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Schwierige Kanzlersuche in Österreich - «Kickl hat Zeit»

Die Rechtspopulisten sind in Österreich erstmals stärkste Partei. Die Konsequenzen aus der Wahl-Entscheidung bleiben aber zunächst unklar. Der Bundespräsident höchstselbst schaltet sich ein.
Nationalratswahl in Österreich
Nach der Nationalratswahl in Österreich
Nationalratswahl in Österreich

Österreich steht nach dem FPÖ-Triumph bei der Parlamentswahl vor einer sehr schwierigen Regierungsbildung. Angesichts der sich abzeichnenden Probleme mahnt Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Geduld. Politische Lösungen und Kompromisse zu finden, könne dauern. «Das ist gut investierte Zeit», stimmte das Staatsoberhaupt in einer TV-Ansprache die Bürger auf eine wohl monatelange Phase ein. 

Einer der zentralen Fragen bleibt: Was passiert mit dem Wahlsieger Herbert Kickl? Mit dem Chef der rechten FPÖ will niemand zusammenarbeiten. «Er könnte Nationalratspräsident werden, das zweitwichtigste Amt im Staat bekleiden. Das wäre für die FPÖ eine Exit-Strategie», sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. 

Die Rechtspopulisten sind in einer besonderen Position. Mit ihrem Rekordergebnis von 28,8 Prozent haben sie die Wahl gewonnen. Sie hoffen auf eine Koalition unter ihrer Führung, müssen aber nicht unbedingt in die Regierung. «Sie können auf das mögliche Scheitern der nächsten Regierung warten», sagt Stainer-Hämmerle. Denn wer auch immer die Regierungsverantwortung übernimmt, wird es angesichts der Wirtschaftsflaute, der strukturellen Probleme bei der Rente und dem vielfachen Reformstau nicht leicht haben. «Kickl hat von allen am wenigsten Druck und die FPÖ könnte in der Opposition ihre Opfer-Erzählung fortsetzen», so die Politologin.

Staatsoberhaupt sondiert selbst

In nächster Zeit will Van der Bellen mit allen Parteien reden, um selbst zu sondieren, wer mit wem zum Wohl des Landes zusammenarbeiten kann. Am Ende werde es darauf hinauslaufen, dass die konservative ÖVP von Kanzler Karl Nehammer den Auftrag erhalten werde, die Regierung zu bilden, ist Stainer-Hämmerle überzeugt. 

Denn ohne die ÖVP, seit mehr als drei Jahrzehnten an der Macht, geht es auch diesmal nicht. Möglicher Partner ist die sozialdemokratische SPÖ, die unter ihrem Chef Andreas Babler auf ein Rekord-Tief gefallen ist. ÖVP und SPÖ hätten laut vorläufigem amtlichem Endergebnis mit zusammen 93 Mandaten eine hauchdünne Mehrheit im Parlament mit insgesamt 183 Sitzen. 

Ob sich Babler, der die SPÖ weit nach links gerückt hat, angesichts des Wahl-Fiaskos überhaupt im Amt halten kann, müssen die nächsten Wochen zeigen. Am Tag nach der Wahl erhielt er zumindest vordergründig noch innerparteiliche Unterstützung.

Stress-Test bei nächsten Landtagswahlen

Ein Stress-Test für ÖVP und SPÖ werden die anstehenden Landtagswahlen in Vorarlberg und der Steiermark. In diesen eher ländlich geprägten Bundesländern kann die FPÖ im Oktober und November erneut auf fulminante Zugewinne hoffen. 

Laut Wählerstromanalyse des Instituts Foresight im Auftrag des ORF kam die FPÖ bei der Nationalratswahl auf dem Land auf 33 Prozent der Stimmen. In Vorarlberg und der Steiermark regieren Ministerpräsidenten der ÖVP, einmal mit den Grünen, einmal mit der SPÖ. Sollte die ÖVP die Macht in beiden Ländern verlieren, wäre das auch für Parteichef Nehammer ein großes Problem. «Dann wird der Druck auf ihn wachsen», so Stainer-Hämmerle.

Viele Beobachter gehen davon aus, dass es bis Weihnachten dauern wird, bis eine Regierung steht. Eine Koalition von ÖVP, SPÖ und den liberalen Neos gilt als denkbares Szenario. «Ein Dreierbündnis gegen die FPÖ ist nicht undemokratisch, 70 Prozent der Wähler haben die Rechtspopulisten nicht gewählt», befindet dazu die «Neue Zürcher Zeitung». Zugleich hat diese Konstellation aber das Problem, dass die deutsche Ampel-Regierung in Österreich als denkbar schlechtes Vorbild eines politischen Trios gehandelt wird.

Da zumindest bisher die Ablehnung Kickls quer durch alle Parteien hält, könnte dessen Einzug ins Kanzleramt dieses Mal noch scheitern. Aber die mittelfristigen Aussichten scheinen intakt: «Kickl hat Zeit», sagt die Politologin.

© dpa ⁄ Matthias Röder, dpa
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