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Schuften und Schottern: Workation mit dem Gravelbike

Urlaub und Arbeit zu kombinieren liegt im Trend. Radfahren ohnehin. Die Region Oberbayern will beides miteinander verbinden und so neue Gäste in die Region locken. Ein Konzept mit Zukunft?
Gravelbiker in einem Wald in Oberbayern
Autor Julian Hilgers
Guide Max Marquardt bei Gravelbike-Tour in Oberbayern
Mit dem Gravelbike dürch die Pfütze
Gravelbiker fahren durch einen Wald in Oberbayern
Kaffeerösterei von Lisa Hinterholzer
Kaffeerösterei von Lisa Hinterholzer
Kaffeerösterei von Lisa Hinterholzer
Lisa Hinterholzer in ihrer Kaffeerösterei
Gravelbiker in Oberbayern
Gruppe von Gravelbikern in Oberbayern
Co-Workation in Oberbayern, Hotel Bader Hotel in Parsdorf
Mann arbeitet an einem Laptop im Hotelzimmer
Gravelbiker in Oberbayern
Mit Matsch bedeckte Gravelbiker
Veronika Engel vom Verein CoworkationAlps.
Christian Lutz von Specialized

Die letzten Kilometer zu meinem Co-Workation-Domizil lege ich, wie könnte es anders sein, mit dem Gravelbike zurück. Trotz leichtem Nieselregen setzt sofort ein Urlaubsgefühl ein.

Vorbei an Bauernhöfen radle ich vom Bahnhof Vaterstetten in knapp 20 Minuten nach Parsdorf. Der kleine Ort liegt gut angebunden östlich des Münchener Stadtgebiets - touristisch noch eher unbekannt, aber in unmittelbarer Nähe zum Wald und den ersten Hügeln. Ein guter Ausgangspunkt für Radtouren, ein schöner Ort zum Arbeiten und damit perfekt für einen möglicherweise neuen Trend: Gravel-Co-Workation.

Um zunächst die Begriffe zu erklären: Gravel bedeutet übersetzt Schotter. Gravelbikes vereinen, einfach gesagt, die Dynamik eines Rennrades mit der Geländetauglichkeit eines Mountainbikes dank etwas breiterer Reifen. Und sie liegen voll im Trend.

Co-Workation oder bezeichnet die Kombination aus Urlaub und Arbeit mit Kollegen - deswegen das «Co-». Ein Modell, auf das immer mehr Unternehmen aufspringen und das – dann auch ohne Kollegen - auch bei digitalen Nomaden und Menschen mit flexiblen Arbeitsbedingungen immer beliebter wird. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend befeuert.

Deutsche Zurückhaltung

In anderen Ländern wie Italien stehen die Menschen dem Konzept bereits offener gegenüber. In Deutschland herrscht bei Hotels und Tourismusregionen bisher aber noch etwas Zurückhaltung. «Wir möchten die Chance der New-Work-Bewegung nutzen, um nachhaltig den ländlichen Raum der Alpen zu stärken. Wir haben da etwas, das andere nicht haben: die Work-Life-Mountain-Balance», sagt Veronika Engel, die mit ihrem Verein CoworkationAlps das Thema in der Alpenregion voranbringt.

Eine Wander-, Yoga- oder E-Bike-Co-Workation wäre natürlich genauso denkbar. Nun aber wollen wir durch Oberbayern graveln.

Die erste Tour führt aus Parsdorf heraus in den Wald. Die Sonne blickt vereinzelt durch die Baumkronen und scheint in das dichte Moos. Es wirkt ein wenig wie in einem Märchenwald. Nur auf die Wildschweine müsse man achten, sagt Guide Max Marquardt. Er führt die Gruppe über die ersten Anstiege und vorbei an den typisch bayerischen Wiesen mit Kühen. Nach 20 Kilometern ist der kleine Ort Glonn erreicht.

Kaffee und Radfahren

Lisa Hinterholzer und ihr Partner betreiben hier seit 15 Jahren eine Kaffeerösterei, der ideale Ort für einen ersten Stopp der Radtour. «Radfahren und Kaffeetrinken gehört zusammen, es ist geschichtlich miteinander verknüpft», erklärt Marquardt. Kaffeehersteller treten immer wieder als Sponsoren bei Radevents auf, viele ambitionierte Radsportler schwören auf das Koffein für den zusätzlichen Leistungskick.

Nun bin ich aber schließlich nicht für sportliche Höchstleistung, sondern auch für Erholung in Oberbayern. Und so geht es im entspannten Tempo zurück Richtung Parsdorf. Die Route führt auf Asphalt durch süße bayerische Dörfer, über einen kleinen Pass, auf Schotterwegen wieder durch den Wald und später noch über eine Wiese. Die verschiedenen Untergründe sind mit dem Gravelbike kein Problem. Nach insgesamt knapp 50 Kilometern erreichen wir am frühen Nachmittag wieder das «Bader Hotel» in Parsdorf.

Ab an den Schreibtisch im Hotel

Wäre es Urlaub, könnte ich die Füße hochlegen. Aber Arbeit gehört ja leider auch zur Workation. Also ab an den kleinen Schreibtisch im Hotelzimmer. Die Beine sind zwar etwas schwer, dafür arbeitet es sich nach dem Sport und mit freiem Kopf etwas besser.

Auf dem Holzstuhl sitze ich sich bequem, wirklich ergonomisch arbeiten lässt es sich hier aber natürlich nicht. Und auch die Internetverbindung stößt bei komplexeren Aufgaben an ihre Grenzen. Für ganze Arbeitstage eignet sich das Hotelzimmer also nur bedingt, für einen Nachmittag mit kleinen Aufgaben ist es eine angenehme Abwechslung. Außerdem entschädigen der Blick ins Grüne und das sehr leckere Abendessen im Hotelrestaurant.

Gemeinsam mit CoworkationAlps versucht die Region Oberbayern, die Arbeitsbedingungen und die digitale Infrastruktur in den Unterkünften zu verbessern und Kooperationen zu fördern. Denn bisher lassen sich die Co-Workation-Reisen nicht wirklich kompakt buchen.

Die Gäste müssen Anreise, Unterkunft sowie Leihe und Transport von Rädern in der Regel selbst organisieren. Einige Hotels in Oberbayern aber bauen ihre Räumlichkeiten gerade speziell für arbeitende Urlaubsgäste um. «Das ist eine Chance für Gegenden, die touristisch bisher nicht so überlaufen sind und bietet die Möglichkeit, die klassische Saison zu erweitern», sagt Miriam Hördegen vom Verein Tourismus Oberbayern München. Co-Workation könne gerade in Kombination mit Sport verstärkt junge Leute in die Region locken.

Neben Privatpersonen liegt ein Fokus auf Unternehmen, die Co-Workations für ihre Mitarbeiter organisieren. Hier bieten einige Unterkünfte wie das «Bader Hotel» gut ausgestattete Konferenzräume. Doch viele Firmen haben das Konzept noch gar nicht auf dem Schirm.

«Wo Homeoffice nicht normal ist, muss man über Workation gar nicht sprechen», sagt Veronika Engel, sieht aber durch ihr Engagement bereits Fortschritte in der Alpenregion. Auch Portale wie coworkland.de oder workation.de bieten inzwischen spezielle Unterkünfte für Gruppen an, die gemeinsam im Urlaub arbeiten wollen - nicht nur in anderen Teilen Deutschlands, sondern in ganz Europa.

Mit freiem Kopf am Ziel

In Oberbayern warten am nächsten Morgen Schneetreiben, Matsch und Temperaturen um den Gefrierpunkt auf mich. Nichts für Schönwetterfahrer. Aber wir fahren ja Gravelbike. Also ab auf den Sattel. 

Diesmal führt der Weg südlich in Richtung der Alpen. Es geht durch ein Forstgebiet und natürlich wieder durch Dörfer mit unverwechselbar bayerischem Charme. Das Radfahren macht den Kopf frei, und in einer kleinen Gruppe ist es nur halb so anstrengend wie alleine. Doch die Temperaturen nehmen mit jedem Kilometer ab, Hände und Zehen frieren. Insofern bin ich froh, dass das Etappenziel Holzkirchen diesmal schon nach gut 30 Kilometern erreicht ist.

Hier empfängt uns Christian Lutz von Specialized. Der US-Radhersteller hat in Holzkirchen einen seiner Firmensitze und profitiert vom Trend zum Radfahren. «Gravelbikes sind aus den USA über den Teich zu uns geschwappt. Ich glaube, das ist ein Trend, der uns noch eine ganze Weile begleiten wird», so Lutz. Auch Co-Workation-Angebote mit dieser Art Fahrräder dürften sich damit halten.

Weites Betätigungsfeld in Oberbayern

Damit das Radsportangebot in Oberbayern auch angenommen wird, arbeitet die Region an der Verbesserung von Radwegen und Infrastruktur. Mit der Hopfenschleife, der Salzschleife und der Kunstschleife hat die Tourismusbehörde bereits drei Routen mit verschiedenen Ansprüchen und thematischen Schwerpunkten abseits des Weges zusammengestellt. Die 2018 eingeweihten Wasser-Radlwege erstrecken sich über rund 1.200 Kilometer.

Am Nachmittag geht es für mich aber wieder zurück an den Hotel-Schreibtisch. Die Kombination aus Arbeit und Radeln in einer neuen Umgebung funktioniert für mich persönlich sehr gut und hat einen besonderen Reiz. Und das Arbeiten fühlt sich im Rahmen von Workation auch weniger wie Arbeiten an. 

Nachmachen könnte man das aber auch ganz ohne Marketingstrategie fast überall: Ferienwohnung, Hotel oder Campingplatz mit Internetanschluss und Arbeitsplatz mieten, Rad und Kollegen oder Freunde mitnehmen. Das Konzept hat in jedem Fall wohl Zukunft. Ob man es dann Gravel-(Co)-Workation nennt oder nicht.
 

© dpa ⁄ Julian Hilgers, dpa
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