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Tor-Rätsel: Nagelsmann sucht EM-Zündfunken

Einig mit dem Kanzler, Hoffnung auf die Königlichen. Julian Nagelsmann will das Tor-Rätsel, das den Testsieg gegen die Ukraine kostet, sofort lösen. Der EM-Countdown tickt schnell.
Julian Nagelsmann
Bundestrainer Julian Nagelsmann bleibt bis zum letzten EM-Test gegen Griechenland nur wenig Zeit. © Tom Weller/dpa

Julian Nagelsmann hatte nach dem Null-Tore-Ärgernis gegen die Ukraine so viel Gesprächsbedarf, dass sogar der Bundeskanzler kaum zu Wort kam.

«Er hat gewusst, dass ich schon so viel zur Mannschaft gelabert habe und hat gesagt, er hält sich etwas kürzer, dass es nicht zu lange dauert», berichtete Nagelsmann gewohnt locker und flockig über den Besuch von Stadion-Gast Olaf Scholz in der Kabine der Fußball-Nationalmannschaft. 

Mit der Bewertung des vorletzten Testspiels und dem unverändert optimistischen Ausblick auf die Heim-Europameisterschaft waren sich Bundestrainer und Regierungschef einig. «Er hat gesagt, dass er auch das Gefühl hatte, dass Tore fallen können und wir gewinnen wollten. Und er hat uns viel Glück gewünscht», erzählte Nagelsmann. Glück allein, das wusste der Bundestrainer wiederum, wird nicht reichen. Und soll es auch nicht. 

Tore schießen könne man schon trainieren, legte Nagelsmann als wichtige Zielvorgabe im schnell dahinfliegenden EM-Countdown fest. Mit den Königsklassen-Siegern Toni Kroos und Antonio Rüdiger als wichtigen Impulsgebern sowie den Dortmundern Nico Schlotterbeck und Niclas Füllkrug ist der Kader komplett. Der EM-Feinschliff wird im Eiltempo angegangen.

Signal gegen Griechenland

Schon bei der Turnier-Generalprobe am Freitag (20.45 Uhr/RTL) in Mönchengladbach gegen Griechenland erwartet Nagelsmann den Zündfunken, der eine Woche später zum Start gegen Schottland Mannschaft und Fans in den Turnier-Flow für einen glorreichen Fußball-Sommer bringen soll. «Wir wollen den großen Coup landen, das ist klar. Es wird aber auch bei diesem Heimturnier nicht einfach. Wir haben die richtige Atmosphäre und Stimmung in der Mannschaft», sagte Schlussmann Manuel Neuer nach seinem von dem zu lässigen Risiko-Chipball kurz vor Schluss getrübten Comeback-Spiel im DFB-Tor. 

Die Fans in Nürnberg reagierten auch ohne deutschen Treffer wohlwollend. Sie registrierten den auch von Nagelsmann hervorgehobenen Willen der DFB-Elf, den Sieg erzwingen zu wollen. Das ist nicht typisch für ein Testspiel kurz vor einem großen Turnier. «Man merkt, dass die Leute da sind, dass sie uns siegen sehen wollen», sagte Joshua Kimmich zur Nürnberger Stimmung trotz Nullnummer. Man müsse «so weitermachen und dann hoffentlich im letzten Freundschaftsspiel einen Sieg einfahren», forderte der Münchner in der ARD.

Königliche als Trumpf

Nagelsmanns Trumpf sind jetzt die Königlichen. Als wichtiger Impuls wurde nicht nur vom Bundestrainer die Ankunft der Champions-League-Sieger Kroos und Rüdiger im Basecamp in Herzogenaurach bewertet. Eine gute Portion des wundersamen Sieger-Gens von Real Madrid hätte der DFB-Elf auch gegen die Ukraine bestimmt geholfen. 

«Extrem viel», bewirke die Präsenz der Königsklassensieger, ist sich auch Pascal Groß sicher. «Sie wissen, wie man die allergrößten Titel gewinnt», sagte er. «Sie werden die Mannschaft auf ein anderes Level heben», merkte Groß als Kroos-Vertreter an. Auch wenn er selbst dadurch wieder in die Rolle des Ersatzmannes rückt. 

Nagelsmann hatte in seiner Analyse auch BVB-Angreifer Füllkrug als Torgaranten im Sinn, der bei der ungenutzten Chancen-Inflation gegen die Ukraine ein Faktor hätte sein können. Gegen die Niederlande im März hatte der Dortmunder zum 2:1 als Joker spät gestochen. Keiner hat unter Nagelsmann häufiger getroffen als Füllkrug (vier von elf Toren), der am Montag einen Tag früher als geplant angereist war und im Stadion zuschaute. 

Alles war beileibe nicht schlecht gegen die Ukraine, auch wenn die große März-Euphorie eine kleine Realitätsdelle bekam. Die gute Nachricht für Nagelsmann: Sein Rollenmodell funktioniert. Waldemar Anton und Groß vertraten Rüdiger und Kroos problemlos. Sechs Auswechslungen im Spiel sorgten für keinen Leistungsabfall. 

Streichkandidat spielt groß auf

Im Gegenteil: Maximilian Beier nutzte sein Debüt sogar für ein EM-Statement. Der junge Hoffenheimer wäre bei seinem Lattentreffer und einer weiteren guten Chance fast zum Matchwinner geworden. Als erster Streichkandidat galt Beier für den 26er-Kader. Jetzt wird Nagelsmann bis zum Fristende in der Nacht von Freitag auf Samstag grübeln, wen er aussortieren soll. «Im Moment würde es einen treffen, der es nicht verdient hat», verteilte der Bundestrainer ein Pauschallob an seinen Kader. 

Zweifel an Neuer wollte der Bundestrainer auf keinen Fall aufkommen lassen. Mit einigen guten Paraden hielt der Bayern-Schlussmann die Null. Doch dann leistete er sich diesen unnötigen Chip-Ball zum Gegner kurz vor der Mittellinie. Leichtsinn? Fehleinschätzung? Nagelsmann nahm seine Nummer eins für die EM demonstrativ in Schutz. 

Bundestrainer weiter «sehr guter Dinge»

«Wenn er den nicht holt, wenn er tiefer steht und nicht mitspielt, dann ist es ein deutlich größerer Fehler mit schwerwiegenderen Folgen», sagte der Bundestrainer zur brenzligen Situation kurz vor Schluss, die nur durch eine Abseitsposition der Ukrainer entschärft wurde. 

Die drängendere Problematik als im Tor sah Nagelsmann am anderen Ende des Spielfeldes nach 27 gezählten Tor-Möglichkeiten. Sein Ansatz: Künftig mehr Spieler in den Strafraum bringen. Die Ukraine-Erfahrungen können noch wertvoll sein, glaubt Nagelsmann. Auch die ersten EM-Gegner Schottland und Ungarn erwartet er mit einem ähnlichen kompakten System am eigenen Strafraum. «Ich bin sehr guter Dinge, dass wir diesen einen Moment noch kreieren, dass wir das Tor machen und dann noch weitere folgen lassen», sagte er.

© dpa ⁄ Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa
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