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Meme-Momentum: Harris ist in der Popkultur angekommen

Mit Kamala Harris kommt die Hoffnung für die Demokraten zurück in den US-Wahlkampf. Das spiegelt sich auch in einer Flut von Memes und Videos in sozialen Medien. Doch folgen auf Klicks auch Stimmen?
Wahlkampf in den USA - Harris besucht Indianapolis
Für ihr Lachen bekannt: Kamala Harris. (Archivbild) © Darron Cummings/AP

In den vergangenen Tagen ging im US-Wahlkampf alles rasend schnell. Nicht nur politisch, auch popkulturell. Seit Kamala Harris als wahrscheinliche Kandidatin der Demokraten ins Rampenlicht getreten ist, entstand in sozialen Medien mit immer neuen Memes und Videos der 59-Jährigen ein regelrechter Hype. Harris wird zu einer Erscheinung in der Popkultur - das spiegelt die gegenwärtige Euphorie unter liberalen Amerikanern angesichts der frischen Bewerberin wider. Und das könnte ein echter Faktor im Kampf um das Weiße Haus werden.

Eine Flut an Memes und schnell geschnittenen Videos ist auf der Plattform Tiktok normalerweise eher Popstars vorbehalten, doch bewerben sie dieser Tage Politikerin Harris mit treibenden Beats, schnellen Schnitten und visuellen Effekten. Die Clips zeigen sie auf spielerische Weise charmant und nahbar, wie etwa beim Tanzen oder Lachen - oder sie spielen auf viral gegangene Äußerungen der Vizepräsidentin an. 

Sieht für manche vielleicht albern aus, ist aber wichtiger Teil der politischen Kommunikation, denn mit diesen Formaten kann vor allem die jüngste Wählergruppe der Gen Z - der Generation zwischen etwa 12 und 27 Jahren - erreicht werden. Und mehr noch: Wer es schafft, ganz normale Leute zur Produktion und zum Teilen von Inhalten zu bewegen, der inspiriert und fasziniert. Und wer inspiriert und fasziniert, wird häufig gewählt.

Die Kokospalme

Was Memes sind, weiß mittlerweile so gut wie jeder, doch vor allem Tiktok hat den Inhalten neue Dimensionen hinzugefügt. Remixe von Videos, unterlegt mit Musik und Effekten, Kommentare während des eigentlichen Clips, eigene Schnittfolgen und verrückte Mash-ups (Musik-Arrangements): Die Gestaltungsfreiheit für eigene Inhalte durch die Nutzer kennt fast keine Grenzen.

«Die Videos sind so absurd, dass sie funktionieren», sagte die politische Influencerin Annie Wu Henry, die Tiktok-Kampagnen für prominente Demokraten steuert, zuletzt der «Washington Post». Die Clips zögen Nutzer an und motivierten sie, sich weiter mit ihnen und ihren Inhalten zu beschäftigen.

Einer der größten Harris-Renner ist dabei aus einer alten Rede: Die frühere kalifornische Generalstaatsanwältin zitierte darin ihre Mutter. Diese habe gesagt: «Glaubt ihr, ihr seid einfach von einer Kokospalme gefallen?» Harris' Mutter wollte damit ausdrücken, dass nichts im luftleeren Raum passiert und der Kontext entscheidend ist.

Das ursprüngliche Video ist skurril und könnte Harris leicht als unbeholfen oder bizarr ausgelegt werden. Stattdessen aber hat sich der Social-Media-Mainstream darauf geeinigt, es großartig zu finden - liebenswert und gewinnend zugleich. 

Ein «Brat»-Sommer für Kamala?

Dazu passt eine öffentliche Unterstützung, die Harris unter Jungwählern vielleicht mehr nutzt als die von Barack und Michelle Obama. Popstar Charli XCX postete am Sonntag auf der Plattform X: «kamala IS brat». Brat, sollte man nun wissen, ist nicht nur der Name des jüngsten Albums des britischen Popstars, sondern beschreibt auch eine Lebenseinstellung. Brat ist jemand, der mutig ist, Risiken eingeht, Ecken und Kanten hat und dabei authentisch bleibt. Wörtlich übersetzt bedeutet «brat» Göre. 

Aus der Lebenseinstellung entwickelte sich die «Brat Summer»-Bewegung, die auffordert, nach eben jenen Maximen die heißeste Zeit des Jahres zu genießen. Harris' Wahlkampfteam sah das große Potenzial durch die Unterstützung von Charli XCX und gestaltete umgehend sein Twitter-Konto um - entsprechend dem hellgrünen Design des Brat-Albumcovers. 

Bisher kein Liebling der Massen

Zuletzt wurde in Bezug auf Harris auch der Vergleich zu Barack Obama und dem Präsidentschaftswahlkampf 2008 bemüht. Damals zogen Obamas Botschaft und sein junges Alter weite Teile der USA in ihren Bann, der Politiker bekam den Rang eines Popstars, die Euphorie ebnete schließlich den Weg ins Weiße Haus. Auch Harris versucht ihre Vision für die Zukunft Amerikas zu betonen und - ähnlich wie Obama - eine positive Botschaft zu vermitteln, statt lediglich damit zu werben, eine zweite Amtszeit von Donald Trump verhindern zu können. 

Ob das auf Dauer auch im Netz funktioniert, bleibt abzuwarten. Vor der Wahl 2020 konnte Harris im Rennen um die demokratische Nominierung nämlich kaum punkten. Auch als Vize des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden blieb sie in den vergangenen vier Jahren eher blass - von Coolness war da nicht viel zu spüren. Die nun freigesetzte Energie mag zu einem guten Teil auch von der Erleichterung rühren, die viele Amerikaner verspürt haben, als der sichtbar gealterte Biden aufgab. Der 81-Jährige konnte bei Wählerinnen und Wählern unter 30 kaum punkten.

Trump mit ebenso großem Einfluss - aber anderem Zugang

Die (versuchte) Glorifizierung von Kandidaten ist in den USA zudem Teil des Wahlkampfs. Harris muss darauf hoffen, dass sie in sozialen Medien ein Selbstläufer wird und die Memes ohne Ende kostenlos Werbung für sie machen. Der Kampf um die Beliebtheit im Internet ist ohnehin offen, denn der republikanische Präsidentschaftskandidat Trump hat eine große Präsenz und eine eigene Armee an Unterstützern, die seine Auftritte zusammen mit vielen weiteren Nutzern zu jenen tragen, die längst kein Fernsehen mehr schauen und erst recht keine Zeitung lesen.

Botschaft und Format könnten hier jedoch nicht unterschiedlicher sein: Trump und seine Fans fokussieren sich Experten zufolge selten auf Schrilles und Albernes, sondern heben auf die Polarisierung des Diskurses ab und greifen politische Gegner aggressiv an. Trumps jüngstes Tiktok-Video etwa, gelikt von fast einer Million Menschen, ist ein Zusammenschnitt von einem Wahlkampfauftritt, unterlegt mit dem Trump-Zitat: «Du bist schrecklich in allem, was du getan hast, du bist ultraliberal, wir wollen dich hier nicht, wir wollen dich nirgendwo.» Und schließlich: «Kamala, du bist gefeuert, verschwinde von hier.»

© dpa ⁄ Benno Schwinghammer, dpa
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