Im Bundestag hat sich einzig die AfD gegen die von Ampel und Union vorgelegten Pläne ausgesprochen, mit denen die Unabhängigkeit und die Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts gesichert werden sollen. Kern des gemeinsamen Entwurfs von Koalition und CDU/CSU, über den am Donnerstag erstmals beraten wurde, ist die Verankerung von Regeln, die das Karlsruher Gericht betreffen, im Grundgesetz. Damit soll verhindert werden, dass diese Regeln, die sich aus Sicht aller Fraktionen bewährt haben, eines Tages mit einfacher Mehrheit geändert werden können.
Notwendig sei die geplante Reform, da inzwischen sichtbar werde, «dass die Parteien an den politischen Rändern stärker werden», sagte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU). In Polen und Ungarn habe sich gezeigt, wie Feinde der Demokratie eine Parlamentsmehrheit für die Einflussnahme auf das Verfassungsgericht missbrauchen könnten, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese.
Man handele hier vorausschauend, sagte der Grünen-Rechtspolitiker Till Steffen. Er betonte: «Wir Demokraten sind nicht doof.» Die Vorschläge für eine bessere Absicherung des Gerichts seien «ein guter Anfang», sagte Clara Bünger von der Gruppe Die Linke. Dass mehr Maßnahmen notwendig seien, um Angriffe von Demokratiefeinden abzuwehren, habe das Agieren der AfD bei der konstituierenden Sitzung im Thüringer Landtag gezeigt.
AfD hält Pläne von Ampel und Union für überflüssig
Die AfD stellte sich gegen das Vorhaben. Ihr Abgeordneter Fabian Jacobi zweifelte die Notwendigkeit an, die bewährten Regeln, die Struktur und Arbeitsweise des Karlsruher Gerichts betreffen, im Grundgesetz zu verankern. Er sagte, es seien derzeit «keine Bestrebungen, diese zu ändern», erkennbar. Sein Fraktionskollege Tobias Peterka warf Ampel und Union vor, Oppositionsrechte beschneiden zu wollen.
Heimliche Agenda?
«Wir sehen die Neigung autokratischer Regierungen, die Verfassungsgerichtsbarkeit zu schwächen», sagte Günter Krings, Rechtspolitiker der Union. Deshalb sei es richtig, zu prüfen, wie die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts besser im Grundgesetz abgesichert werden könne. Der CDU-Politiker betonte: «Jede politische Partei, die das ganz grundsätzlich ablehnt, muss sich die Frage gefallen lassen, ob sie denn eine heimliche Agenda der Schwächung des Gerichts verfolgt.»
Bisher sind Änderungen, die das Risiko einer Blockade oder politischen Instrumentalisierung des Karlsruher Gerichts bergen, theoretisch mit einer einfachen Mehrheit möglich. Für eine Änderung oder Ergänzung des Wortlautes des Grundgesetzes ist dagegen immer eine Zweidrittelmehrheit im Bundestages und im Bundesrat erforderlich. Da dies auch für die nun angestrebte Reform gilt, war die Ampel-Koalition gezwungen, die oppositionelle Union dafür ins Boot zu holen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lobte die konstruktiven Verhandlungen zwischen Ampel und CDU/CSU zu dem Projekt. Er sagte: «Das war Parlamentarismus in seiner besten Form.» Und: «Hier hat man einander zugehört.»
Arbeitsweise des Gerichts soll sich nicht ändern
SPD, Grüne, FDP und Union wollen die zwölfjährige Amtszeit der Richter und den Ausschluss einer Wiederwahl sowie die Altersgrenze der Richter von 68 Jahren in der Verfassung festschreiben. Im Grundgesetz verankert werden soll auch die Festlegung auf 16 Richter und zwei Senate. Damit die Arbeitsfähigkeit des Gerichts in jedem Fall nicht gefährdet ist, soll im Grundgesetz dann außerdem stehen, dass ein Richter seine Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers weiterführt.
Das Bundesverfassungsgericht wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes. Es bestimmt Zuständigkeiten und Grenzen für das Handeln des Staates. Besondere Bedeutung hat es für die Durchsetzung der Grundrechte.
Damit auch in Zukunft niemand an diesen Prinzipien rütteln oder Urteile ignorieren kann, wollen die Ampel-Fraktionen und die Union auch den Status des Gerichts sowie die Bindungswirkung seiner Entscheidungen ebenfalls auf die Ebene der Verfassung heben. Das Gleiche gilt für die Geschäftsordnungsautonomie, also den Grundsatz, dass das Bundesverfassungsgericht seine inneren Angelegenheiten selbst regeln darf. Dazu gehört auch, welche Fälle zuerst bearbeitet werden.
Eine Öffnungsklausel im Grundgesetz soll überdies dafür sorgen, dass bei der Wahl neuer Richter das jeweils andere Wahlorgan einspringen kann, wenn es im Bundestag oder im Bundesrat über einen längeren Zeitraum keine Zweidrittelmehrheit für einen Kandidaten geben sollte. An dem Grundsatz, dass die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts jeweils zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt werden, soll aber festgehalten werden.