Das erste Fotomotiv im Olympischen Dorf war schnell gefunden. Deutschlands Handballerinnen hatten ihre Koffer kaum abgestellt, da versammelten sie sich schon für ein Erinnerungsbild um die fünf Ringe. Auf dem Fahrrad setzten die neugierigen Medaillenjäger ihre Erkundungstour durch ihr neues Zuhause fort, dann stand die Zimmerdeko auf dem Programm. Mit einer großen Deutschland-Fahne, einer bunten Lichterkette und persönlichen Bildern an der Wand versuchten Torhüterin Katharina Filter und Rechtsaußen Jenny Behrend, ihre sterile Bleibe etwas gemütlicher einzurichten.
«Man konnte alles schon mal ein bisschen aufsaugen. Wir spüren schon sehr großes Kribbeln», berichtete Filter begeistert. Behrend schwärmte von dem liebevollen Empfang. «Sie haben für uns geklatscht und Musik gespielt. Eine Stunde später haben wir dann andere Sportler empfangen.» Zum ersten Mal seit 2008 in Peking hat der Mythos Olympia die DHB-Frauen fest im Griff.
Die Gefahr ist groß, vor dem Auftaktduell mit Südkorea an diesem Donnerstag (16.00 Uhr) den Fokus aufs Wesentliche zu verlieren. Das erste Mal mit tausenden Athletinnen und Athleten im olympischen Dorf wohnen oder mit Weltstars wie Tennisprofi Rafael Nadal in der Mensa Schlangestehen - das klingt verlockend. «Wir haben dieses Thema Ablenkung seit Wochen auf dem Schirm. Wir können uns nicht abschotten, sondern müssen gucken, dass wir das positiv für uns nutzen», sagte Bundestrainer Markus Gaugisch. Sowohl für den 50-Jährigen als auch seine Spielerinnen sind es die ersten Sommerspiele überhaupt.
Die Kunst liegt darin, die hereinprasselnden Eindrücke zu filtern. Schließlich wollen die DHB-Frauen bei ihrem Olympia-Comeback nicht nur Touristinnen sein. «In der Wahrnehmung ist alles viel größer. Du bist nicht nur in der Handball-Bubble, sondern du vertrittst jetzt Team Deutschland. Das macht schon was mit dir», sagte Co-Kapitänin Alina Grijseels der Deutschen Presse-Agentur über den schwarz-rot-goldenen Nervenkitzel und stellte klar: «Wir sind nicht hergekommen, um nur dabei zu sein».
Viel Schnickschnack
Nur die jeweils besten vier Teams der beiden Sechsergruppen qualifizieren sich für die K.-o.-Phase. «Von den vier besten Teams der Welt sind drei in unserer Gruppe», sagte Führungsspielerin Emily Bölk über Dänemark, Norwegen und Schweden. Ein Erfolg gegen eine der skandinavischen Handballhochburgen ist nur an einem perfekten Tag möglich - Siege gegen Südkorea und Slowenien sind daher Pflicht.
Doch schon der Auftakt gegen die Asiatinnen wird unangenehm. Schnelle Pässe, flinke Bewegungen und kleine, quirlige Gegenspielerinnen - der südkoreanische Handballstil ist anders. «Die spielen mit viel Spielwitz und sehr trick- und variantenreich. Wir müssen hellwach sein und rechnen mit viel Schnickschnack», warnte Bölk.
Für Gaugisch ist das Gefährlichste, «dass du fast keinen kennst». Nur eine Südkoreanerin spielt in Europa. Einfache Gegner gibt es bei Olympia aber ohnehin nicht. «Ich will bei so einem Turnier mal in dieses Halbfinale rein. Diese Gier, dieses Ziel unabhängig vom Gegner zu erreichen, ist das Entscheidende», appellierte der Trainer an seine Spielerinnen.