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34 Mal «schuldig»: historisches Trump-Urteil spaltet die USA

Guilty, Guilty, Guilty: Erstmals ist ein ehemaliger amerikanischer Präsident strafrechtlich verurteilt worden. Der Schuldspruch gegen Donald Trump stellt die USA im Wahljahr vor beispiellose Probleme.
Donald Trump
Donald Trump droht eine mehrjährige Freiheitsstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, oder eine Geldstrafe. © Mark Peterson/New York Magazine/AP/dpa

Der historische Schuldspruch gegen Donald Trump verschärft die Spannungen im ohnehin tief gespaltenen Amerika wenige Monate vor der Präsidentenwahl. Eine Jury sprach den 77-Jährigen am Donnerstag (Ortszeit) in New York wegen der Verschleierung von Schweigegeld an einen Pornostar in allen 34 Anklagepunkten schuldig. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dass ein ehemaliger US-Präsident strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wird.

Dem Republikaner droht nun eine Geldstrafe oder eine mehrjährige Gefängnisstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Doch weder das beispiellose Urteil noch mögliche Haft halten Trump von der Kandidatur für das Präsidentenamt ab. Der Verurteilte sprach von einer «Schande» und kündigte Berufung an. Amtsinhaber Joe Biden warnte davor, die Justiz nicht zu respektieren und nannte Trumps Verhalten «gefährlich».

Strafmaß, Berufung, Kandidatenkür - wie es weiter geht

Richter Juan Merchan legte den 11. Juli als Datum für die Verkündung des Strafmaßes fest - nur wenige Tage bevor die Republikaner auf einem Parteitag in Milwaukee Trump zum offiziellen Kandidaten für die Präsidentenwahl küren wollen.

Trump droht im schlimmsten Fall eine Gefängnisstrafe von bis zu vier Jahren. Wahrscheinlicher ist im Fall des nicht vorbestraften Trump aber, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder er eine Geldstrafe zahlen muss.

Doch selbst im eher unwahrscheinlichen Fall, dass Trump noch vor der Wahl zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, könnte er Präsident werden.

Trumps Verteidigerteam hat bereits angekündigt, alle rechtlichen Mittel ausschöpfen zu wollen und Berufung gegen das Urteil einzulegen. Doch selbst wenn der 45. Präsident der Vereinigten Staaten eine Haftstrafe bekommen sollte, gilt eine Festnahme direkt am Tag der Strafmaßverkündung als unwahrscheinlich. Es wird davon ausgegangen, dass Trump während der juristischen Schritte gegen seine Strafe auf freiem Fuß bleiben darf.

Nicht zuletzt würde eine Gefängnisstrafe den Sicherheitsapparat für ehemaligen Präsidenten vor ungekannte Probleme Stellen: Der Secret Service ist per Gesetz dazu verpflichtet, Trump rund um die Uhr zu schützen. Das gilt auch hinter Gittern.

Schweigegeld und Pornostar - Trump mit versteinerter Miene

Die Staatsanwaltschaft warf Trump vor, er habe seine Aussichten auf einen Erfolg bei der Präsidentenwahl 2016 durch die Zahlung von 130.000 Dollar Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels verbessern wollen und den Geldfluss anschließend unrechtmäßig verbucht. Obwohl die - von keiner Seite bestrittene - Zahlung selbst nicht illegal war, soll der heute 77-Jährige bei der Erstattung des Betrags an seinen damaligen Anwalt Michael Cohen Unterlagen manipuliert haben, um den wahren Grund der Transaktion zu verschleiern. Dadurch ist Trump nun der illegalen Wahlkampf-Finanzierung schuldig.

Trump wirkte am Donnerstag vor Gericht nach außen hin so entspannt wie selten zuvor bei der Verhandlung. Gegen 16.30 Uhr New Yorker Zeit gingen er und alle anderen Prozessbeteiligten bereits davon aus, dass die Jury-Beratungen sich in den Freitag ziehen würden.

Doch dann kam Richter Merchan in den Saal und verkündete, dass die Jury ein Urteil gefällt habe. Schlagartig änderte sich die Stimmung im Gerichtssaal 1530. Trump, der gerade noch mit seinem Anwalt Todd Blanche angeregt geplaudert und sogar geschmunzelt hatte, wurde still und starrte mit versteinerter Miene geradeaus. So nahm er dann auch das Urteil eine halbe Stunde später hin: Der Vorsitzende der Jury stand auf und bekam nacheinander alle Anklagepunkte vorgelesen. Seine Antwort 34 Mal in Folge: «Schuldig.»

Nun hängt Trumps Strafe am Ermessen des Richters. Juan Merchan ist als Jurist bekannt, der eine klare Linie fährt, sich nichts gefallen lässt und gegen Wirtschaftskriminalität durchgreift. Der im kolumbianischen Bogota Geborene zog als Kind in die USA und wuchs - wie Donald Trump - im New Yorker Stadtteil Queens auf. Trotz der harten Hand, die ihm nachgesagt wird, wurde im Prozess deutlich, dass er um Trumps Sonderstellung in der US-Gesellschaft weiß und danach handelt. Im Prozess vermied er es weitgehend, den Präsidentschaftsbewerber öffentlich zu maßregeln, hielt Trump aber mit einem strikten Verbot zu Aussagen über Prozessbeteiligte im Zaum - auch mithilfe der Androhung, dass er ihn sonst festnehmen lassen müsse.

Spenden und Opfernarrativ - wie Trump das Urteil nutzt

Kurz nach dem Urteil zeigte Trump sich wütend. Das eigentliche Urteil werde am Tag der Präsidentenwahl fallen werde, sagte er - also am 5. November. Er sei ein «sehr unschuldiger Mann». Dann fuhr Trump mit einer schwarzen Wagenkolonne in seinen Trump-Tower an der 5th Avenue in Manhattan. Am Eingang des Wolkenkratzers reckte er demonstrativ die Faust in die Luft und winkte den Schaulustigen zu. Prominente Republikaner und glühende Anhänger Trumps reagierten empört auf den Schuldspruch.

Trump, der sich als Opfer einer von den Demokraten gesteuerten Justiz inszeniert, weiß den Schuldspruch direkt für sich auszunutzen. Sein Wahlkampfteam bat nach dem Urteil bei Anhängern um Spenden. «Ich bin ein politischer Gefangener», hieß es in einer E-Mail des Trump-Teams. «Ich wurde gerade in einem manipulierten Hexenjagd-Prozess verurteilt: Ich habe nichts falsch gemacht.»

Trump verkündete auf einer Pressekonferenz in New York in einer langen Rede, in der er Richter Merchan angriff, dass sein Wahlkampfteam innerhalb weniger Stunden 39 Millionen Dollar eingenommen habe. Auch das Wahlkampfteam von Trumps politischem Gegner, Amtsinhaber Biden, rief seine Anhänger dazu auf, die Kreditkarten zu zücken.

Biden äußerte sich sogar selbst ungewöhnlich deutlich im Weißen Haus zu dem Schuldspruch und kritisierte Trumps Verhalten. «Es ist rücksichtslos, es ist gefährlich, es ist unverantwortlich, wenn jemand behauptet, dass das Verfahren manipuliert wurde, nur weil einem das Urteil nicht gefällt», sagte er. Trump sei jede Gelegenheit gegeben worden, sich zu verteidigen.

Das Urteil wird sich ohne Frage auf den erbittert geführten Wahlkampf in den Vereinigten Staaten auswirken - die Frage dabei ist aber: wie stark und zu wessen Vorteil? Eine Umfrage des Instituts Marist Poll vor dem Schuldspruch zeigt, dass eine Verurteilung für eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in den USA keinen Unterschied macht. Demnach gaben sogar 74 Prozent der Wähler, die weder Anhänger der Demokraten noch den Republikaner sind, dass ein Schuldspruch für sie einerlei sei. Diese Wählergruppe dürfte bei der Wahl, bei der es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Demokraten Biden und Trump hinauslaufen dürfte, besonders wichtig sein.

Bei Trumps Anhängern dürfte die Verurteilung eher dazu führen, dass diese noch eiserner hinter dem Republikaner stehen. Viele Liberale hingegen wollen Trump hinter Gittern sehen. So dürften sich die politischen Gräben in den USA weiter vertiefen.

Weitere Anklagen und ein großes Spektakel - welche Baustellen Trump noch hat

Der Prozess in New York fand unter beispiellosem medialem Interesse und strengsten Sicherheitsvorkehrungen in Downtown Manhattan statt. US-Medien begleiteten das Ereignis wie ein großes Sportevent und zitierten im Minutentakt aus dem Gerichtssaal, in dem keine TV-Aufnahmen erlaubt waren. Dabei wurde auch jede Regung Trumps kommentiert, der bei den Sitzungen stets anwesend war und eigentlich nur die Farbe seiner Krawatte von Tag zu Tag variierte. Für den kurzen Fototermin zu Beginn der Sitzung setzte Trump regelmäßig ein grimmiges Gesicht auf. Einige Zeugen-Befragungen schien er interessiert zu verfolgen, an anderen Tagen waren sich US-Medien sicher, dass er die Augen über längere Zeit geschlossen hielt, weil er eingedöst war.

Die Anklage in New York ist nicht Trumps einzige juristische Baustelle. Wegen versuchter Wahlmanipulation ist der Republikaner in der US-Hauptstadt Washington und im Bundesstaat Georgia angeklagt. Ebenfalls angeklagt ist Trump in Florida - dort geht es um die Mitnahme geheimer Regierungsunterlagen. Doch in allen drei Fällen bewegt sich derzeit wenig, Trump und seine Anwälte verzögern die Prozesse mit diversen Anträgen. Es gilt als wahrscheinlich, dass die New Yorker Verurteilung die einzige vor der Wahl im November bleiben wird.

© dpa ⁄ Benno Schwinghammer und Julia Naue, dpa
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