Es war ein mit Spannung erwarteter Moment: Nach dem länglichen Auftakt im Belästigungs-Prozess gegen Frankreichs Starschauspieler Gérard Depardieu, äußerte sich der Darsteller erstmals vor Gericht zu den Vorwürfen gegen ihn. Ja, er habe eine der Klägerinnen an der Hüfte angefasst, sagte der preisgekrönte Filmstar im prall gefüllten Gerichtssaal, und gab damit zum ersten Mal eine Berührung zu. Jedoch sei dies nicht aus sexueller Absicht geschehen.
Depardieu steht seit Montag in Paris vor Gericht. Es ist der erste Prozess gegen ihn wegen möglicher sexueller Übergriffe. Zwei Frauen werfen ihm vor, sie 2021 bei den Dreharbeiten zum Film «Les volets verts» (Die grünen Fensterläden) von Jean Becker gegen ihren Willen an intimen Stellen angefasst zu haben. Dabei handelt es sich um eine Dekorateurin und eine Regieassistentin. Zunächst ging es im Gericht um die Vorwürfe der Dekorateurin.
Depardieu rechtfertigt sein Verhalten
«Ich war wütend und es war heiß», gab Depardieu zu. Er habe die Frau angefasst, um nicht von der Kiste zu rutschen, auf der er gesessen habe. Er sei sauer gewesen, weil die Frau ein Gemälde, über das sie sich unterhalten hatten, ein schlechtes Bild genannt habe. Er wisse wirklich nicht, warum er eine Frau befummelt haben sollte.
Auch während seiner Anhörung saß der Schauspieler, der im schwarzen Anzug erschien, auf einer Kiste. Seit mehr als 25 Jahren leidet er an Diabetes sowie an Cruralgie – einer schmerzhaften Nervenreizung im Oberschenkel – und Arthrose in der Lendenwirbelsäule. Zusätzlich musste er sich einer vierfachen Bypass-Operation am Herzen unterziehen. Beim Gehen stützte Depardieu sich im Gericht teils auf seinen Anwalt. Aus Gesundheitsgründen wurde der ursprünglich im Oktober angesetzte Prozesstermin verschoben.
Depardieu wehrt sich – und wird lauter
«Mit 76 Jahren und 130 Kilo – glauben Sie wirklich, dass ich mir so etwas leisten würde?», antwortete Depardieu im Gerichtssaal etwas gereizt. «Ich mag mich selbst schon kaum. Ich fasse niemanden an, weder am Set noch anderswo.» Er könne nicht mal jene anfassen, die er liebe.
Als der Richter ihn fragt, ob er am Set Alkohol getrunken habe, reagiert Depardieu heftiger: «Nein, kein Alkohol!» Doch der Vorsitzende Richter hakt nach: «Vorhin haben Sie von Wodka gesprochen.» Depardieu winkt ab: «Nein, von Wasser – das ist gesünder.»
Aggressive Verteidigung: Keine sexuelle Belästigung zugegeben
Depardieus Verteidiger Jérémie Assous fährt seit Beginn des Prozesses schwere Geschütze auf. Er will beweisen, dass die Anschuldigungen «völlig erfunden» seien und auf Lügen basieren. Nach der Anhörung der Dekorateurin erklärte der 48-Jährige, dass ihre Version mit der Wahrheit nicht übereinstimme. Mit Blick auf Depardieus Aussage stellte er klar: «Herr Depardieu hat niemals die geringste sexuelle Belästigung zugegeben.» Er kritisierte ein «Klima der Angst», das Zeugen daran hindere, Aussagen zugunsten des Angeklagten zu machen.
Depardieus letzte Rolle?
Depardieu war einst gefeierter Stern am französischen Kinohimmel. Doch seit Jahren melden sich immer wieder Frauen zu Wort, die ihm sexuelle Übergriffe vorwerfen - teils auch anonym und ohne, dass die Anschuldigungen bei der Justiz landen. Erstmals sitzt der Schauspieler deshalb auf der Anklagebank. Ein weiteres Verfahren könnte ihm drohen, weil die Schauspielerin Charlotte Arnould ihn wegen Vergewaltigung verklagt.
Vor Gericht beklagte Depardieu, dass er seit Jahren nicht mehr gedreht habe. Auch die Zahl derjenigen, die den für seine derben Worte bekannten Mann unterstützen, scheint kleiner zu werden. In dem jetzigen Prozess drohen der Filmikone bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug und 75.000 Euro Geldstrafe. Depardieu könnte nun seine letzte Rolle spielen: die eines gefallenen Helden.