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Russische Sabotage - Zufall verhinderte Flugzeugabsturz

Im Bundestag berichten die Chefs der Nachrichtendienste von Aktivitäten russischer Geheimdienste und rufen zur Wachsamkeit auf. Ein gefährlicher Sabotagefall war demnach der Sprengsatz in einem Paket.
Öffentliche Sitzung Parlamentarisches Kontrollgremium
Öffentliche Sitzung Parlamentarisches Kontrollgremium
Ukraine-Konferenz - Mecklenburg-Vorpommern
Öffentliche Sitzung Parlamentarisches Kontrollgremium
Frachtdrehkreuz Flughafen Leipzig / Halle

Bei dem mutmaßlich von Russland initiierten Brand eines Luftfrachtpakets ist Deutschland im Juli nach Einschätzung des Verfassungsschutzes nur knapp an einem Flugzeugabsturz vorbeigeschrammt. Es sei nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass das Paket damals noch am Boden im DHL-Logistikzentrum Leipzig und nicht während des Fluges in Brand geraten sei, sagte Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang bei einer öffentlichen Befragung der deutschen Geheimdienste im Bundestag. Sonst wäre es zu einem Absturz gekommen. In Sicherheitskreisen wird davon ausgegangen, dass der Vorfall im Zusammenhang mit russischer Sabotage steht.

Nach dpa-Informationen bestand der glückliche Zufall darin, dass der Weiterflug des aus dem Baltikum stammenden Frachtpakets sich in Leipzig verzögerte. Das Paket hatte einen Brandsatz enthalten, der dort zündete und einen Frachtcontainer in Brand setzte.

Das Spitzenpersonal der Geheimdienste warnte bei der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Bundestags die Bevölkerung vor Naivität. Putin habe Deutschland längst zum Feind erklärt, betonten die Präsidenten der drei Nachrichtendienste. Ein Absturz des Flugzeugs über bewohntem Gebiet hätte nach Haldenwangs Worten womöglich auch Menschen getroffen, die «mit (Russlands Präsident Wladimir) Putin und seinen Zielen sympathisieren».

Haldenwang warnte die Bürgerinnen und Bürger vor Naivität. Er sagte: «Wir beobachten ein aggressives Agieren der russischen Nachrichtendienste.» Besonders Spionage und Sabotage durch russische Akteure hätten in Deutschland zugenommen - und zwar «sowohl quantitativ als auch qualitativ». Deutschland befinde sich in einer Phase des «Nicht-mehr-Friedens», sagte der SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann nach der Sitzung.

BND-Chef: Russland spätestens 2030 fähig zu Angriff auf den Westen 

Der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, erklärte: «Der Kreml sieht den Westen und damit auch Deutschland als Gegner.» Russland werde spätestens ab Ende des Jahrzehnts personell und materiell zu einem Angriff auf den Westen in der Lage sein. «Putin wird rote Linien des Westens austesten», sagte der BND-Chef. Daher seien Geschlossenheit und Verteidigungsfähigkeit wichtig. Es sei zu erwarten, dass Moskau vor einer offenen militärischen Auseinandersetzung noch versuchen werde, die Nato zu spalten.

Die Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Martina Rosenberg, berichtete von besorgniserregenden Ausspähversuchen fremder Nachrichtendienste gegen die Bundeswehr: «Sei es, um deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine, Ausbildungsvorhaben oder Rüstungsprojekte aufzuklären oder um durch Sabotagehandlungen das Gefühl der Unsicherheit zu vermitteln.» 

Der MAD brauche mehr Befugnisse, auch um die Stationierung der gefechtsbereiten deutsche Brigade in Litauen effektiv zu begleiten, verlangte Rosenberg. Schließlich müsse der Dienst auch in der Lage sein, die Familien der Bundeswehr-Angehörigen während ihres Aufenthalts in dem Nato-Staat zu schützen.

BND-Chef wünscht sich mehr «Beinfreiheit» für Auslandsnachrichtendienst

Kahl sagte, er mache sich ernsthafte Sorgen angesichts der starken Einschränkung der Befugnisse der deutschen Nachrichtendienste. Der BND brauche «deutlich mehr operative Beinfreiheit», um seinen Auftrag effektiv erfüllen zu können. Positiv hob er die infolge des Falls von Carsten L. erweiterten Befugnisse bei der Eigensicherung hervor. 

Die Bundesanwaltschaft wirft dem BND-Mitarbeiter und einem Geschäftsmann Landesverrat in besonders schwerem Fall vor. Sie sollen 2022 geheime Dokumente und Informationen aus dem deutschen Auslandsnachrichtendienst an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB gegeben haben. Dafür sollen sie laut Anklage Geld erhalten haben. 

Der Gesetzgeber habe seither geholfen, eine «Lücke in der Eigensicherung zu schließen», sagte Kahl. Dazu zählten ein besserer Schutz von Verschlusssachen, sowie etwa auch die Möglichkeit Taschen, Diensträume und Fahrzeuge von Mitarbeitern zu kontrollieren. Dass der BND wichtige Partner im Ausland sehr transparent über den Fall informiert habe, sei wichtig gewesen, um dort kein Vertrauen zu verspielen. 

Das Bundestagsgremium, das die Arbeit der drei Dienste kontrollieren soll, tagt normalerweise hinter verschlossenen Türen. Der Inhalt seiner Sitzungen ist grundsätzlich geheim. Lediglich einmal pro Jahr stellen sich die Amtsleitungen öffentlich den Fragen der Abgeordneten.

Druck auf ausländische Oppositionelle in Deutschland

Nicht nur russische Dissidenten fühlten sich in Deutschland unter Druck, sagte Haldenwang. Das gelte auch für Oppositionelle und Menschen, die von den Geheimdiensten Chinas, der Türkei oder des Iran als vermeintliche Gegner identifiziert würden, betonte Kahl. Im Falle Russlands und Chinas reiche es schon, «sich abweichende Meinungen zu leisten und damit aufzufallen». Die Islamischen Revolutionsgarden des Iran nutzten teilweise auch Menschen, die der Organisierten Kriminalität zugerechnet werden, um in Deutschland jüdische Menschen, Israelis oder iranische Regimegegner auszuspähen.

Hohe islamistische Bedrohung

Der Rechtsextremismus sei zwar aktuell die größte Bedrohung für die deutsche Demokratie, sagte Haldenwang. Die größte Gefahr für die Innere Sicherheit gehe aber derzeit vom islamistischen Terrorismus aus. Für die Radikalisierung jugendlicher Einzeltäter hierzulande sei vor allem die Propaganda der Gruppierung Islamischer Staat Provinz Khorasan relevant - in erster Linie bei Tiktok und Telegram. Der Krieg in Nahost wirke sich hier wie ein «Brandbeschleuniger» aus. Der Verfassungsschutz habe zuletzt in zahlreichen Fällen die Voraussetzungen geschaffen, dass mutmaßliche Terroristen frühzeitig aus dem Verkehr gezogen worden seien - und dadurch mögliche Anschläge verhindert. «Das kann man an einer Hand jedenfalls nicht aufzählen», fügte er hinzu.

© dpa ⁄ Anne-Beatrice Clasmann, dpa
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