Im Kampf gegen die zunehmende Bürokratie sollen Kommunen mehr Möglichkeiten bekommen, auf eigene Verantwortung von Regeln abzuweichen und spezielle Lösungen für ihre lokalen Probleme zu entwickeln. Es sei geplant, den Städten, Gemeinden und Landkreisen gestalterische Spielräume zu geben, kündigte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) im Landtag an. Kommunen sollten Aufgaben passgenauer erledigen und Bürokratie abbauen können.
Mit dem Gesetzesvorhaben greift das Innenministerium einen Vorschlag der Kommunalverbände auf. Auf Antrag einer Kommune sollten Abweichungen von Rechtsvorschriften des Landes zugelassen werden, sofern das Innenministerium zustimmt. Ziel sei es, das Gesetz gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen auf den Weg zu bringen, sagte Strobl.
Was sich bewährt, soll landesweit eingeführt werden
«Vor Ort kann und soll getestet werden, ob Verwaltungsverfahren beschleunigt, vereinfacht und kostengünstiger für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Verwaltungen gestaltet werden können», sagte Strobl. Seien die Änderungen erfolgreich, könnten sie auch landesweit und dauerhaft gelten. «Auf diese Weise können wir die Sachkompetenz auf kommunaler Ebene für den Bürokratieabbau aktiv nutzen», sagte Strobl.
Ein Antrag dürfe nur abgelehnt werden, wenn die Aufgabe nicht sicher erfüllt werden könne, wenn Leib oder Leben von Menschen dadurch gefährdet würden oder bestimmte andere Rechte wie das Bundesrecht dem widersprächen.
Das - sperrig formuliert - «Kommunale Regelungs-Befreiungsgesetz» soll bis zum 31. Dezember 2031 befristet sein. Die einzelnen Erprobungen sind nach Angaben Strobls auf höchstens vier Jahre angelegt.
Bürokratie belastet die Kommunen seit Jahren
Die überbordende Bürokratie ist Land und Kommunen, aber vor allem auch den Unternehmen seit Jahren ein Dorn im Auge. Bereits im Oktober 2022 hatten acht Verbände einen Brandbrief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geschickt und von «lähmender Behäbigkeit» und einem «empfundenen Stillstand» gesprochen. Der Grünen-Politiker erklärte daraufhin den Bürokratieabbau zur Chefsache und zu seiner großen Aufgabe für seine noch verbleibende Regierungszeit.
In einer sogenannten Entlastungsallianz sind seither unter anderem in mehreren Wellen Vorschläge erarbeitet worden, wie Bürokratie im Land abgebaut werden kann. Allerdings hatten sich Verbände alles andere als zufrieden gezeigt. Die Ergebnisse der Entlastungsallianz, in der die Verbände auch Partner sind, reichten nicht aus.
Das neue Gesetz geht auf einen Vorschlag der Verbände zurück. Sie hatten zuletzt zahlreiche Vorschläge gemacht, bei denen sie besondere Dringlichkeit sehen. Darin enthalten war auch das Standarderprobungsgesetz, das das Aufweichen von Standards wie im bereits geltenden Erprobungsparagrafen für Kitas ermöglichen könnte.
Städte und Gemeinden sind offen für Idee
Diese Erprobungsparagraf sei nun die Blaupause für das breiter angelegte Gesetz, sagte Ralf Broß, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Städtetag Baden-Württemberg. Es sei wichtig, dass die Städte flexibler auf lokale Herausforderungen reagieren könnten. «Allerdings muss das Gesetz sicherstellen, dass auch die Hürden für die Entwicklung vor Ort angepasster Modelle der Aufgabenerfüllung niedrig bleiben», forderte er.
Auch der baden-württembergische Gemeindetag zeigte sich offen. «Das Vorhaben kann einen Beitrag zur Flexibilisierung kommunalen Handelns leisten und der Stärkung der Subsidiarität dienen», teilte der Kommunalverband mit.
Für den Landkreistag sagte dessen Hauptgeschäftsführer Alexis von Komorowski, ein solches Gesetz biete Chancen, die kommunale Verwaltungsebene sozusagen von unten nach oben von überflüssigen Bürokratismen und entbehrlichen Verfahren zu befreien. «Zugleich bleibt festzuhalten, dass eine echte Aufgaben- und Standardbereinigung nur vom Gesetzgeber geleistet werden kann und muss», betonte er.