Mehrere Mpox-Ausbrüche in Afrika und eine neue womöglich gefährliche Variante bedrohen die öffentliche Gesundheit weltweit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat deshalb die höchste Alarmstufe ausgerufen. Sie erklärte eine «Gesundheitliche Notlage internationaler Reichweite» (PHEIC).
Konkrete Folgen hat dies nicht. Die WHO will damit zum einen Behörden in aller Welt zu erhöhter Wachsamkeit bringen. Sie hofft zudem auf mehr finanzielle Unterstützung von Eindämmungsmaßnahmen in Afrika. Die Abkürzung PHEIC steht für «public health emergency of international concern». Ein Charité-Infektiologe sieht Deutschland gut gewappnet gegen die neue Virenvariante, mahnt aber zur Achtsamkeit.
Neue Variante womöglich ansteckender
Besondere Sorge bereitet der WHO die neue Variante, die Ende 2023 in der Demokratischen Republik Kongo entdeckt worden ist. Es handelt sich um eine Sublinie der Mpox-Klade I (römisch eins). Sie wird als Ib bezeichnet.
Nach Beobachtung von Experten vor Ort dürfte sie ansteckender sein als bisherige Varianten und eine schwerere Infektion auslösen, sagte Dimie Ogoina, ein nigerianischer Spezialist für Infektionskrankheiten an der Niger Delta-Universität. Er leitete den WHO-Notfallausschuss unabhängiger Experten, die der WHO die Ausrufung der Notlage empfohlen haben.
EU-Behörde sieht wenig Risiko in Europa
Die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC hat das Risiko einer Ausbreitung der neuen Variante in Europa Ende Juli als «sehr gering» eingeschätzt. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) gibt es bislang keine bekannten Fälle der Klade I.
«Mpox ist nicht so leicht übertragbar», sagte Virenforscherin Marion Koopmans von der Erasmus-Universität Rotterdam. «Es wird durch direkten Kontakt verbreitet und ist daher – theoretisch – relativ leicht zu stoppen, wenn es diagnostiziert und erkannt wird.»
Die Ib-Variante breitet sich unter anderem durch Sexualkontakte aus, so Ogoina. In der Demokratischen Republik Kongo seien aber auch vor allem kleine Kinder infiziert, die einen Großteil der Todesfälle ausmachten.
Infektiologe: keine unmittelbare Gefahr für Deutschland
Für Menschen in Deutschland besteht nach Ansicht des Infektiologen Leif Erik Sander zunächst keine unmittelbare Gefahr. «Wir brauchen momentan ganz sicher keine flächendeckende Impfung für eine Erkrankung, die jetzt primär Menschen in unterprivilegierten Gegenden von Afrika betrifft», sagte der Charité-Experte der Deutschen Presse-Agentur. «Ich glaube nicht, dass eine Eintragung nach Europa jetzt unmittelbar bevorsteht, aber es ist natürlich total realistisch, dass das bei einer weiteren Ausweitung des Infektionsgeschehens passieren kann», sagte Sander.
Konkret Sorgen machen, müsse man sich derzeit aber nicht. Trotzdem sei es wichtig, ein Bewusstsein für die Krankheit und ihre Gefahren zu schaffen. Menschen sollten weiter wachsam sein und sich bei Symptomen testen lassen.
Mehr als 14.000 Verdachtsfälle nur Spitze des Eisbergs?
Es wurden in diesem Jahr schon mehr als 14.000 Mpox-Verdachtsfälle und mehr als 500 Todesfälle aus der Demokratischen Republik Kongo und anderen Ländern gemeldet - mehr als im gesamten vergangenen Jahr. Ogoina warnte, das sei womöglich nur die Spitze des Eisbergs, weil nicht genügend getestet werde und nicht alle Infizierten zu Ärzten gingen.
Mpox hießen früher Affenpocken, weil sie zufällig erstmals bei Affen nachgewiesen worden waren. Generell will die WHO Krankheiten aber nicht nach Tieren oder Ländern benennen, in denen sie entdeckt werden, um Diskriminierungen vorzubeugen.
Das Virus ist mit dem klassischen Pockenvirus verwandt. Es löst vor allem Hautausschlag aus, aber auch Fieber und Muskelschmerzen. Es gibt zwei Impfstoffe, aber bei weitem nicht genügend Dosen, vor allem nicht in Afrika.
Wer hat Impfstoff?
Tim Nguyen von der WHO sagte, es stünden 500.000 Impfdosen vom MVA-BN-Impfstoff zum Kauf bereit. Weitere 2,4 Millionen könnten bis Ende des Jahres produziert werden, wenn es feste Aufträge gebe. Die WHO appellierte an Geberländer, dafür Geld bereitzustellen. Sie bat Länder mit Lagerbeständen auch darum, Impfdosen abzugeben. Der zweite Impfstoff LC16 werde in Japan hergestellt. Die EU hat bereits angekündigt, gut 175.000 Dosen des MVA-BN-Impfstoffs zur Verfügung zu stellen. Der Hersteller, das Pharmaunternehmen Bavarian Nordic, wollte 40.000 Dosen spenden.
Wie die Welt die Ausbrüche 2022 meisterte
Die WHO hatte bereits im Juli 2022 einmal eine Notlage wegen Mpox ausgerufen. Damals wurden plötzlich aus mehr als 60 Ländern Fälle der Krankheit, die bis dahin praktisch nur in Afrika bekannt war, gemeldet, darunter auch Deutschland. Die Ansteckungen gingen auf Klade II zurück. Im Mai 2023 hatte die WHO die Notlage wieder aufgehoben, weil das Infektionsgeschehen in den meisten Ländern unter Kontrolle gebracht worden war.