noch vor der Bundestagswahl 2025 eine Reform der Reform? Klar ist: Nach der Wahl will die CSU noch viel mehr ändern.
Bundestag
Bundesverfassungsgericht

Die SPD sieht keine Notwendigkeit, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sofort das Wahlrecht zu ändern. «Aktuell ist kein akuter gesetzgeberischer Handlungsbedarf nötig», sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Der nächste Bundestag sollte sich mit der Materie aber spätestens befassen, damit das Wahlrecht an der Stelle Sperrklausel für die Bundestagswahl 2029 angepasst werden kann.»

Wiese weist darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung dafür unterschiedliche Lösungswege aufgezeigt hat. Darunter falle eine Anpassung der sogenannten Grundmandatsklausel, die Modifizierung der Fünf-Prozent-Hürde oder eine Listenverbindung von CDU und CSU. «Gerade letzteres wäre ein rechtssicherer Weg», so der SPD-Politiker. 

Alte Grundmandatsklausel vorerst wieder in Kraft 

Das Bundesverfassungsgericht hat die Aufhebung der sogenannten Grundmandatsklausel im neuen Wahlrecht für verfassungswidrig erklärt. Diese von der Ampel abgeschaffte Regel sah im alten Wahlrecht vor, dass Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einziehen, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen. 

Diese Regelung hat das Gericht jetzt vorerst wieder in Kraft gesetzt, bis der Gesetzgeber eine Neuregelung verabschiedet hat. Ein weiteres Kernstück der Wahlrechtsreform, die Begrenzung des Bundestages auf 630 Abgeordnete und den Wegfall der sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate, haben die Karlsruher Richter dagegen bestätigt. 

Damit ist für die Zahl der Sitze im Parlament künftig allein das Zweitstimmenergebnis einer Partei entscheidend - auch dann, wenn sie mehr Direktmandate geholt hat. In dem Fall gehen die Wahlkreisgewinner mit den schlechtesten Erststimmenergebnissen leer aus. Dies stößt insbesondere in der CSU auf Kritik, die oft fast flächendeckend Direktmandate in Bayern gewonnen hat. 

CSU-Chef Markus Söder hat bereits angekündigt, dass eine unionsgeführte Bundesregierung die neue Zuteilungsregelung wieder korrigieren wolle: «Das ist für die CSU eine Koalitionsbedingung für eine nächste Bundesregierung», so der bayerische Ministerpräsident.

Esken warnt Söder 

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken wies die Forderung zurück: «Wenn Söder die nun erfolgreiche Reform der Ampel rückgängig machen will, nimmt er in Kauf, dass der Bundestag weiter auf über 800 Mandate anwächst», sagte Esken dem RND. Söder habe zur Reform des Wahlrechts in der Vergangenheit nichts Konstruktives beigetragen. Der letzte Reformversuch sei auch deshalb gescheitert, weil er ungerechtfertigte Vorteile für die CSU vorgesehen habe. 

Kritik an dem Urteil kam aber auch vom früheren Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. «Das Einzige, was der normale Wähler am deutschen Wahlsystem versteht, ist, dass er mit seiner Erststimme den Wahlkreisvertreter bestimmt. Und genau dieser einzige transparente Teil des Wahlsystems wird jetzt relativiert», sagte der CDU-Politiker dem RND. Der wirklich verblüffende Teil des Urteils sei aber für ihn, «wie stark das Bundesverfassungsgericht auf die Möglichkeit des Zustandekommens von Fraktionsgemeinschaften Rücksicht nimmt, in diesem Fall die Union». 

© dpa
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