Nach dem umstrittenen Verbot eines moskautreuen Ablegers der orthodoxen Kirche hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj das Parlament für diese Entscheidung ausdrücklich gelobt. «Ich möchte heute die Arbeit der Werchowna Rada hervorheben, die das Gesetz für unsere geistliche Unabhängigkeit verabschiedet hat», sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft - diesmal aus der zentralukrainischen Industriestadt Kropywnytzkyj. Lob bekam zudem das eigene Militär - vor allem für den Vormarsch im westrussischen Gebiet Kursk. Dagegen bleibt die Lage an den Frontabschnitten in der Ukraine selbst schwierig für Kiew, wie Selenskyj einräumte.
Das ukrainische Parlament hatte zuvor nach langen Beratungen entschieden, die jahrzehntelang dem Moskauer Patriarchat unterstehende ukrainisch-orthodoxe Kirche zu verbieten. Begründet wurde das Verbot mit der Unterstützung des Moskauer Patriarchats für den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dem Ableger dieser Kirche in der Ukraine wird vorgeworfen, die Verbrechen gegen das eigene Volk zu rechtfertigen oder sogar mit dem Feind zu paktieren. Allerdings hat sich die Kirche offiziell von Moskau losgesagt, Vertreter dementieren eine Zusammenarbeit mit dem Kriegsgegner. Das Gesetz ist umstritten - nicht nur in der Ukraine, sondern auch im Ausland.
Selenskyj kündigte ein baldiges Gespräch mit Vertretern des Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I., an. Bartholomäus gilt als Ehren-Oberhaupt der orthodoxen Christen. Im Streit mit Moskau hatte der Patriarch vor sechs Jahren der Orthodoxen Kirche der Ukraine die kirchliche Eigenständigkeit (Autokephalie) gewährt. Kiew setzt nun auf seine weitere Unterstützung.
Daneben kam Selenskyj auch auf den Kriegsverlauf zu sprechen. Die Lage im Osten der Ukraine speziell im Raum um die Städte Pokrowsk und Torezk sei schwierig, bekannte der Präsident. «Die Verteidiger tun alles, um die Okkupanten zu vernichten», sagte er, ging aber nicht näher darauf ein. Stattdessen hob er die Fortschritte im Gebiet Kursk hervor, wo die ukrainische Armee weiter Geländegewinne erziele. Die Ukraine erreiche ihre Ziele, Priorität habe die Gefangennahme russischer Soldaten, um sie später gegen ukrainische Gefangene auszutauschen, betonte Selenskyj.
In der russischen Grenzregion Kursk läuft seit zwei Wochen eine ukrainische Gegenoffensive. Dabei wurden nach Angaben des ukrainischen Oberbefehlshabers Olexander Syrskyj inzwischen mehr als 1260 Quadratkilometer und 93 Ortschaften eingenommen. Militärbeobachter sehen für russische Truppen südlich des Flusses Sejm die Gefahr einer Einkesselung, nachdem dort drei wichtige Brücken gesprengt wurden.
Redaktionshinweis: In einer früheren Version wurde der Professorentitel der Theologin Regina Elsner korrigiert. Sie ist Professorin für Ostkirchenkunde.