Die Geburt eines Kindes verändert vieles – auch die berufliche Perspektive. Beide Welten unter einen Hut zu bringen, die Familie und den Job, ist herausfordernd. Vor allem, solange die Kinder klein sind. Kita-Öffnungszeiten vertragen sich nicht mit Überstunden, Kinderkrankheiten durchkreuzen Produktionspläne, und durchwachte Nächte sind nicht gerade förderlich für die Konzentrationsfähigkeit.
«Familie und Karriere stellen eine Doppelbelastung insbesondere für Mütter dar, weil sie einen höheren Anteil als die Männer an der Care-Arbeit übernehmen», sagt Regine Graml. Die Professorin für Betriebswirtschaftslehre, Personalmanagement und Organisation an der Frankfurt University of Applied Sciences hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Yvonne Ziegler Karrierebedingungen für Frauen mit Kindern untersucht.
Und dabei festgestellt, dass nicht nur die Belastung hoch ist, sondern Kinder vor allem für Frauen nach wie vor ein Karrierehindernis sind: 18 Prozent der für die «2. Frankfurter Karrierestudie» befragten Frauen gaben an, dass anstehende Karriereschritte gestrichen worden seien, bei 33 Prozent wurden sie zurückgestellt. 38 Prozent berichteten von gekürzten oder ausgebliebenen Gehaltserhöhungen.
Mütter schultern den größten Teil der Sorgearbeit in der Familie
Kind? Karriere? Ist das tatsächlich immer noch eine Entweder-oder-Entscheidung? Vor allem für Mütter sei es nach wie vor schwierig, beides zu meistern, sagt Nancy Meckert. Die Coachin aus Berlin berät sowohl Eltern als auch Unternehmen zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie. «Wenn die Hauptlast der Sorgearbeit bei den Frauen liegt, wenn sie allein versuchen müssen, alles unter einen Hut zu bringen, kann das nicht auf Dauer funktionieren», sagt Meckert. «Das geht dann oft auf Kosten der Gesundheit.»
Es ist nicht der fehlende Wille, der die Vereinbarkeit erschwert, sondern es sind oft strukturelle Defizite – unflexible Arbeitszeiten, fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, starre Präsenzkultur und stereotype Rollenbilder, die in Unternehmen wie in der Gesellschaft noch immer fest verankert sind.
Zugleich ist der Erwartungsdruck hoch. Eltern – insbesondere Mütter – sollen alles gleichzeitig sein: für ihre Kinder präsent, in der Partnerschaft unterstützend, im Job engagiert. Väter hingegen bleiben meist in der Karrierespur – wenn auch oft mit schlechtem Gewissen und zunehmendem Druck, dem traditionellen Ernährerbild gerecht zu werden.
Arbeitsteilung in der Partnerschaft
Veränderte Rahmenbedingungen in Wirtschaft und Politik könnten für Entlastung sorgen. Aber dies in Gang zu setzen, dauert. Wichtigster kurzfristiger Hebel, damit Familien- und Berufsleben funktionieren, ist für Meckert deshalb die Arbeitsteilung in der Partnerschaft: «Es ist entscheidend, dass man sich als Eltern-Team versteht, dass man nicht gegeneinander, sondern miteinander das Problem zu lösen versucht.» Dazu gehört auch, regelmäßig zu hinterfragen: Wo stehen wir gerade, was sind deine Bedürfnisse, was sind meine Bedürfnisse und wie finden wir gemeinsame Lösungen?
Der Erwartungsdruck kommt nicht nur von außen, «der steckt oft in uns selbst», sagt Meckert, Mitglied im Vorstand des Bundesverbands Vereinbarkeit, der sich für familienbewusste Rahmenbedingungen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft einsetzt. Viele Frauen tendierten dazu, die Kinder aus dem Lebenslauf herauszuhalten, weil sie Nachteile im Bewerbungsprozess befürchten und tatsächlich erleben. «Aber wenn wir Elternschaft nicht sichtbar machen, dann werden sich die Umstände nicht verändern», so Meckert.
Den Wiedereinstieg gut planen
Ein kritischer Punkt in der Laufbahn ist oft der Wiedereinstieg nach der Elternzeit. Von den für die «2. Frankfurter Karrierestudie» befragten Frauen kehrten zwar zwei Drittel nach Mutterschutz und Elternzeit zu ihrem alten Arbeitgeber zurück, aber nur die Hälfte davon auf die ursprüngliche, unveränderte Position.
Fast jede dritte Frau (32 %), die in ihrem alten Unternehmen eine neue Position erhalten hatte, war unzufrieden. Hauptgründe dafür: weniger interessante Arbeitsinhalte sowie geringere Einflussmöglichkeiten und Aufstiegschancen.
Tanja Jakob, Bewerbungs- und Karrierecoachin für berufstätige Mütter, beobachtet, dass viele ihrer Klientinnen mit der Frage hadern, wann der richtige Zeitpunkt für die Rückkehr ist. «Wenn eine Frau ein Jahr Elternzeit geplant hatte, dann aber feststellt, dass sie noch mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen möchte, dann ist das in Ordnung. Denn diese Zeit kommt nie wieder. Und für den Job gibt es Lösungen.»
Nicht vom gesellschaftlichen Druck leiten lassen
Auch Jakob nimmt in Ihren Coachings wahr, dass gerade auf Müttern viel gesellschaftlicher Druck lastet. Das sollte, sagt die Coachin, aber nicht der Maßstab sein für die Karriereplanung: Viel wichtiger sei es, herauszufinden, was man selbst möchte, was einem wichtig ist, was sich stimmig und gut anfühlt. «Man kann nicht auf beiden Seiten immer zu 100 Prozent performen. Mal steht das Berufsleben im Vordergrund und mal die Familie und das ist vollkommen in Ordnung so.»
Jakob empfiehlt, wenn der Wiedereinstieg ansteht, «frühzeitig mit der Personalabteilung und den Vorgesetzten ins Gespräch zu gehen». Und schon vorher mit dem Partner zu besprechen, wie man künftig die Arbeit aufteilt und ein Netzwerk für die Kinderbetreuung aufbaut, um auf Krankheitstage oder Kita-Schließungen vorbereitet zu sein. Vor allem aber rät sie zur Gelassenheit: «Man muss nicht am zweiten Tag wieder so performen wie vor der Elternzeit.»
Beherzt Interesse kommunizieren
Ein weiteres Problem: «Frauen und zunehmend auch Männer mit Kindern sind dem Vorurteil ausgesetzt, keinen Karriereehrgeiz zu besitzen und dementsprechend auch nicht das erforderliche Engagement», beobachtet die Wirtschaftswissenschaftlerin Regine Graml.
Das hat Folgen: Bei der Personalentwicklung und Stellenbesetzung werde nicht mit ihnen geplant. «Teilzeit als Mutter zu arbeiten und gleichzeitig eine Karriere anzustreben, entspricht nicht den üblichen Erwartungen», sagt Graml. Sie rät, gegen alle Widerstände «beherzt» das Interesse an Karriere zu kommunizieren. «Kinder sind kein ‚Störfaktor‘.» Kind und Karriere – das ist kein Selbstläufer. Aber es ist auch kein Widerspruch.