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Wo Cook sich fürchtete: Mini-Cruise durch den Doubtful Sound

Der Milford Sound in Neuseelands Süden ist Ziel von Mega-Kreuzfahrtschiffen - nicht so der ebenso schöne Doubtful Sound. Hier geht man auf Mini-Kreuzfahrt und wagt mehr als ein großer Entdecker.
Kayakfahrer im Crooked Arm
Touristen beobachten mit Feldstechern den Hall Arm
Kapitän Blake Reid
Naturguide Divyesh Parmarm
Kayakfahrer im Crooked Arm
Blick auf die Nee Islets an der Mündung des Doubtful Sounds
Blick auf den First Arm
Erste Sonnenstrahlen über der Snug Cove
Urwaldhänge im Hall Arm
Ausblick am Morgen auf das Wasser und die Berge
Mini-Kreuzfahrt in Neuseelands Fjorden

Es ist nicht leicht, am Ende der Welt Muße zu finden. Gerade hat man sich zum Frühstück gesetzt, als über Lautsprecher eine Stimme knarzt: «Kommt alle zum Bug. Hier seht ihr etwas, was ihr das ganze Leben nicht mehr sehen werdet.»

Die Mitreisenden greifen sich Smartphones und Kameras, hasten zur Spitze des Schiffs und stieren auf den weißen Punkt im felsigen Ufer. Es ist ein Dickschnabelpinguin. Der Kapitän steuert das Boot dichter heran, kurz sieht man über dem Auge die blassgelben Federn wie buschige Augenbrauen. Dann dreht uns der seltene Pinguin seinen Rücken zu.

Die Natur kann abweisend sein hier im äußersten Südwesten Neuseelands. Im Fiordland National Park regnet es 200 Tage im Jahr, die durchschnittlich sieben Meter Niederschlag sind fast zehnmal so viel wie in Deutschland. Dazu toben oft Stürme, die Roaring Forties.

Die meisten Urlauber wagen nur eine Stippvisite. Mit dem Auto oder Bus fahren sie zum weltberühmten Milford Sound, gehen für ein paar Stunden an Bord eines Ausflugsboots und kehren wieder zurück.

Wer aber die Schönheit des Gegenstücks der norwegischen Fjordlandschaft auf der Südhalbkugel in Ruhe genießen will, hat andere Optionen: zum Beispiel eine Mini-Kreuzfahrt im Doubtful Sound – mit Übernachtung an Bord.

Perlenkette von zwölf Fjorden

Schon die langwierige Anfahrt hält die Massen fern: Per Bus geht es nach Manapouri, per Boot über den gleichnamigen Stausee und mit einem weiteren Bus über einen Bergsattel zum Hafen von Deep Cove, wo die «Fiordland Navigator» liegt.

Das Schiff, mit Kojen für maximal 52 Passagiere geradezu eine Nussschale gegenüber den Kreuzfahrtriesen der großen Reedereien, lief 2001 vom Stapel und «soll viel älter aussehen, als es ist», sagt der Kapitän Blake Reid, 40 Jahre alt. Deshalb die drei Masten.

Während die Gäste ihr Gepäck in den Kojen verstauen, legt die äußerlich im Stil einer traditionellen Schaluppe gehaltene «Fiordland Navigator» ab und tuckert in den Fjord hinein. Bald kommen zur Linken die Browne Falls in Sicht, einer der wenigen dauerhaften Wasserfälle der Gegend. Die meisten anderen entstehen spontan nach Regengüssen, sagt der Naturguide Divyesh Parmarm.

Weil das Wasser auf den steilen Flanken aus hartem Fels nicht versickern kann, stürzt es in hunderten Kaskaden talwärts. Heute aber strahlt die Sonne, nur ein paar zarte Wölkchen stehen am Himmel.

In der Perlenkette der zwölf Fjorde im Südwesten der neuseeländischen Südinsel ist der Doubtful Sound der zweitgrößte und mit 437 Metern der tiefste. Allein der Crooked Arm, in den das Schiff bald links abbiegt, ist größer als der gesamte Milford Sound.

Dunkles Meer und Baumlawinen

Das Programm ist straff durchgetaktet. Gerade gab es noch Scones mit Sahne und Konfitüre, nun soll man schon in Badehose und Flipflops zum Heck watscheln, wo quietschgelbe Kajaks, Paddel und Schwimmwesten ausgegeben werden. Selbst bei Dauerregen würde das Paddeln angeboten, sagt der Animateur, nur bei starkem Wind sei es zu gefährlich.

An diesem Tag ist das vom Tannin der Bäume dunkelbraun gefärbte Meer glatt wie ein Tischtuch. Die meisten Urlauber entscheiden sich dennoch für die bequemere Option, eine Rundfahrt im Beiboot. Während sie eng nebeneinander hocken, dürfen die Aktiveren frei entlang des Ufers paddeln.

Der Regenwald hier wurde nie abgeholzt. Ungestört von jeglichem Motorlärm hört man Vögel zwitschern, über den Wipfeln der silbernen Scheinbuchen kreisen zwei Maorifalken, eine nur in Neuseeland vorkommende Art.

In den Steilwänden verflechten die Bäume ihre flachen Wurzeln, um sich gegenseitig Halt zu geben, erklärt Parmarm - «als würden sie Händchen halten.» Das Problem: Fällt einer im Sturm oder Starkregen, reißt er die anderen in die Tiefe. Baumlawinen heißt dieses Phänomen, ihre Schneisen sieht man überall.

Kaum ist man aus dem Kajak gestiegen, schon wartet der nächste Programmpunkt: ins Meer springen. Wer arktische Kälte erwartet, ist überrascht; einige aus dem Team Kajak rennen gleich mehrmals die Treppe zur Reling hinauf, um ins tiefe Braun zu hüpfen. «Irgendjemand springt immer rein», sagt Parmarm, «selbst bei Hagel.»

Namensgeber James Cook

Für den reibungslosen Ablauf passt Kapitän Reid die Route täglich dem Wetter an, vor allem dem Wind. Die drei von hohen Bergen umfassten Arme des Fjords erlauben ihm, immer einen geschützten Ort zu finden. Wenn es extrem rau ist, sucht der Kapitän abends Unterschlupf in der Precipice Cove, einer Bucht zu Füßen des knapp 1200 Meter hohen Forden Peak. Dort lässt sich die «Fiordland Navigator» an einer Boje vertäuen.

Patea nennen die Māori den Doubtful Sound, seinen englischen Namen verdankt er James Cook, der im März 1770 diese wilde Küste mit seinem Schiff «Endeavour» erkundete.

Die Tage zuvor hatten sich seine Matrosen durch Sturm und Regen gekämpft, nun drängten sie darauf, sich im geschützten Fjord auszuruhen. Aber Cook lehnte ab. Zu groß waren seine Zweifel, ob er gegen den vorherrschenden Westwind wieder heraus segeln könnte. Auf seiner Karte notierte er: Doubtful Harbour. Und fuhr weiter.

Reid hat diese Probleme nicht. Per Motorkraft steuert der Kapitän das Schiff westwärts, zur Mündung und in die raue Tasmansee hinaus. Das Meer hier ist jadegrün, ohne den Schirm der Berge pfeift ein kalter Wind ins Gesicht. Wellen rollen heran, an den Nee Islets spritzt die Gischt empor. Auf den blanken Felsinselchen fläzen sich Dutzende Seebären.

Das Schiff wendet, und schnell wird es an Bord wieder gemütlicher. Neben Bar und Speisesaal bietet es auch Lounges mit Fenstern sowie Aussichtsdecks: Die 1000 Meter hohen Urwaldflanken von Secretary Island ziehen vorbei, zu ihren Füßen schmiegen sich Kiesbuchten, hell wie weißer Sand.

Als Ankerplatz hat Reid die Snug Cove im First Arm ausgewählt. In der Bucht liegt bereits ein kleines Boot, die «Southern Secret». Sie werde von Hobbyanglern gechartert, sagt Guide Parmarm. Im Sommer ankerten manchmal ein paar Segler in der gleichen Bucht wie die «Navigator». Meist aber seien sie abends allein.

Sound of Silence

Zum Dinner darf man sich am Büffet aufladen: von Muscheln über Hühnchen bis zu Lamm, dazu Salate, Nudeln und Süßkartoffeln. Das Angebot ist vielfältig, zugleich hat man nicht die Qual der Wahl unter Dutzenden Restaurants wie auf einem der großen Kreuzfahrtpötte.

Nach dem Schmausen zeigt Parmarm bei einem launigen Vortrag Videos von einem Regentag, an dem die heute winzigen Wasserfälle donnernde Sturzfluten sind; von einem Sturmtag, an dem die Wasserfälle nach oben geblasen werden; von einem springenden Buckelwal und Delfinen, die beim Ausatmen Mini-Regenbogen über sich zaubern. Noch beeindruckender aber ist der Sternenhimmel draußen – und am Morgen das Erglühen der Felskämme in den Sonnenstrahlen.

Zum Finale tuckert die «Fiordland Navigator» in den Hall Arm, den schönsten Zweig des Doubtful Sounds. Das abschließende Ritual heißt wie der Spitzname des Fjords: The Sound of Silence. Für fünf Minuten werden alle Motoren und Generatoren ausgeschaltet. Parmarm bittet die Gäste, zu schweigen, stillzustehen und nicht zu fotografieren.

Erstaunlicherweise halten sich alle daran. Kaum ein Räuspern ist zu hören, man sieht andächtige Gesichter, die Blicke wandern über die von der tief stehenden Sonne ausgeleuchteten Urwaldhänge, die Wasserfälle, hinauf zu den Felsspitzen.

Ein feierlicher, fast sakraler Moment. Ein paar Tage zuvor habe jemand gleich nach der Stille Mundharmonika gespielt, erzählt Parmarm. Und einige Gäste hätten geweint.

Links, Tipps, Praktisches:

Reiseziel: Der Fiordland National Park liegt im äußersten Südwesten Neuseelands. Neben Mini-Kreuzfahrten und Bootsausflügen sind Wandern und Mountainbiken in wilder, ursprünglicher Natur beliebte Aktivitäten

Anreise: Aus mehreren deutschen Städten gibt es Flüge mit einem Zwischenstopp nach Christchurch. Von dort fahren Intercity-Busse nach Queenstown, wo morgens der Shuttle-Bus des Veranstalters abfährt.

Einreise: Erforderlich ist ein Reisepass, der noch einen Monat über den Aufenthaltszeitraum hinaus gültig sein muss und eine kostenpflichtige elektronische Einreisegenehmigung (ab 17 Neuseeland-Dollar). 

Reisezeit: In Fiordland regnet es das ganze Jahr viel, besonders im Frühling (September bis November). Im Sommer (Dezember bis Februar) kann das Thermometer auf 30 Grad steigen, allerdings sind in der Hauptsaison die Preise hoch und viele Hotels ausgebucht. Im Herbst (März bis Mai) ist es oft noch warm, dazu färben sich die Wälder bunt.

An Bord der «Fiordland Navigator»: Die zweitägige Mini-Kreuzfahrt wird von September bis Ende April durchgehend angeboten. Sie kostet ab 349 Neuseeland-Dollar inklusive Abendessen und Frühstück an Bord. Im Winter sind auch dreitägige Touren buchbar.

Währung: Bezahlt wird per Neuseeland-Dollar, der 0,56 Euro entspricht (Stand: 16. Juli 2024)

Weitere Auskünfte: newzealand.com 

Social Media: instagram.com/purenewzealand; youtube.com/purenewzealand

© dpa ⁄ Florian Sanktjohanser, dpa
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