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Rechnungshof: Trotz Rekordeinnahmen viele Kommunen defizitär

Hessens Gemeinden sind finanziell weniger auf Rosen gebettet als früher. Der Rechnungshof sieht Strukturprobleme und «liebgewonnene Standards». Im Kampf gegen Fachkräftemangel hat er einen Vorschlag.
Hessischer Rechnungshof
Der Hessische Rechnungshof hat erneut die Finanzsituation der Kommunen im Land unter die Lupe genommen (Archivbild). © Boris Roessler/dpa

Die meisten der 443 hessischen Kommunen sind defizitär - trotz Rekordeinnahmen. Wie der Landesrechnungshof bei der Vorstellung seines Kommunalberichts 2024 in Wiesbaden mitteilte, verengen sich die finanziellen Spielräume der Gemeinden immer mehr. Zugleich leiden sie unter dem «fortschreitenden Fachkräftemangel». Als eine Lösung schlug der Hessische Rechnungshof mehr Zusammenarbeit auch von nicht benachbarten Kommunen vor - über digitale Kommunikationswege. Dies könne zum Beispiel beim Finanzmanagement effektiv sein.

Nachdem die Gemeinden im Land «das Jahr 2022 insgesamt noch mit einem 
Finanzierungsüberschuss in Höhe von 41 Millionen Euro abgeschlossen hatten, hat sich 
der Finanzierungssaldo im Jahr 2023 über alle Kommunen hinweg auf minus 694 Millionen 
Euro verschlechtert», erläuterte der Rechnungshof mit Sitz in Darmstadt. «Dies ist das schlechteste Ergebnis seit 2013.» 

Trendwende 

Seit 2015 habe es jedes Jahr mehr Kommunen mit Überschüssen als solche mit Defiziten beim Finanzierungssaldo gegeben. «Dies hat sich im letzten Jahr geändert. Im Jahr 2023 konnte nur noch weniger als die Hälfte der hessischen Kommunen (44,5 Prozent) einen Finanzierungsüberschuss aufweisen», hieß es weiter. 

Rechnungshofpräsident Walter Wallmann betonte: «2023 erzielten nur noch 197 der 443 hessischen Kommunen einen Überschuss.» Das sei auch ein strukturelles Problem: «Hier wirken sich sowohl die aktuelle Gesamtsituation in Deutschland als auch die in der Vergangenheit gesetzten und liebgewonnenen Standards aus.» Damit bezog Wallmann sich auf die Rezession in der Republik und auf kommunale Ausstattungen wie etwa Schwimmbäder mit hohen laufenden Kosten.

Eisberg

Die Schulden der kommunalen Kernhaushalte stiegen laut Rechnungshof 2023 im Vergleich zu 2022 um 691 Millionen auf 15,2 Milliarden Euro. In ausgelagerten Bereichen der Gemeinden gab es im vergangenen Jahr 40,5 Milliarden Euro weitere Schulden. Insgesamt betrugen diese also fast 56 Milliarden Euro. Hinzu kamen «Eventualverbindlichkeiten» wie aus Bürgschaften und kreditähnlichen Rechtsgeschäften von 4,2 Milliarden Euro. «Wie bei einem Eisberg sind die größten Teile der kommunalen Schulden auf den ersten Blick gar nicht sichtbar», hieß es.

Insgesamt gebe es kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem: «Die Einnahmen der hessischen Kommunen sind in den letzten zehn Jahren konstant 
gestiegen und haben sich in diesem Zeitraum nahezu verdoppelt. Im letzten Jahr
betrugen sie insgesamt über 31 Milliarden Euro.» Allerdings halfen hier auch die Einnahmen der Gewerbesteuer, die sehr schwanken können.

Mehr Ausgaben

Zugleich stiegen die kommunalen Ausgaben noch stärker als die Einnahmen. Sie erhöhten sich von 28,1 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf 32,1 Milliarden Euro 2023. Die drei größten Posten waren das Personal mit 8,5 Milliarden Euro, die laufenden 
Sachausgaben mit 8,1 Milliarden und Sozialleistungen mit 7,5 Milliarden Euro. 
«Insgesamt hatte Hessen mit rund 5.000 Euro bei den Ausgaben den zweithöchsten Pro-Kopf-Wert im Vergleich aller Flächenländer», erklärte die Kontrollbehörde.

Zugleich kritisierte sie eine ausufernde Bürokratie bei Förderungen. Poppenhausen im Kreis Fulda etwa sollte laut Schlussrechnung 201.708,36 Euro für die Erneuerung von Wegen bekommen. Infolge einer softwarebedingten Rundungsdifferenz von fünf Cent musste die Rechnung korrigiert werden. Arbeitsaufwand nach Schätzung der Kommune alleine in ihrer Verwaltung: circa 1.000 Euro. Für den Bau einer Blockhütte beantragte Poppenhausen zudem Geld für Tische und Sitzbänke. Bewilligt wurden zwar Mittel für Bänke - nicht aber für Tische.

«Bürgerservice 24/7»

Die Kontrollbehörde nannte auch positive Beispiele, beispielsweise das Projekt «Bürgerservice 24/7» in Nidderau im Main-Kinzig-Kreis. Terminals im Stadtgebiet ermöglichen es rund um die Uhr, etwa Führungszeugnisse oder Meldebescheinigungen zu beantragen. An einer Station vor dem Rathaus können sogar angeforderte Dokumente abgeholt werden. 

Der Rechnungshof nahm zudem kommunale Krankenhäuser unter die Lupe - elf Jahre nach seinem ersten Klinikbericht. Die damals schon angespannte wirtschaftliche Situation habe sich zur Krisenlage weiterentwickelt: «Die Defizite und die Verschuldung steigen weiter an.» Zur 2013 empfohlenen engeren Abstimmung von Kliniken vor allem im Ballungsraum sei es nur ansatzweise gekommen. «Das Kirchturmdenken hält weiter an», kritisierte Wallmann. Bei befolgten Empfehlungen des Jahres 2013 hätten die kommunalen Krankenhäuser in Hessen bis heute schätzungsweise eine Milliarde Euro sparen können.

Rückenwind

Der Hessische Städte- und Gemeindebund sprach mit Blick auf die Prüfungsergebnisse des Rechnungshofs von «Rückenwind für die Forderung der Kommunen nach einer ihren Aufgaben entsprechenden Finanzausstattung. Denn anders als Private haben Kommunen ihre Aufgaben ganz überwiegend aufgrund gesetzlicher Vorgaben des Landes und des Bundes zu erfüllen.» Dazu zählten auch Vorgaben für «nicht 
erfüllbare Personalstandards» bei Kitas.

© dpa
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