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Ter Stegen lacht als Nummer 1: Hirnschmalz und Telefonjoker

Marc-André ter Stegen hat als ewig Wartender eine der ungewöhnlichsten Karrieren in der Nationalmannschaft. Mit 32 Jahren ist er jetzt am Ziel - und für den Bundestrainer ein wichtiger WM-Faktor.
Fußball - PressekonferenzNationalmannschaft
Fußball - Training Nationalmannschaft
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Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen
Fußball - Training Nationalmannschaft
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Der Name seines ewigen und übermächtigen Rivalen rutschte Marc-André ter Stegen bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als deutsche Nummer eins nur zweimal in einem Nebensatz heraus. Ansonsten sprach der Torwart bei allem Respekt von «ihm» und «jemandem». Manuel Neuer, so die möglicherweise unbewusste Message, ist bei der Fußball-Nationalmannschaft nicht mehr das aktuelle Thema. 

Jetzt beginnt die Zeit für ter Stegen - endlich aus seiner Sicht. «Ich bin natürlich froh, dass die Zeit des Wartens oder wie man es beschreiben möchte, vorbei ist», sagte der 32-Jährige im Teamquartier in Herzogenaurach. Ter Stegen saß nach dem Training in Frankens Sonne auf dem Pressepodium, sprach gut 25 Minuten. Und spätestens dabei wurde allen Zuhörern klar, die Zeit unter dem Fußball-Radar ist für ihn vorbei. 

Da präsentierte sich einer, der sich beim FC Barcelona längst auf höchster Bühne bewiesen hat. Und der eben nur das Pech hatte, in Neuer einen Übertorwart vor sich zu haben. «Ich hatte es mit jemandem zu tun, der es in einer ganz tollen Karriere im Club und in der Nationalmannschaft immer wieder geschafft hat, sich davor zu drängen und immer gute Leistungen gezeigt hat», sagte ter Stegen. Frustration? Na klar. «Da muss man sich nichts vormachen», gestand er. 

Als Erster auf dem Trainingsplatz

Eine Sache hat sich ter Stegen von «Manu», wie er Neuer zweimal dann doch nannte, abgeschaut. Die Treppenstufen zum Trainingsplatz nimmt er als Erster, wenn es zu den Übungseinheiten am Home Ground geht. Das kopierte Signal, das auch der bis zu seinem Rücktritt über Jahre nicht zu verdrängende Neuer schon sendete, ist klar: Ich bin als Erster da. Ich bin die Nummer eins. Am Donnerstag ließ sich der 32-Jährige in der großen, späten Sommerhitze in Franken dann in langen Hosen die Bälle mit Wucht zuschießen. 

Zeit genug, sich Rituale abzuschauen, hatte ter Stegen. Mehr als zwölf Jahre oder 4487 Tage liegen zwischen seinem sportlich unglücklichen Länderspieldebüt 2012 beim 3:5 gegen die Schweiz und dem ersten Auftritt als «klare Nummer eins» (Bundestrainer Julian Nagelsmann) an diesem Samstag (20.45 Uhr/ZDF) in der Nations League in Düsseldorf gegen Ungarn. 

Ter Stegen weiß, dass seine Perspektiven auch jetzt noch gut sind. Die WM 2026 ist ein riesiger Ansporn. Doch locken auf große Titelansagen lässt er sich nicht. Für die Wunsch-Schlagzeile am 20. Juli 2026, den Tag nach dem WM-Endspiel in New York, hätte er gerne einen «Telefonjoker». Der Vorschlag «Wir sind Weltmeister» von Pressesprecherin Franziska Wülle ließ ihn dann befreit lächeln. «Da habt ihr jetzt eine Schlagzeile», fügt er lächelnd an. 

Ter Stegen wird mit seiner Erfahrung von mehreren hundert Spielen für Barça, wo nur Lionel Messi als Ausländer mehr Partien bestritt, ein wichtiger Faktor sein bei der Umstrukturierung der DFB-Elf. Entsprechend lobend fallen die Worte des Bundestrainers aus. 

«Marc ist die Nummer eins, auch verdientermaßen die Nummer eins. Er hat über mehrere Jahre hinaus seine Leistung gebracht. Er ist über mehrere Jahre bei Barcelona auch schon Kapitän und unangefochtene Nummer eins mit sehr guten Leistungen. Und er wird es auch bei uns so ausfüllen als klare Nummer eins», sagte der 37-Jährige.

Am Standing von ter Stegen gibt es auch in der Mannschaft überhaupt keine Zweifel. Torjäger Niclas Füllkrug verriet: «Marc freut sich sehr auf diese Zeit, das kann ich euch versprechen.» Das ewige Warten habe diesem viel abverlangt. Im Frust aufgegeben hat er aber nicht. Auch wenn es die Überlegungen mal gegeben habe, wie ter Stegen verriet. «Am Ende glaube ich, dass ich professionell damit umgegangen bin», sagte er. 

Bittere Sommer 2018 und 2024 

Besonders schmerzlich waren natürlich die Degradierungen vor der WM 2018 und der Heim-EM in diesem Sommer, als Neuer nach schweren Verletzungen jeweils gerade noch rechtzeitig zurückkam. «Boah, das ist wieder ein Schlag gewesen», dachte er dann. Ter Stegen steht dennoch bei 40 Länderspielen, wurde 2017 Confed-Cup-Sieger, spielte immerhin jede vierte seiner DFB-Partien zu null. 

«Ich bin mir ziemlich sicher, dass er den Job ohne Zweifel sehr gut ausführen und der Mannschaft ganz viel Qualität und auch Charakter auf dem Platz geben wird», bemerkte Füllkrug. Seit der WM 2010 stand Neuer bei den jeweils vier WM- und EM-Endrunden im DFB-Tor. «Das ist ja fast schon ein leidiges Thema irgendwann gewesen, wenn du so einen überragenden Torwart als Nummer zwei nur hast», sagte Füllkrug.

Das epochale Warten brachte ter Stegen schon Vergleiche mit dem heutigen englischen König Charles III. ein, der nach dem Tod seiner Mutter erst mit 73 Jahren den Thron bestieg. Der ewige Prinz. Jetzt ist er König. Eine weitere Parallele zum britischen Monarchen drängt sich auf. Denn wie lange die Regentschaft anhalten wird, ist keinesfalls sicher. 

«Dahinter ist schon ein Konkurrenzkampf, den ich jetzt nicht künstlich anheizen will», beschrieb Nagelsmann die Torwart-Hierarchie. Oliver Baumann (34) sei bei der TSG Hoffenheim in der Vorsaison von den statistischen Werten «einer der besten Torhüter in Europa gewesen», zog der Bundestrainer wieder einmal eine seiner erstaunlichen Datengrundlagen heran. Der 27 Jahre alte Stuttgarter Alexander Nübel wird von Nagelsmann «viel Potenzial» bescheinigt, auch wenn er «nicht mehr so jung ist, wie man meint».

Baumann, Nübel, aber auch Kevin Trapp und Bernd Leno dürfen vorerst um die zwei Kaderplätze hinter ter Stegen wetteifern. «Die Nummer eins steht fest, dahinter ist es noch ein bisschen offen», sagte Nagelsmann. Eine deutsche Torwartdebatte? Die hält ter Stegen auch für die Zeit nach seiner Laufbahn für total deplatziert. «Im Moment brauchen wir nicht viel Hirnschmalz da reinsetzen», sagte er. 

© dpa ⁄ Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa
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