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Wissing: Online-Plattformen nicht voreilig verbieten

Ein brasilianischer Bundesrichter lässt die Nachfolge-Plattform von Twitter sperren. Deutschlands Digitalminister Wissing rät dagegen bei Gesetzesverstößen zu abgestuften Reaktionen.
Demonstration in Brasilien
Die Sperrung der Online-Plattform X ist in Brasilien umstritten (Archivbild). © Allison Sales/dpa

Die Sperrung einer Online-Plattform wie die Blockade des Twitter-Nachfolgers X in Brasilien kann nach Einschätzung von Bundesdigitalministers Volker Wissing (FDP) nur das äußerste Mittel sein, um geltende Gesetze im Internet durchzusetzen. «Für mich als liberalen Politiker muss eine Sperrung oder ein Verbot einer Plattform immer die "ultima ratio" sein», sagte Wissing beim G20-Treffen der Digitalminister in Brasilien in einem Interview mit der Tageszeitung «Folha de Sao Paulo».

Nur wenn Demokratie in Gefahr

Dies gelte nur dann, wenn die ureigenen Sicherheitsinteressen des Staates bedroht seien, die Demokratie in Gefahr sei, oder die Plattform wissentlich und fortgesetzt gegen bestehendes Recht verstoße. «Es darf aber nie der Eindruck entstehen, dass der Staat unliebsame Meinungen zensiert. Deutschland setzt sich daher global für ein offenes, freies und sicheres Internet ein, das ohne staatlichen Einfluss funktioniert und in dem jeder seine Meinung sagen kann und es keine Netzsperren gibt.»

Die Entscheidung des brasilianischen Richters Alexandre de Moraes gegen X wollte der FDP-Politiker nicht direkt kommentieren. «Ich kann das Verfahren in Brasilien nicht bewerten, dazu kenne ich die Details zu wenig», sagte Wissing der größten Tageszeitung Brasiliens. Moraes hatte am 30. August die Stilllegung von X in dem Land angeordnet. Er wirft dem Twitter-Nachfolgedienst vor, nicht entschlossen genug gegen die Verbreitung von Hassrede und Fake News vorzugehen. X-Eigentümer Elon Musk, der selbst Positionen der politischen Rechten vertritt, versteht sich als Verteidiger der freien Rede und wirft Moraes Zensur vor. 

Der Richter hatte von X die Sperrung von Konten rechtsgerichteter Aktivisten verlangt, die Verschwörungstheorien und Falschinformationen verbreiteten. Musk bezeichnete dies als gesetzwidrig, die US-Plattform kam der Aufforderung nicht nach - und zahlte auch die verhängte Geldstrafe nicht. Zudem ließ der Milliardär eine Frist zur Benennung eines gesetzlichen X-Vertreters in Brasilien verstreichen.

«Differenzierter Ansatz» in Europa

Wissing sagte, in Europa verfolge man einen «differenzierten Ansatz». Der Digital Services Act verpflichtete Plattformen, risikomindernde Maßnahmen gegen Falschinformation, Hass und Hetze zu ergreifen. «Nutzer müssen die Möglichkeit haben, Inhalte zu melden, und illegale Inhalte müssen gelöscht werden. Bei wiederholten Verstößen drohen sehr hohe Geldstrafen von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes.» Bei Verstößen leitete die EU-Kommission formelle Verfahren ein. «Wir sehen in ersten Fällen wie bei TikTok, dass dieses Instrument Wirkung zeigt. Es gibt immer wieder Politiker, die ein Verbot fordern. Ich finde, mit solchen Forderungen muss man sehr vorsichtig umgehen.»

Wissing nimmt am Treffen der G20-Minister für Digitales in Maceió, der Hauptstadt des Bundesstaates Alagoas im Nordosten Brasiliens, teil. Eines der Themen, die bei dem Treffen in Maceió erörtert werden sollen, sind Desinformationen in sozialen Netzwerke.

© dpa
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