Zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes werben die Regierungschefs aller 16 Bundesländer und zahlreiche Prominente für eine Stärkung der unter Druck geratenen Demokratie in Deutschland. In einem gemeinsamen Aufruf machen sie sich für einen «Sommer der Demokratie» stark.
«Jetzt ist die Zeit, in der alle Demokratinnen und Demokraten ein unübersehbares und nachhaltiges Zeichen setzen können: Die Gegner der Demokratie von innen und von außen haben hier keine Chance», heißt es darin. Zuerst hatten die Zeitungen der Funke Mediengruppe über den Aufruf berichtet.
Viele prominente Unterstützer
Zu den Erstunterzeichnern gehören neben den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auch viele Prominente wie die Schauspielerinnen Iris Berben und Gudrun Landgrebe, die Band The BossHoss, die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs und der Bischofskonferenzvorsitzende Georg Bätzing, Telekom-Vorstandschef Timotheus Höttges oder Fußballtrainer Stefan Kuntz. Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, und der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, haben unterschrieben.
Die demokratische Gesellschaft in Deutschland sei in Bewegung, heißt es in dem Aufruf weiter. Es werde demonstriert, diskutiert und debattiert. «Das ist eine große Chance. Daraus kann Gutes laut und sichtbar werden. Ein optimistisches Deutschland. Ein Land, in dem sich mehr Menschen mit Respekt und Offenheit begegnen. Ein Land, in dem wir Unterschiede nicht einfach aushalten, sondern aus ihnen Anstöße und Kraft schöpfen.» Dies alles sei nicht nur möglich, es sei dringend nötig.
Die amtierende Bundesratspräsidentin, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), erklärte zu dem Aufruf: «Es ist ein großes Glück, dass wir heute in einem vereinten Deutschland in Frieden, Freiheit und Demokratie leben. Das zu bewahren, ist die wichtigste Aufgabe, die wir gemeinsam haben.» Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) rief dazu auf, sich an 365 Tagen im Jahr für die Demokratie starkzumachen: «Die Feinde der Demokratie müssen wissen, dass sie in der Minderheit sind. Heute mehr denn je.»
75 Jahre Grundgesetz
An diesem Donnerstag jährt sich die Verkündung des Grundgesetzes zum 75. Mal. Es war zunächst die Verfassung für die Bundesrepublik und wurde mit der Wiedervereinigung 1990 die Verfassung für ganz Deutschland. Der Jahrestag wird in Berlin mit einem Staatsakt gefeiert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird dabei die zentrale Rede halten.
Die Bundesregierung lädt Bürgerinnen und Bürger von Freitag bis Sonntag zu einem großen Demokratiefest rund ums Kanzleramt und den Bundestag in Berlin. Dazu gibt es im Zentrum des Regierungsviertels unter anderem Talkrunden mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Mitgliedern seines Kabinetts, Infostände, Spiele, Konzerte, Schauspiel, Tanz, Sport und die Möglichkeit der Begegnung mit Prominenten. Am Sonntag werden der Bundespräsident und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron das Fest besuchen. Das wird der Auftakt von Macrons Staatsbesuch in Deutschland sein.
Anti-Extremismus-Strategie
Auch das Bundeskabinett befasste sich am Mittwoch mit der Verteidigung der Demokratie. Es verabschiedete ein mehr als 50 Seiten starkes Papier mit dem Titel «Gemeinsam für Demokratie und gegen Extremismus». Ziel ist es, mehr dafür tun, dass politische Bildungsangebote auch genutzt werden. Sogenannte aufsuchende Angebote sollten ausgebaut werden, heißt es in der neuen Anti-Extremismus-Strategie. «Politische Bildung muss sich dabei verstärkt auch an Zielgruppen orientieren, die bislang nicht ausreichend erreicht werden.» Dazu gehörten etwa Menschen mit (familiärer) Einwanderungsgeschichte. Es gelte aber auch, in der Gesamtbevölkerung für demokratische Einstellungen und Handlungen zu werben.
Außenministerin Annalena Baerbock rief zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes zum Zusammenhalt der Gesellschaft gegen völkischen Hass und Hetze auf. Sie forderte in einem Video, der «Polarisierung und dem neuen Völkischen entgegenzutreten und stattdessen die Menschlichkeit zu sehen. Weil Menschlichkeit unteilbar ist.»