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Israel weitet Einsätze im Gazastreifen wieder aus

Der umstrittene Militäreinsatz Israels in Rafah im Süden des Gazastreifens wird international genau beobachtet. Doch auch in anderen Teilen des Küstenstreifens kommt es zu neuen Gefechten.
Nahostkonflikt - Israel
Ein israelischer Panzer bewegt sich in der Nähe der Grenze zwischen Israel und Gaza. © Tsafrir Abayov/AP/dpa

Die israelische Armee hat ihre Angriffe im Gazastreifen am Wochenende auch wieder auf Orte ausgeweitet, in denen das Militär schon im Einsatz gewesen war. Israelische Soldaten hätten einen erneuten Einsatz in dem Flüchtlingsviertel Dschabalia im Norden des Küstengebiets begonnen, teilte das Militär mit. Auch der militärische Arm der Terrororganisation Hamas berichtete von schweren Zusammenstößen seiner Kämpfer mit israelischen Truppen in Dschabalia.

Die israelische Armee setzt außerdem ihre nach eigenen Angaben «präzisen» Vorstöße in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens sowie im Viertel Al-Saitun im Norden des Küstenstreifens fort. 

Armee: Hamas baut ihre Infrastruktur wieder auf

Der Armee lagen demnach Geheimdienstinformationen vor, denen zufolge die Hamas versucht hatte, in Dschabalia ihre zuvor zerstörte Infrastruktur wieder aufzubauen. Israel hatte die Zivilbevölkerung in dem Flüchtlingsviertel vor dem neuen Einsatz zur Evakuierung aufgerufen. 

Die «Times of Israel» berichtete am Sonntag, die Armee sei von der Präsenz von 100.000 bis 150.000 Palästinensern in dem Gebiet von Dschabalia ausgegangen. Das Palästinenserhilfswerk UNRWA hatte sich «äußerst besorgt» über die Evakuierungsaufrufe für Rafah im Süden und Dschabalia im Norden des Küstenstreifens geäußert. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte Israel am Samstag vor einer Ausweitung des Einsatzes. «Wir halten eine Offensive auf Rafah (...) für unverantwortlich», sagte er in Potsdam. 

Familien toter Geiseln: Sie verdienen anständiges Begräbnis

In Israel kam es am Samstagabend zu wütenden Protesten gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. «Solange Netanjahu an der Macht ist, werden die Geiseln nicht zurückkehren (...) Netanjahu führt Israel in den völligen Untergang», zitierten israelische Medien aus einer Erklärung von Angehörigen der Geiseln. 

Am Vorabend des israelischen Gedenktags für gefallene Soldaten und Terroropfer forderten die Angehörigen getöteter Geiseln in der Gewalt der Hamas ein würdiges Begräbnis für ihre Toten. 

Am 7. Oktober hatten Terroristen der Hamas und anderer Gruppen in Israel 1200 Menschen getötet und weitere 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Nach einem Austausch gegen palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen wurde zuletzt angenommen, dass noch 132 von ihnen in dem Küstenstreifen sein dürften. Vermutet wird aber, dass viele von ihnen nicht mehr am Leben sind.

Das beispiellose Massaker war Auslöser des Gaza-Krieges. Am Samstag rief die israelische Armee die Bevölkerung in der an Ägypten grenzenden Stadt Rafah im Süden Gazas auf, weitere Gebiete im Osten und erstmals auch im Zentrum der Stadt zu verlassen. Israel hatte zu Wochenbeginn den Einsatz von Bodentruppen zunächst in den östlichen Außenbezirken von Rafah begonnen.

Seither seien «Dutzende von Terroristen ausgeschaltet», unterirdische Terrortunnel freigelegt und große Mengen an Waffen sichergestellt worden, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Nicht nur Hilfsorganisationen befürchten, dass eine Ausweitung der israelischen Offensive dazu führen könnte, dass Hunderttausende Zivilisten zwischen die Fronten geraten. 

Bericht: USA bieten Israel Geheimdiensthilfe in Rafah an

Die USA haben Israel für den Verzicht auf eine Großoffensive in Rafah einem Medienbericht zufolge Hilfe beim Aufspüren von Anführern der islamistischen Hamas angeboten. Wie die Zeitung «Washington Post» unter Berufung auf vier mit dem US-Angebot vertraute Personen berichtete, würden die USA dem israelischen Militär mit geheimdienstlicher Unterstützung helfen, den Aufenthaltsort von Hamas-Anführern sowie unterirdische Tunnel der Terrororganisation zu lokalisieren. Amerikanische Beamte hätten zudem angeboten, Israel Tausende von Notunterkünften bereitzustellen, damit die Armee Zeltstädte für die zu evakuierenden Bewohner von Rafah aufbauen könne.

Die israelische Armee begründet das schon vor Monaten angedrohte militärische Vorgehen in Rafah damit, die letzten Bataillone der Hamas zerschlagen und die unter der Grenze zu Ägypten vermuteten Schmuggel-Tunnel zerstören zu wollen.

Berichte: Israels Militärchef fordert Nachkriegs-Strategie 

Israels Armee müsse mangels einer politischen Strategie für die Zeit nach dem Krieg immer wieder an Orten im Gazastreifen wie jetzt in Dschabalia kämpfen, die sie eigentlich zuvor eingenommen und aus denen sie sich bereits wieder zurückgezogen hatte, beklagte Generalstabschef Herzi Halevi Medienberichten zufolge bei Sicherheitsberatungen mit Netanjahu.

«Solange es keinen diplomatischen Prozess gibt, um eine Verwaltung im Gazastreifen aufzubauen, die nicht der Hamas angehört, müssen wir immer wieder Kampagnen an anderen Orten starten, um die Infrastruktur der Hamas zu zerstören», wurde der israelische Militärchef in der «Times of Israel» zitiert. «Es wird eine Sisyphusarbeit sein.»

Netanjahu hatte kürzlich im US-Fernsehen über die Zukunft des Gazastreifens gesprochen und gesagt, im Fall einer Niederlage der Hamas in dem abgeriegelten Küstengebiet werde es vermutlich «irgendeine Art Zivilverwaltung» geben, «möglicherweise mithilfe der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und anderen Ländern». Dabei gehe es um Staaten, die sich «Stabilität und Frieden» wünschten.

Der emiratische Außenminister Abdullah bin Sajid stellte jedoch am Samstag auf der Online-Plattform X klar, man werde sich an keiner möglichen Zivilverwaltung mit anderen Staaten beteiligen. Sein Land werde sich in keine Pläne hereinziehen lassen, um «Deckung zu geben für Israels Präsenz im Gazastreifen». Netanjahu habe auch keine Befugnis, solch einen Schritt in die Wege zu leiten.

Biden sieht Hamas in der Pflicht 

US-Präsident Joe Biden bekräftigte unterdessen mit Blick auf die indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln die Verantwortung der Hamas. «Wissen Sie, es gäbe morgen einen Waffenstillstand, wenn (...) die Hamas die Geiseln freilassen würde - Frauen, ältere Menschen und Verwundete», sagte Biden bei einer Wahlkampfveranstaltung in Medina im US-Bundesstaat Washington nach Angaben mitreisender Pressevertreter.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, hatte am Freitag gesagt, die Verhandlungen steckten in der Sackgasse. Ägypten will nun gemeinsam mit den USA die Konfliktparteien zu mehr Kompromissbereitschaft bewegen. 

Rakete aus Gaza trifft Wohnhaus in Aschkelon

Eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete schlug unterdessen nach Medienberichten in der Nacht zum Sonntag in einem Wohnhaus in der israelischen Küstenstadt Aschkelon ein. Drei Menschen seien dabei verletzt worden. Die Hamas hatte zuletzt wieder verstärkt israelische Ortschaften vom Gazastreifen aus angegriffen, darunter auch immer wieder den Grenzübergang Kerem Schalom, über den humanitäre Hilfsgüter kommen. 

Israel: Südafrika agiert als juristischer Arm der Hamas

Die israelische Regierung forderte unterdessen den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag auf, den erneuten Eilantrag Südafrikas zum Verhindern eines Völkermords an Palästinensern abzulehnen. Südafrika agiere als juristischer Arm der Hamas, schrieb der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Oren Marmorstein, am Samstag auf X. Südafrika hatte sich am Freitag erneut an den IGH gewandt und gefordert, das Gericht müsse Israel zu weiteren Schritten bewegen, um einen Völkermord an Palästinensern zu verhindern. Unter anderem solle Israel sich sofort aus Rafah zurückziehen. 

© dpa ⁄ Sara Lemel, Lars Nicolaysen und Eva Krafczyk, dpa
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