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Regierung prüft Zurückweisungen - Ärger wegen Unionsdrucks

Sollen Migranten künftig an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden? Während vor allem die Union in dieser Frage massiv Druck macht, laufen in der Bundesregierung noch rechtliche Prüfungen dazu.
Symbolbild - Grenzkontrolle auf der A12
Die Bundesregierung prüft Zurückweisungen von Asylbewerbern an den Grenzen (Symbolbild) © Patrick Pleul/dpa

CDU und CSU pochen auf eine schnelle Entscheidung der Regierung über ihre Forderung nach Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen. Während sich auch Politiker der Koalitionspartei FDP dafür einsetzen, sorgt der Druck bei Grünen und SPD für Irritationen. Die Bundesregierung prüft, ob Flüchtlingen unter bestimmten Voraussetzungen die Einreise nach Deutschland verwehrt werden kann. 

Am Dienstag hatten die Ampel, die Union als größte Oppositionskraft und die Bundesländer über Migration und innere Sicherheit beraten. CDU-Chef Friedrich Merz sagte danach, die Union und die von CDU und CSU regierten Bundesländer wollten nur in weitere Gespräche gehen, wenn Migranten an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden. Am Mittwochabend setzte er eine Frist bis nächsten Dienstag für eine «verbindliche Erklärung» der Bundesregierung. Am Donnerstag wiederholte er dieses Ultimatum allerdings nicht: «Wir brauchen hier keine langen Diskussionen mehr. Und deswegen habe ich eine Bitte geäußert, nämlich, dass wir jetzt schnell entscheiden», sagte Merz zum Auftakt einer Klausurtagung der Unionsfraktionsspitze im brandenburgischen Neuhardenberg. 

Was geprüft wird

Eine Option, die die Bundesregierung untersucht: Können Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden, die schon anderswo in Europa registriert wurden? Das wurde der Deutschen Presse-Agentur aus Regierungskreisen bestätigt. Zuvor hatte die «Bild»-Zeitung darüber berichtet. Es soll sich aber nur um einen möglichen Weg unter mehreren handeln, die derzeit in Prüfung sind.

Bereits jetzt werden Menschen an den Abschnitten der deutschen Grenze zurückgewiesen, an denen Kontrollen stattfinden. Seit dem vergangenen Oktober geschah dies laut Bundesinnenministerium in mehr als 30.000 Fällen. Seit Mitte Oktober 2023 gibt es Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz, bereits seit September 2015 an der deutsch-österreichischen Grenze. Zurückweisungen sind bisher möglich, falls jemand nicht Asyl beantragt oder wenn eine Einreisesperre gegen ihn oder sie vorliegt.

FDP macht Druck, SPD und Grüne verwahren sich gegen Frist

Die FDP macht Druck auf den dritten Ampel-Koalitionspartner, die Grünen. «Die Grünen irren, wenn sie erklären, dass Zurückweisungen an der Grenze rechtlich nicht möglich sind», sagte Parteivize Wolfgang Kubicki der «Rheinischen Post». Auch Parteichef Christian Lindner, forderte durchgreifende Änderungen. «Wenn die Demokratie hier nicht liefert, dann wird sich eine wachsende Zahl von Menschen die Systemfrage stellen. Wenn wir also die Weltoffenheit und die Vielfalt unseres Landes verteidigen sollen, dann müssen wir Konsequenz und Kontrolle bei der Zuwanderung leisten», so der Bundesfinanzminister in der ARD. 

Konkret setzen sich die Liberalen für eine Verlängerung der zur Fußball-Europameisterschaft eingeführten Grenzkontrollen ein. Dies solle zunächst bis zum Winter geschehen, heißt es in einem Papier, das die Fraktion bei ihrer Klausurtagung in Hamburg beschloss.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kritisierte in der ARD-Sendung «Maischberger» CDU-Chef Merz: Er solle «nicht den Eindruck vermitteln, dass die in zwei Wochen nahende Brandenburger Landtagswahl zu einem allzu unrealistischen Tempo bei ihm führt». Kühnert zeigte sich «nicht geneigt und nicht gewillt, auf diese Forderung oder von mir aus auch Provokation an der Stelle einzugehen».

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte dem «Focus»: «Ich finde dieses Macker-Gehabe von Friedrich Merz nur noch peinlich.» Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte im Radiosender Bayern 2, es sei wichtig, über Vorschläge zu beraten, die mit dem Grundgesetz und dem europäischen Recht vereinbar seien. 

Diskussion um Rechtsfragen

Die SPD-Innenministerin von Niedersachsen, Daniela Behrens, die beim Treffen am Dienstag mit dabei war, zeigt sich offen für den Vorschlag, bestimmte Migranten an den Grenzen zurückzuweisen. «Meine Meinung ist: Wenn es rechtlich möglich sein sollte – und das muss sehr gründlich geprüft werden – dann sollten wir es tun», sagte sie dem Nachrichtenportal «t-online». «Ich denke, dahinter können sich die SPD-Länder versammeln.» 

Die Grünen-Innenpolitiker Irene Mihalic hatte Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze als europarechtlich nicht zulässig eingestuft. Der Rechtswissenschaftler Constantin Hruschka sieht das ebenso: «Eine direkte Zurückweisung von Personen, die einen Asylantrag stellen oder bereits in einem anderen europäischen Staat einen Asylantrag gestellt haben, ist nicht zulässig», sagte der Professor der Evangelischen Hochschule in Freiburg dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Asylbewerber dürften laut Dublin-Verordnung nur in das Land überstellt werden, das für die Bearbeitung ihres Asylantrags zuständig sei. «Sie dürfen deshalb nicht einfach in ein Nachbarland zurückgeschickt werden. Und die Rücküberstellung darf auch nur innerhalb eines vorgegebenen Verfahrens stattfinden.»

FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki betonte dagegen, Paragraf 18 des Asyl-Gesetzes sehe Zurückweisungen vor. «Da die Dublin-Verordnung keine explizite Aussage darüber trifft, ob Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Binnengrenzen zulässig sind, gilt die entsprechende nationale Regelung.» Nach den Dublin-Regeln ist normalerweise jenes Land für ein Asylverfahren zuständig, in dem ein Migrant in Europa angekommen ist.

Mützenich: «Keine Denkverbote»

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte der Deutschen Presse-Agentur, man habe das Ziel, «gemeinsam mit der Union in Bund und Ländern zu einem rechtssicheren Gesamtpaket Migration zu kommen». Er fügte hinzu: «Dabei gibt es für uns keine Denkverbote.» Konkreter wurde er allerdings nicht. Er kündigte zugleich an, dass die SPD-Fraktion bereits in der kommenden Woche im Bundestag erstmals über das von der Ampel-Regierung beschlossene Sicherheitspaket beraten will. 

Die Regierung hatte sich vergangene Woche als Reaktion auf den Messeranschlag von Solingen darauf verständigt, das Waffenrecht zu verschärfen, die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden auszuweiten und weitere Maßnahmen zur Beschränkung der illegalen Migration zu ergreifen. Das Bundesinnenministerium hatte am Mittwoch angekündigt, in den nächsten Tagen Gesetzestexte zur Umsetzung vorzulegen. 

© dpa
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