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Südafrika: Erstmals Koalition nach ANC-Wahldebakel

Südafrika steht eine Zeitenwende bevor. Genau 30 Jahre regierte die einstige Partei Nelson Mandelas allein. Jetzt verliert sie die absolute Mehrheit - und zwar haushoch.
Parlamentswahl in Südafrika
Medienvertreter verfolgen die neuesten Wahlergebnisse im Results Operation Centre (ROC) im südafrikanischen Midrand. © Themba Hadebe/AP/dpa

Es steht so gut wie fest: Südafrikas Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) hat bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit verloren. Für die Partei des einstigen Anti-Apartheid-Kämpfers Nelson Mandela bedeutet das mehr als ein massives Wahldebakel. Zum ersten Mal in der 30-jährigen demokratischen Geschichte des Landes wird der ANC nicht mehr allein regieren. Erstmals muss er eine Koalition bilden. Die große Frage ist: mit wem?

Mit knapp 98 Prozent der ausgezählten Stimmen liegt der ANC der Nationalen Wahlbehörde (IEC) zufolge bei 40,11 Prozent. Das bedeutet einen dramatischen Machtverlust von rund 17 Prozentpunkten für die Regierungspartei, die bei den Parlamentswahlen 2019 noch 57,5 Prozent der Stimmen erhielt.

Noch nie war die politische Dominanz des ANC seit Ende der rassistischen Apartheid-Ära 1994 infrage gestellt worden. Noch nie musste die ehemalige Befreiungsbewegung politische Kompromisse schließen. Die Zeit für die jetzt nötige Koalitionsbildung ist knapp berechnet: Innerhalb von 14 Tagen nach der offiziellen Verkündung des Wahlergebnisses durch die IEC müssen die 400 neugewählten Parlamentarier eine Regierung bilden und einen Präsidenten wählen.

Als Koalitionspartner kommen politischen Kommentatoren zufolge hauptsächlich zwei Parteien infrage: Zum einen die wirtschaftsliberale Demokratische Allianz (DA), die den vorläufigen Teilergebnissen zufolge bei 21,71 Prozent steht. Die DA ist ideologisch zwar weit vom ANC entfernt, hat sich jedoch bereits auf Provinzebene bewiesen: Sie regiert seit 2009 die Westkap Provinz, in der sich die Touristenmetropole Kapstadt befindet.

Aleix Montana, politischer Analyst der Risikoberatungsfirma Verisk Maplecroft, glaubt, eine Koalition zwischen ANC und DA sei trotz unterschiedlicher Ideologien wahrscheinlich. Ein solches Bündnis würde von westlichen Partnern und ausländischen Investoren begrüßt werden, meinte Montana.

Deutsche Unternehmen zwischen Hoffnung und Sorge

Deutsche Unternehmen mit Interesse am südafrikanischen Markt schwankten zwischen Hoffnung und Sorge, sagte Christoph Kannengießer, Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins. «Ein Verlust der ANC-Mehrheit kann Chancen, aber auch Risiken für deutsche Unternehmen bedeuten», so Kannengießer, je nachdem für welchen Koalitionspartner sich der ANC entscheide.

Denn die andere wahrscheinliche Option für eine Koalition ist Analysten zufolge ein Zusammenschluss des ANC mit der marxistisch geprägten Partei Economic Freedom Fighters (EFF), die für entschädigungslose Enteignungen im großen Stil und Verstaatlichungen eintritt und laut der vorläufigen Teilergebnisse bei 9,37 Prozent liegt. Da die EFF vom ehemaligen Vorsitzenden des ANC Jugendverbands, Julius Malema, geführt wird, stehen sich ANC und EFF politisch relativ nahe.

Eine solche Koalition werde Investoren verschrecken - kein gutes Zeichen für Südafrikas stagnierende Wirtschaft und Massenarbeitslosigkeit, warnte Analyst Montana. Außerdem hätten sich vorherige Koalitionen zwischen dem ANC und der EFF auf Kommunalebene als instabil erwiesen. Auch Andreas Freytag, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Jena und Honorarprofessor an der südafrikanischen Universität Stellenbosch, bezeichnet eine mögliche ANC-EFF-Koalition als «Gift für die dringend notwendige wirtschaftliche Entwicklung des Landes».

Eng verbunden mit Russland und China

Die Entscheidung ist auch für Deutschland und Europa relevant. Südafrika ist trotz seiner strauchelnden Wirtschaft die stärkste Volkswirtschaft des Kontinents. Es gilt politisch sowie wirtschaftlich als «Tor zu Afrika», als Zugangsland zu einem Kontinent, der aufgrund seiner für die Energiewende benötigten Rohstoffvorkommen international immer wichtiger wird. Südafrika ist zudem das einzige afrikanische Mitglied der Gruppe der großen Wirtschaftsnationen (G20). Obwohl Südafrika gute Beziehungen zu westlichen Ländern unterhält, ist die Regierung eng mit Russland und China verbunden.

Zum Gaza-Krieg vertritt Südafrika eine starke propalästinensische Position. Es klagt vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Israel und erhebt den Vorwurf des Völkermords im Gazastreifen.

Der ANC hat seinen historischen Machtverlust seiner schwachen Regierungsbilanz zuzuschreiben. Die 61 Millionen Einwohner des Landes am Südzipfel Afrikas haben viel zu beklagen: marode Staatsunternehmen, regelmäßige Stromabschaltungen, schlechte Bildungs- und Gesundheitssysteme, hohe Kriminalität und tiefgreifende Korruption. Der massive Stimmenverlust des ANC sei Analysten zufolge aber auch auf die Neugründung der erst vor sechs Monaten von Ex-Präsident Jacob Zuma gegründeten Partei uMkhonto we Sizwe (MK) zurückzuführen, die 14,8 Prozent der Stimmen erhielt. Aufgrund interner Streitigkeiten gilt eine Koalition mit der MK aber als kaum denkbar.

Wird Ramaphosa bleiben?

Der ANC schweigt derzeit noch. Die stellvertretende ANC-Generalsekretärin, Momvula Mikonyane, hatte gestern lediglich in einer kurzen Presseunterrichtung versichert, Präsident Cyril Ramaphosa werde nicht zurücktreten. Ob Ramaphosa jedoch vom Parlament für eine zweite fünfjährige Amtszeit als Staatsoberhaupt wiedergewählt wird, ist jetzt unklar. Der 71-Jährige galt einst als Hoffnungsträger für die Regenbogennation. Er hatte 2018 Zuma entmachtet, der den Staat über viele Jahre systematisch ausgebeutet hatte. Heute wird Ramaphosa aber vorgehalten, er sei während seiner sechsjährigen Amtszeit aufgrund innerparteilicher Machtspiele weitgehend handlungsunfähig gewesen.

Der Vorsitzende der DA, John Steenhuisen, bezeichnete das Ergebnis der Parlamentswahl als «Gewinn für Südafrikas Demokratie», auch wenn die Regierungsbildung noch offen ist. «Um Südafrika zu retten, musste die absolute Mehrheit des ANC gebrochen werden, und das haben wir erreicht», sagte Steenhuisen.

© dpa ⁄ Kristin Palitza, dpa
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