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Selenskyj in London: Warmer Empfang für den Angegriffenen

Nach der Ankunft in London ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu Gast bei Freunden. Der Kontrast zu den Stunden zuvor in Washington könnte kaum größer sein.
Selenskyj zu Gast in London
Selenskyj zu Gast in London
Ukrainischer Präsident Selenskyj in den USA
Selenskyj in London - Empfang bei König Charles III.

Wolodymyr Selenskyj saß in einem weißen, gemütlichen Sessel vor dem Kamin und lächelte. «Vielen, vielen Dank, Keir», sagte der ukrainische Präsident zum britischen Premierminister Keir Starmer, und es wirkte so, als wolle er seinen Gastgeber wie schon bei der Ankunft in der 10 Downing Street nochmals umarmen. Keine 24 Stunden nach dem beispiellosen Zerwürfnis mit US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus war Selenskyj plötzlich wieder zu Gast bei Freunden.

Der Kontrast, den der Ukrainer erlebte, hätte kaum größer sein können. Am Sonntagabend wurde Selenskyj zur Krönung der Herzlichkeiten vom britischen König Charles III. empfangen. Fotos zeigen beide lächelnd nebeneinander auf dem Landsitz Sandringham.

Zuvor hatte der ukrainische Präsident von den westlichen Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfeltreffen in London große Unterstützung zugesichert bekommen. Aus Großbritannien fließen weitere Milliardenhilfen an das kriegsgebeutelte Land. Am Freitag war Selenskyj dagegen von Trump mit Vorwürfen überzogen worden. Einer lautete, er riskiere einen Dritten Weltkrieg.

Die Frage nach dem Anzug 

Bei der Begrüßung mit Starmer in London am Samstag vor der berühmten schwarzen Tür im Herzen Londons waren für die Ukraine jubelnde Menschen zu hören. Wieder trug Selenskyj seinen dunklen Pullover. Er blieb bei jenem Stil, mit dem er seit dem russischen Angriff vor drei Jahren um die Welt reist und um Unterstützung bittet. 

Von Trump war er am Freitag vor der Tür des Weißen Hauses mit den Worten empfangen worden: «You're all dressed up today.» Selenskyj habe sich ganz schön herausgeputzt. Das war kein Kompliment. Selenskyjs Kanzleichef Andrij Jermak trat für Trump seit langem erstmals wieder im Anzug auf.

Die Frage eines Trump verbundenen Reporters anschließend im Oval Office, ob Selenskyj denn keinen Anzug habe, ging am Wochenende in kurzen Internetclips um die Welt. Selenskyjs Antwort wirkte zunächst noch souverän. Wenn der Krieg vorbei sei, trage er wieder einen Anzug, vielleicht einen teureren als der Journalist, vielleicht einen billigeren. Dann folgte die beispiellose Zurechtweisung durch Trump und dessen Vice J.D. Vance in deren heiligem Präsidentenzimmer.

Selenskyj setzt weiter auf Rückhalt in der Ukraine

In der Ukraine wurde das Zerwürfnis vor allem von Ängsten begleitet, die US-Hilfe könnte komplett wegbrechen und den Weg freimachen für einen Sieg der Russen. Das will Selenskyj unter allen Umständen verhindern. 

Seine Beliebtheitswerte waren nach der Wahl 2019 sehr hoch, fielen aber schon nach den ersten Amtsjahren drastisch. Erst der Kriegsbeginn, als er - anders als von vielen erwartet - nicht mit seiner Frau Oleana und den beiden Kindern die Flucht ergriff, sondern Kremlchef Wladimir Putin den Kampf ansagte, brachte seine Zustimmungswerte auf neue Höchstwerte.

Der 47-jährige Selenskyj, ein ehemaliger Schauspieler und Komiker, der die meiste Zeit seines Lebens seine Muttersprache Russisch sprach, verweist selbst immer wieder auf einen starken Rückhalt in der Bevölkerung. Ein präsidentennahes Meinungsforschungsinstitut erklärte im Februar mit Blick auf Umfragen, dass Selenskyj bei über der Hälfte der Ukrainer Vertrauen genieße. Das seinem Widersacher und Amtsvorgänger Petro Poroschenko nahestehende Socis-Institut ermittelte dagegen, dass Selenskyj gut 16 Prozent der Ukrainer weiter wählen würden - weniger als Ex-Armeechef Walerij Saluschnyj, der auf 27,2 Prozent kam.

Kritiker sehen das Land auf einem falschen Weg, manche werfen Selenskyj gar autoritäre Züge vor. Einige sitzen im Gefängnis, andere sind ins Ausland geflüchtet, wieder andere schweigen öffentlich. Im Zuge des geltenden Kriegsrechts brachte er den Großteil der Medien auf seine Linie.

Einen Rücktritt - wie etwa in den USA gefordert - lehnt der Präsident ab. Er betont, dass darüber nur das ukrainische Volk entscheiden könne. Und das stehe fest an seiner Seite.

© dpa ⁄ Jan Mies, Ulf Mauder, Andreas Stein und Christoph Meyer, dpa
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