Cyberkriminalität, Fake News und Unmengen an Daten: Das digitale Zeitalter stellt die Polizei vor neue Herausforderungen, aber auch vor neue Möglichkeiten. Denn moderne Technologien wie KI können eine große Hilfe sein – vor allem bei der Strafverfolgung im Internet. Wir zeigen Dir die Chancen und Grenzen von KI bei der Polizei.
Algorithmen gegen Hatespeech
In den vergangenen Jahren hat die Polizei mit immer mehr Straftaten in der digitalen Welt zu kämpfen. Dazu gehören Hasskommentare, Beleidigungen, Bedrohungen oder diskreditierende Falschmeldungen. Beim Aufspüren kritischer Inhalte kann KI die Polizei unterstützen. Ein Team der Hochschule Darmstadt arbeitet an einem System, das digitale Medien wie Blogs, Foren und soziale Netzwerke auf verdächtige Postings untersucht. Das Forschungsprojekt DeTox („Detektion von Toxizität und Aggressionen in Postings und Kommentaren im Netz“) soll ein KI-Modell hervorbringen, das Hate Speech und Fake News automatisch erkennt, klassifiziert und gegebenenfalls löscht. Von einem solchen Modell könnte künftig auch die Polizei profitieren.
Bislang kannst Du Hatespeech online an zentrale Meldestellen übermitteln. Wenn die schiere Anzahl dieser Meldungen die Kapazitäten der Sachbearbeiter:innen übersteigt, könnte ein KI-System die automatisierte Erstprüfung der gemeldeten Fälle übernehmen, diese kategorisieren und an die zuständige Fachstelle weiterleiten. Die schlussendliche Einschätzung würde weiterhin beim Polizeipersonal liegen.
Virtuelle Assistenten in den Leitstellen und bei der digitalen Beweisführung
Der IT-Dienstleisters CGI hat weitere Ideen, wie KI die Polizei unterstützen kann. Christof Krameyer, Vice President Consulting Experte, sieht zum Beispiel bei Polizeileitstellen ein Einsatzszenario. Wenn in Ausnahmesituationen wie Umweltkatastrophen innerhalb kürzester Zeit übermäßig viele Notrufe eingehen, könnten nicht immer alle Anrufe sofort bearbeitet werden. Damit Hilfesuchende keine wertvolle Zeit in Warteschleifen verlieren, könnten Sprachbots Erstinformationen aufnehmen und Sachverhalte einordnen. Durch eine Speech-to-Text-Komponente ließen sich die wichtigsten Informationen in einem Einsatzformular erfassen und strukturiert an eine:n Disponent:in weiterleiten.
Potenzial von virtuellen Assistenten sieht Krameyer auch in der Beweisführung bei Cyberkriminalität. Chatbots könnten Beamt:innen Schritt für Schritt anleiten, wie sie zum Beispiel Hatespeech-Inhalte auf der jeweiligen Plattform für eine gerichtsfeste Dokumentation sichern. Zu ähnlichen Zwecken nutzt die Polizei in Niedersachsen bereits den digitalen Assistenten Mr. Know.
Tatort Internet: Mit KI auf den Spuren von Cyberkriminalität
Personalmangel ist an vielen Stellen der Polizeiarbeit ein Problem – etwa, wenn es darum geht, große Mengen sichergestellter Daten zu sichten und auszuwerten. Sehr viel Engagement bringen Ermittler:innen unter anderem dafür auf, die Verbreitung von Kinderpornografie zu bekämpfen. Das LKA in Niedersachsen hat speziell für diesen Bereich ein Bilderkennungsprogramm entwickelt: KI-Algorithmen scannen beschlagnahmte Fotos und sortieren verdächtiges Bildmaterial aus, um Beamt:innen ein bisschen Arbeit abzunehmen.
Cybercrime hat noch viele andere Gesichter: Neben Hasskommentaren, Identitäts- und Datendiebstahl oder Betrug nehmen auch Hackerangriffe zu. Um diesen Bedrohungen Herr zu werden, hat die Polizei Nordrhein-Westfalen die Interventionsteams Digitale Tatorte aufgebaut. Diese ermitteln gemeinsam mit KI-Expert:innen bei Angriffen auf IT-Systeme von Krankenhäusern, Behörden und großen Unternehmen.
Mit Virtual Reality vom Gerichtssaal an den Tatort
Auch bei der Strafverfolgung außerhalb des Internets probiert die Polizei neue Wege aus. KI-gestützte Analysetools können zum Beispiel bei der Rekonstruktion von Tatorten behilflich sein. Bei einem Prozess am Landgericht Kaiserslautern im vergangenen Jahr nutzte der vorsitzende Richter erstmals eine VR-Brille im Gerichtssaal, mit der er den Tatort virtuell begehen konnte. Zwar ist nicht neu, dass Tatorte am Computer in 3D nachgestellt werden, um Abläufe und Distanzen nachvollziehbar zu machen. Sehr viel detaillierter und besser war das Ergebnis jedoch, weil Fotos, Videomaterial und Drohnenaufnahmen von einem KI-Programm verarbeitet und zusammengefügt wurden.
KI bei der Polizei: Ein Spagat zwischen Strafverfolgung und Datenschutz
In vielen Fällen hinterlassen Menschen auch bei Drogendelikten, Raubüberfällen oder Gewalttaten digitale Spuren. Chatnachrichten, Fotos und Videos von sichergestellten Festplatten, Laptops und Handys können wertvolle Beweise liefern. Auch bei diesen Ermittlungen können große Datenmengen anfallen, die mit KI schneller analysiert werden können. Um wichtige und womöglich versteckte Hinweise herauszufiltern, arbeitet die Polizei in Rheinland-Pfalz seit 2020 mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) zusammen. Achim Füssel, Vizepräsident des LKA Rheinland-Pfalz, räumt in einem Bericht des SWR ein, dass KI den Arbeitsalltag von Kriminalist:innen erleichtern könne. Ihr Einsatz sei aber auch „ein Spagat zwischen persönlichem Datenschutz und Aufklärung von Straftaten“.
Schutz von Grundrechten: Automatische Datenanalyse hat rechtliche Grenzen
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Fahndung und Abwehr von Gefahren wird von Datenschützer:innen schon länger kritisiert, insbesondere wenn es um die Erkennung personenbezogener Merkmale und die automatische Auswertung von Polizeidaten geht. Für dieses Vorgehen hat das Bundesverfassungsgericht jedoch Mitte Februar 2023 strenge Kriterien formuliert. Denn wenn Ermittelnde mithilfe lernfähiger Systeme Kriminelle verfolgen, könne das tatsächlich Grundrechte verletzen und sei damit verfassungswidrig, so die Karlsruher Richter. Das Urteil sei kein Veto gegen die Technologie an sich. Der Einsatz müsse aber rechtsstaatlich geprüft sein, fasst die Süddeutsche Zeitung zusammen.
Auch in anderen Behörden wird Künstliche Intelligenz bereits eingesetzt. Wie KI in der öffentlichen Verwaltung bürokratische Angelegenheiten vereinfachen kann, liest Du in diesem Artikel.
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