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Hohe Zinsen: Zwangsversteigerungen in Hessen nehmen zu

Die Zahl der Notverkäufe von Häusern und Wohnungen ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr um fast 16 Prozent gestiegen. Der Eigentümerverband Haus und Grund befürchtet eine weitere Zunahme.
Zwangsversteigerungen
2023 sind in Hessen mehr Immobilien unter den Hammer gekommen als im Vorjahr. Symbolbild © Daniel Naupold/dpa

Wiesbaden/Frankfurt (dpa/lhe) – Angesichts der hohen Zinsen kommen in Hessen wieder mehr Häuser und Wohnungen von verschuldeten Eigentümern unter den Hammer. 2023 gab es nach Angaben des Immobilienbesitzerverbandes Haus und Grund Hessen mit 1.949 Neuanträgen einen Zuwachs um 15,7 Prozent im Vergleich zu 2022. «Wir blicken mit Sorge auf diese Entwicklung», sagte Geschäftsführer Younes Frank Ehrhardt. Die guten Jahre in Sachen Zwangsversteigerung schienen vorüber. 

Von 2019 bis 2022 war die Zahl der Anträge laut Ehrhardt noch gesunken. «Die Trendwende führen wir auf die sprunghaft gestiegenen Zinsen zurück – und die schwierige Lage auf dem Immobilienmarkt», erläuterte er. Zu hohe Darlehensraten bei Neu- oder Anschlussfinanzierungen habe manche Eigentümer in Schwierigkeiten gebracht, deren Immobilie auf dem freien Markt keinen Kaufinteressenten fand und dann in den Zwangsverkauf ging. 

Für die Zukunft befürchtet Ehrhardt einen weiteren Anstieg der Notverkäufe. «Die Einführung des sogenannten Heizungsgesetzes wird sicher nicht zur Entspannung der Situation beitragen», sagte er. Sie werde sich vielmehr erheblich auf die Immobilienpreise auswirken. Denn Interessenten würden die anstehenden notwendigen Modernisierungsmaßnahmen beim Kaufpreis berücksichtigen und möglicherweise ältere, unsanierte Immobilien meiden. Haus und Grund Hessen vertritt nach eigenen Angaben die Interessen von mehr als 68.000 Mitgliedern, denen landesweit 84,5 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes gehört.

Zwangsversteigerungen sind ein Weg, mit dem Gläubiger an ihr Geld kommen können. Meist kommt es dazu, wenn Immobilieneigentümer in eine finanzielle Notlage geraten sind, Haus und Grundstück nicht mehr bezahlen können oder Schulden haben. Dann leitet der Gläubiger ein Verfahren zur Zwangsversteigerung beim Amtsgericht ein. Der Mindestpreis für die Immobilie wird durch ein Gutachten bestimmt.

Die Erlöse seien immer objektabhängig, erklärte eine Rechtspflegerin des Amtsgerichts Frankfurt am Main. Dort sind ihr zufolge im vergangenen Jahr knapp 45 Prozent mehr Zwangsversteigerungsanträge gestellt worden als im Vorjahr 2022. «Seit etwa einem Jahr können wir einen Anstieg der 'Kauflaune' bei den Bietinteressenten beobachten und es werden auch Gebote über den Verkehrswerten abgegeben», berichtete sie. Von höheren Erlösen profitierten Gläubiger, deren Forderungen ganz oder größtenteils befriedigt werden könnten, oder auch die ursprünglichen Eigentümer, für die ein Übererlös verbleibe. 

2022 und Anfang 2023 hätten sich die Meistgebote eher an der 7/10-Grenze der festgesetzten Verkehrswerte orientiert, erläuterte sie. Liegt der Erlös einer Zwangsversteigerung unter 70 Prozent des Verkehrswertes, kann der Zuschlag auf Antrag der Gläubiger versagt werden. Erreichen die Angebote nicht mindestens 50 Prozent des Verkehrswertes, darf das Gericht keinen Zuschlag erteilen. Bei einem eventuellen zweiten Termin gelten diese Mindestgrenzen nicht mehr. 

Bei attraktiven Objekten habe es auch Gebote über den Verkehrswerten gegeben, so die Rechtspflegerin. «Es gab auch Termine, bei denen niemand ein Gebot abgeben wollte.» Wie viel die Interessenten bieten, hänge von der persönlichen Situation, der Lage und Attraktivität sowie dem Zustand der Immobilie ab. Die Gutachten spielten dabei sicher auch eine Rolle. Zwischen Gutachtenerstellung und Versteigerungstermin lägen circa sechs bis acht Monate. «Möglicherweise waren die seinerzeit festgesetzten Werte im Jahr 2022 und Anfang 2023 zu hoch für die damalige wirtschaftliche Lage.» 

Auch das Amtsgericht Kassel verzeichnet eine Zunahme an Zwangsversteigerungen. Gab es dort 2022 laut einer Sprecherin 88 neue Verfahren, waren es im vergangenen Jahr 119. In beiden Jahren lagen die Erlöse demnach im Schnitt über dem Verkehrswert. Beim Amtsgericht Marburg hingegen ging die Zahl leicht zurück. Nach Angaben eines Sprechers gab es im Jahr 2022 insgesamt 23 Zwangsversteigerungsverfahren, 2023 waren es demnach 21. «Bei den Verfahren, bei denen ein Zuschlag erteilt wurde, lagen die Meistgebote in der Regel unterhalb des Verkehrswertes – außer bei Landwirtschaftsflächen da liegt das Meistgebot eher über dem Verkehrswert», erläuterte er.

Das hessische Justizministerium teilte mit, eine deutliche Zunahme der Zwangsversteigerungsverfahren könne für Hessen nicht erkannt werden. «Die Zahlen für 2023 liegen deutlich unter denen von 2014 bis 2018 und ungefähr auf dem Niveau von 2019 und 2020», erläuterte ein Sprecher. 2014 verzeichnete das Ministerium demnach 4224 Eingänge, bis 2018 sank deren Zahl sukzessive auf 2.548. In den Jahren 2019 und 2020 wurden 2.026 beziehungsweise 1.901 Eingänge gezählt. 2021 und 2022 seien die Zahlen leicht rückläufig gewesen (1.819 beziehungsweise 1.685) und für 2023 nun wieder leicht angestiegen, erklärte der Sprecher. Die Zwangsversteigerungen von Immobilien lägen nach der Auffassung des Ministeriums nach absoluten Zahlen im langjährigen Vergleich immer noch auf niedrigem Niveau. 

 

 

 

 

© dpa
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