Lando Norris blickte kurz in den dunklen Himmel über Melbourne und streckte den Zeigefinger nach oben. Nach über 1000 Tagen Herrschaft von Max Verstappen an der Spitze der Formel-1-Weltmeisterschaft hat der britische McLaren-Pilot im Regen- und Rutschchaos den Rennauftakt in die neue Saison gewonnen und erstmals in seiner Karriere die WM-Führung übernommen.
«Es war unglaublich, ein Top-Rennen», schwärmte Norris: «Ich habe gepusht, vor allem in den letzten beiden Runden - es war ein bisschen stressig, das muss ich zugeben.»
Denn hinter Norris mit einem Rückstand von gerade mal 0,895 Sekunden rauschte Weltmeister Max Verstappen mit seinem Red Bull ins Ziel. «Ich bin da, wo ich es erwartet habe», sagte der 27 Jahre alte Niederländer: «Das sind 18 Punkte mehr als vergangenes Jahr hier - die nehm' ich mit.»
Frust bei Piastri
2024, als Australien die dritte Station gewesen war, hatte Verstappen das Ziel nicht erreicht. Auf dem Podium des diesjährigen Rennens feierte er bestens gelaunt und spürbar zufrieden mit Schaumwein und Starkregen von oben zusammen mit Kumpel und Konkurrent Norris.
Dritter wurde in dem Rennen unter schwersten Bedingungen auf dem Albert Park Circuit George Russell im Mercedes. Mit dem ersten Heimsieg eines Australiers wurde es indes wieder nichts: Norris' Teamkollege Oscar Piastri wurde zunächst eine Stallorder und dann ein eigener Ausrutscher zum Verhängnis. Er wurde am Ende Neunter. «Frustrierend, ich muss es auf meine Kappe nehmen», sagte der 23-Jährige.
Hamilton enttäuscht, Hülkenberg stark
Das erste Rennen der neuen Saison wurde von Crashs und vielen Ausfällen geprägt. Das Safety-Car war im Dauereinsatz. Enttäuschend und mit weggepiepten Flüchen endete die erste große Bewährungsprobe für Rekordweltmeister Lewis Hamilton im Ferrari: Der 40 Jahre alte siebenmalige Champion wurde auch nach einem Knallhart-Manöver von Teamkollege Charles Leclerc in der Schlussphase nur Zehnter.
Dagegen steuerte Nico Hülkenberg in seinem ersten Rennen seit der Rückkehr zu Sauber den unterlegenen Wagen auf Platz sieben und damit in die Punkte.
Als würde diese Saison nicht schon genug Spannung versprechen: Gleich beim ersten Rennen herrschten schwierigste Verhältnisse. Tags zuvor raste Norris vor Piastri und Verstappen noch bei Temperaturen um die 33 Grad bei leicht bedecktem Himmel zur Pole Position. Am Renntag dann Regen, Wind und gerade mal 15 Grad. Kurzum: Verstappen-Wetter.
Allerdings musste sich auch der Titelverteidiger erstmal gedulden - denn ausgerechnet einer aus Red Bulls zweitem Team krachte schon in der Formationsrunde in die Bande. In Kurve zwei verlor Isack Hadjar bei überschaubarer Geschwindigkeit die Kontrolle über seinen Racing Bull. Das Aus für den 20 Jahre alten Franzosen - einer von sechs jungen Fahrern, die in ihre erste Saison als Stammpilot gestartet sind. Auf dem Weg zu seinem Team wurde der tief betrübte Hadjar auch von Hamiltons Vater Anthony getröstet.
Drei Crashs gleich zu Beginn
Die verbliebenen 19 Fahrer machten sich auf den Weg zum zweiten Startversuch. Immerhin gelang der, aber kurz nachdem sich Verstappen schon an Piastri vorbeigeschoben hatte, krachte der nächste: Jack Doohan, 22 Jahre alt, neuer Stammfahrer von Alpine. Aber auch einen Routinier erwischte es gleich: Carlos Sainz schlug mit seinem Williams sogar hinter dem Safety Car in die Streckenmauer. Ausfall Nummer drei noch vor der dritten Runde.
Bernd Mayländer fuhr im Safety-Car erstmal wieder vorneweg - vor 25 Jahren hatte er seine Premiere auf dem Albert Park Circuit gefeiert. In der siebten von 57 Runden steuerte Mayländer seinen Wagen wieder in die Box. Norris verteidigte seine Führung. Dann verbremste sich Verstappen, Piastri dankte und raste am Niederländer vorbei. Umgehend zogen die beiden McLaren davon.
Auf einmal Stallorder bei McLaren
Noch nie gewann ein Australier das Heimrennen - würde es diesmal so weit sein? Norris hatte Piastri - geboren in Melbourne - schon die Pole im letzten Moment entrissen. Nach der Stallorder gegen Ende der vergangenen Saison zugunsten des damals besser platzierten Norris, dürfen beide in dieser Saison erstmal gegeneinander fahren.
Als Piastri dann ganz nah dran war, kam die Ansage vom Kommandostand: Halte die Position. Ganz kurios wurde es ein bisschen später, Piastris Rückstand betrug nun knapp drei Sekunden. Es kam die Ansage: Ihr dürfte jetzt wieder gegeneinander fahren.
Regen auch noch mal in der Schlussphase
Der nächste Crash sorgte für die nächste Safety-Car-Phase: Verursacher war der 43 Jahre alte zweimalige Weltmeister Fernando Alonso mit seinem Aston Martin. Also schnell in die Box zum Reifenwechsel, Verstappen entschied sich als einziger aus der vorderen Gruppe für die mittelharten Slicks, alle anderen für die harten. Allerdings blieb das Safety Car so lange draußen, dass schon wieder die nächste Regenprognose reinkam. Und die hatte es in sich: Starkregen.
Kaum ausgesprochen, rutschte Piastri von der Strecke und ins Gras. Das Safety-Car war zuvor reingefahren, alle pokerten. Auf den Rängen herrschte für einen Moment entsetztes Schweigen: Ihr Lokalmatador war geschlagen. Im Rückwärtsgang kam er zwar noch mal zurück, aber ohne Chance auf den Sieg oder das Podium. Norris wechselte schnell auf Mischreifen, auf einmal führte sogar Hamilton.
Im Rutschrennen auf dem Albert Park sorgten dann Rookie Gabriel Bortoleto im Sauber und Verstappens neuer Teamkollege Liam Lawson für die nächste Safety-Car-Phase. Als das Rennen dann noch mal freigegeben wurde, kam sogar die Sonne raus. Verstappen kam noch mal an Norris ran, zum Überholen reichte es aber nicht mehr.