Der Bundestag hat eine umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes beschlossen. Diese kam vor allem auf Verlangen der FDP zustande. Im Kern geht es darum: einzelne Ministerien wie das Verkehrsressort müssen keine Sofortprogramme mehr vorlegen, wenn rückwirkend betrachtet gesetzliche Vorgaben zum CO2-Ausstoß verfehlt wurden. Künftig soll die Bundesregierung als Ganzes gegensteuern - falls es in Zukunft absehbare Schwierigkeiten gibt, um Klimaziele zu erreichen. Kritiker bemängeln, die Reform sei eine Aufweichung. Das Gesetz muss noch den Bundesrat passieren.
Neuer Mechanismus
Ein gegen die Verabschiedung gerichteter Antrag des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann war am Vorabend am Bundesverfassungsgericht gescheitert. Heilmann hatte den Schritt mit einer «extrem verkürzten Beratungszeit» und zudem mit einer befürchteten Schwächung des Klimaschutzes begründet.
Im Gesetz sind verbindliche Klimaziele enthalten. Bis 2030 muss Deutschland seinen Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Bis 2040 sollen die Treibhausgase um 88 Prozent sinken und bis 2045 soll Treibhausgasneutralität erreicht werden - dann dürften also nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden als auch wieder gebunden werden können.
Bisher gilt: Wenn einzelne Sektoren wie der Verkehrs- oder Gebäudebereich die Vorgaben zum Kohlendioxid-Ausstoß verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien im nachfolgenden Jahr Sofortprogramme vorlegen.
Im vergangenen Jahr verfehlten der Verkehrs- sowie der Gebäudebereich die Vorgaben. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte mit drastischen Maßnahmen bis hin zu Fahrverboten am Wochenende gedroht, sollte der Bundestag die Reform des Klimaschutzgesetzes nicht bis Sommer beschließen - dann hätte Wissing ein Sofortprogramm vorlegen müssen, damit der Verkehrssektor Klimaziele einhält.
Mit der Reform soll die Einhaltung der Klimaziele nun nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden - sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Entscheidend ist, dass Klimaziele insgesamt erreicht werden. Falls zum Beispiel im Verkehr zu viel CO2 ausgestoßen wird, kann dies durch eine höhere Einsparung zum Beispiel bei der Stromerzeugung ausgeglichen werden. Wenn sich in zwei aufeinander folgenden Jahren abzeichnet, dass die Bundesregierung bei ihrem Klimaziel für das Jahr 2030 nicht auf Kurs ist, muss sie nachsteuern. Die Grünen betonten, das neue Klimaschutzgesetz binde die Bundesregierung erstmals, konkrete Klimaschutzmaßnahmen auch für die Zeit von 2030 bis 2040 aufzustellen.
Ampel-Koalition: Kein Gramm CO2 wird mehr ausgestoßen
FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner schrieb auf der Plattform X (vormals Twitter), der planwirtschaftliche Ansatz des alten Klimaschutzgesetzes sei Geschichte. Mit einer langfristigen, übergreifenden Zielperspektive würden «harte Freiheitseinschränkungen» verhindert. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte, dem Klima sei es vollkommen egal, ob Emissionen im Energie-, Industrie- oder Verkehrssektor eingespart werden.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sagte: «Das Klimaschutzgesetz schaut in Zukunft nach vorne.» Die Emissionsziele blieben. «Kein Gramm CO2 darf in Zukunft mehr emittiert werden.» Dröge räumte aber ein, die Grünen hätten sich eine noch klarere Verantwortung der einzelnen Sektoren gewünscht. Bei den Grünen gab es Abweichler: so erklärte der Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar, er habe gegen das Gesetz gestimmt. Die Änderung setze ein falsches Zeichen gegenüber dem Verkehrsministerium und auch für den gesamten Verkehrssektor.
Breite Kritik an Reform
Vor allem Umweltverbände kritisieren seit langem eine Aufweichung des Gesetzes. Vor allem der Verkehrssektor werde aus der Pflicht entlassen, dass es wirksame Maßnahmen für mehr Klimaschutz gibt.
Der CDU-Energiepolitiker Andreas Jung sprach von einer Entkernung des Klimaschutzgesetzes und einem Rückschritt für den Klimaschutz. Die Ampel stelle sich einen Freibrief aus. Die CSU-Abgeordnete Anja Weisgerber sprach von einem «schwarzen Tag» für den Klimaschutz. Sie verwies darauf, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Bundesregierung verurteilt habe, Sofortprogramme für mehr Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden aufzulegen. Dieser Pflicht entledige sich die Koalition. Die Bundesregierung hat gegen das Urteil Revision eingelegt.
Der Linke-Politiker Bernd Riexinger sagte, die Bundesregierung nehme europäische Strafzahlungen in Kauf, denn eine EU-Verordnung zur Lastenverteilung verlange weiterhin die Einhaltung von Sektorzielen. Bei diesen Strafzahlungen könnte es sich um Milliardensummen handeln. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte mit Blick auf die EU-Verordnung, deswegen müssten vor allem der Verkehrs- und Gebäudebereich nach wie vor Minderungsziele erreichen.