Der von Gewerkschaften geplante unbefristete Kita-Streik in Berlin für bessere Arbeitsbedingungen der Beschäftigten bleibt verboten. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden und damit eine Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Damit dürfen die in den gut 280 kommunalen Kitas beschäftigten Erzieherinnen und Erzieher die Arbeit nicht wie geplant niederlegen.
Aus Sicht des Gerichts wäre ein unbefristeter Streik ein Verstoß gegen die geltende sogenannte Friedenspflicht, wie die Vorsitzende Richterin Birgitt Pechstein zur Begründung sagte. Als wesentlichen Grund führte sie an, dass bei Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) im Dezember 2023 bereits über Regelungen gesprochen worden sei zur Entlastung von Erzieherinnen und Erziehern.
Der Arbeitgeberverband führt gemeinsame Tarifverhandlungen für alle Bundesländer außer Hessen. Zwar habe die Gewerkschaft nur einen Teil ihrer Forderungen durchbringen können, so die Richterin. Da aber über das Gesamtpaket verhandelt worden sei und zwei aktuelle Streikforderungen - Regenerationstage und Vorbereitungszeit - enthalten seien, gelte die Friedenspflicht.
Erste Instanz urteilte ähnlich
Das Landesarbeitsgericht schloss sich damit im Eilverfahren der Einschätzung aus erster Instanz an. Das Arbeitsgericht hatte vor zwei Wochen einem Antrag des Landes Berlin stattgegeben. Die Gewerkschaft Verdi hatte dagegen Berufung eingelegt. Aktuell ist damit kein Streik möglich, weil es nach Gerichtsangaben keine weiteren Rechtsmittel gibt.
Das Land Berlin hatte in dem Berufungsverfahren auch versucht, Verdi in dem Kita-Streit generell Streiks gegen den kommunalen Arbeitgeber zu untersagen. Diesem Ansinnen ist das Gericht nicht gefolgt.
Streiks zur Durchsetzung von Tarifverhandlungen mit dem Land über Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher seien nicht grundsätzlich unzulässig, betonte das Gericht. Das Risiko des Landes, dadurch aus der Tarifgemeinschaft ausgeschlossen zu werden, sei nicht stärker zu berücksichtigen als das Grundrecht der Gewerkschaft auf Arbeitskampfmaßnahmen.
Tränen im Gerichtssaal
Zahlreiche Kita-Beschäftigte verfolgten die Urteilsbegründung vor Ort und reagierten wie die Gewerkschaft Verdi mit großer Enttäuschung, eine Frau brach sogar in Tränen aus. «Wir halten das Urteil für eine Fehlentscheidung», sagte Verdi-Sprecher Kalle Kunkel. Ein Streik könne nun erst einmal nicht stattfinden. «Wir werden uns das Urteil ganz genau ansehen», so Kunkel weiter.
Aus Sicht Verdis wurde die Friedenspflicht nicht verletzt. «Gerade angesichts der massiven Grundrechtseinschränkung, die dieses Urteil in einem einstweiligen Verfügungsverfahren bedeutet, haben wir heute mit einer anderen Entscheidung gerechnet», so der Gewerkschaftssprecher.
Die GEW erklärte, der Senat dürfe sich auf dem Urteil nicht ausruhen. «Die Probleme in den Kitas sind durch dieses Urteil nicht gelöst. Im Gegenteil: Wir brauchen spürbare Verbesserungen in den Kitas, sonst wird langfristig viel Personal verloren gehen», mahnte die GEW Landesvorsitzende Martina Regulin.
Senatoren zeigen sich dialogbereit
Bildungs- und Familiensenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) erklärte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, sie begrüße das Urteil, das den von Verdi geplanten sogenannten Erzwingungsstreik erneut untersagt habe. «Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für die Familien in Berlin, die auf verlässliche Betreuung angewiesen sind.»
Gleichzeitig bot die Senatorin den Gewerkschaften «konstruktive Gespräche» an. «Ich bleibe offen für den Dialog und möchte gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungen finden, die den Interessen der Beschäftigten gerecht werden und gleichzeitig die Bedürfnisse der Kinder und Familien nicht vernachlässigen.»
Ähnlich äußerte sich Finanzsenator Stefan Evers (CDU). «Ein Dauerstreik auf dem Rücken der Kinder und Eltern ist gestoppt. Ich hoffe, dass die Gewerkschaftsvertreter nun zu Maß und Mitte zurückfinden», erklärte er. «Die Türen für konstruktive Gespräche über realistische Wege zur Entlastung von Kita-Beschäftigten stehen weiter offen. Es bleibt dem Senat ein wichtiges Anliegen, die Situation für die Beschäftigten in den Kita-Eigenbetrieben im Rahmen des Machbaren weiter zu verbessern.»
Gewerkschaften fordern Entlastung der Beschäftigten
Die Gewerkschaften Verdi und GEW fordern schon länger einen Tarifvertrag oder andere Vereinbarungen für bessere Arbeitsbedingungen, kleinere Kita-Gruppen und andere Entlastungen der Beschäftigten. Beide wollten mit dem unbefristeten Streik den Druck auf den Senat erhöhen. Gewerkschaftsmitglieder hatten sich in einer Urabstimmung für ein solches Vorgehen ausgesprochen.
Der Senat hat die geforderten Tarifverhandlungen mehrfach abgelehnt und auf die Mitgliedschaft Berlins in der TdL hingewiesen. Berlin könne über tarifrechtliche Vereinbarungen nicht alleine entscheiden. Andernfalls drohe ein Rauswurf aus dem Verband. Gespräche zwischen Senat und Gewerkschaften hatten in den vergangenen Wochen keine Ergebnisse gebracht.
Streik hätte 32.000 Kinder betroffen
Der Streik hätte in jedem Fall nur einen Teil der rund 2.900 Kitas in Berlin betroffen. Nicht ganz ein Zehntel davon gehört zu den sogenannten kommunalen Eigenbetrieben, in denen laut Bildungsverwaltung 32.000 Kinder betreut werden. Dort sind rund 7.000 Erzieherinnen und Erzieher sowie weitere Beschäftigte angestellt. Die übrigen Einrichtungen werden von freien Trägern betrieben, die nicht bestreikt werden sollten.