Als erste der drei beteiligten Parteien hat die CSU den Koalitionsvertrag von Union und SPD gebilligt. Der Beschluss in einer Schaltkonferenz von Parteivorstand, Bundes- und Landtagsabgeordneten fiel einstimmig. «Unser Ja ist auch gut begründet», sagte CSU-Chef Markus Söder danach. Die Vereinbarung von Union und SPD sei gut für Deutschland und gut für Bayern.
Bei der CDU wird ein Kleiner Parteitag über die geplante Koalition entscheiden. Als Termin ist der 28. April im Gespräch. Bei der SPD beginnt am kommenden Dienstag eine Befragung der gut 358.000 Mitglieder. Das Online-Abstimmungsverfahren soll zwei Wochen dauern und mit Ablauf des 29. April enden.
In der Schaltkonferenz konkretisierte Söder den weiteren Fahrplan. Wenn alles nach Plan laufe, dann könnten Union und SPD den Koalitionsvertrag am 5. Mai unterschreiben. Tags darauf könne CDU-Chef Friedrich Merz dann im Bundestag zum Kanzler gewählt werden, sagte der bayerische Ministerpräsident nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung. Erst anschließend sollen nach seinen Angaben die Namen der künftigen Minister bekanntgegeben werden.
Koalitionsvertrag in vierwöchigem Ringen entstanden
CDU, CSU und SPD hatten erst am Vortag ihre rund vierwöchigen Verhandlungen über einen Koalitionsvertrag abgeschlossen. Das 144-Seiten-Papier trägt die Überschrift «Verantwortung für Deutschland» und bildet die Arbeitsgrundlage für die nächste schwarz-rote Bundesregierung - die fünfte in der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Der Vertrag sieht unter anderem Entlastungen von Unternehmen durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten oder einen Industriestrompreis vor. Auch die Bürger sollen entlastet werden - etwa durch Steuersenkungen für untere und mittlere Einkommen in zwei Jahren, ein höheres Elterngeld und eine Anhebung der Pendlerpauschale.
Im Bereich Migration wurden Zurückweisungen an den Grenzen auch von Asylsuchenden vereinbart. Abgelehnte Asylbewerber sollen verstärkt in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden. Bei der Rente will Schwarz-Rot das heutige Niveau von 48 Prozent bis 2031 gesetzlich festschreiben. Für die innere Sicherheit sollen Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden, IP-Adressen für mögliche Ermittlungen drei Monate lang zu speichern. Die äußere Sicherheit soll durch höhere Verteidigungsausgaben und einen - allerdings freiwilligen - Wehrdienst erhöht werden.
Experten sieht Entlastungen von bis zu 50 Milliarden Euro
Bürger und Unternehmen könnten durch die Pläne von Union und SPD pro Jahr bis zu 50 Milliarden Euro einsparen. Das geht aus Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Sicher seien diese Entlastungen aber nicht, da CDU, CSU und SPD alle Pläne unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt hätten. Umgesetzt wird also nur das, wofür auch Geld da ist.
«Durch diverse geplante Änderungen bei den Freibeträgen für Rentner, Ehrenamtler, Alleinerziehende, die höhere Pendlerpauschale und steuerfreie Überstunden kommen rund sieben Milliarden Entlastung im Jahr zusammen», erklärten die IW-Steuerexperten Tobias Hentze und Martin Beznoska. Weitere kleinere Versprechen wie die sogenannte Frühstart-Rente, ein höheres Elterngeld, eine Bafög-Erhöhung, die Förderung von E-Autos, die Fortführung des Deutschlandtickets, die Subvention des Agrardiesels und die Senkung der Luftverkehrsteuer summierten sich auf weitere zwölf Milliarden Euro jährlich.
Wirtschaftsfachleute schauen skeptisch auf den Vertrag
Große Wirtschaftsforschungsinstitute blicken skeptisch auf die Regierungspläne von Union und SPD. Damit allein werde man die Probleme der deutschen Wirtschaft kaum lösen können, sagte Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft bei Vorstellung einer Konjunkturprognose in Berlin. «Das bloße Abarbeiten des Koalitionsvertrags allein wird kaum ausreichen.»
Es gebe zwar Lichtblicke, die zeigten, dass die Parteien die Kernprobleme erkannt hätten. «Aber es gibt leider auch entscheidende Leerstellen», sagte Kooths. Unter anderem nannte er fehlende Lösungsansätze bei den sozialen Sicherheitssystemen und für Arbeitsanreize. Insgesamt hätten sich Union und SPD eher Maßnahmen zur Bekämpfung von Symptomen vorgenommen als ein wirkliches Umsteuern. Nun komme es darauf an, ob zum Beispiel konsequent Subventionen abgebaut würden.
Auch Kurswechsel in der Asylpolitik ungewiss
Noch nicht klar ist, ob der neuen Koalition der vor allem von der Union geforderte Kurswechsel in der Asylpolitik gelingen wird. So stößt das Vorhaben, künftig auch Asylsuchende, gegen die keine Einreisesperre vorliegt, an deutschen Grenzen zurückzuweisen, in den Nachbarländern auf Skepsis.
So pochte das Schweizer Bundesamt für Migration auf Nachfrage auf die Einhaltung europäischen Rechts. «Die Schweiz behält sich vor, entsprechend zu reagieren, sollten die Zurückweisungen aus unserer Sicht gegen das geltende Recht verstoßen», teilte ein Sprecher mit. Die Schweiz erwarte, dass der allgemeine Personen- und Warenverkehr weiterhin möglichst unbeeinträchtigt bleibe. Ähnlich äußerte sich auch ein Sprecher des österreichischen Innenministeriums: «Wir sind zuversichtlich, dass das Handeln der deutschen Behörden an den EU-Binnengrenzen auf dem Boden der Rechtsordnung erfolgt.»
Ausgesprochen schwierig sind auch Abschiebungen nach Afghanistan, das von den islamistischen Taliban regiert wird. Ende August 2024 waren mit Hilfe von Katar 28 männliche Straftäter aus Deutschland nach Kabul gebracht worden. Seither gab es trotz entsprechender Bemühungen keine weitere Abschiebung dorthin. Wegen der unsicheren Lage nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Baschar al-Assad gelten auch Abschiebungen nach Syrien als schwer.
Unionspolitiker trotzdem bei Migration zuversichtlich
Der CDU-Politiker Thorsten Frei bleibt dennoch optimistisch. Der «Bild» sagt er, der Flug nach Afghanistan 2024 habe schließlich gezeigt, dass das funktioniere. «Deswegen sind wir davon überzeugt, dass wir das auch zukünftig, dauerhaft und in wesentlich größeren Bereichen auch hinbekommen.»
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte, der von Union und SPD ausgehandelte Koalitionsvertrag sei eine «verlässliche Grundlage», um die Zahl der Asylsuchenden kurzfristig weiter zu reduzieren. Herrmann kann kein Problem darin sehen, dass die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen in Abstimmung mit den Nachbarn erfolgen soll. Zum einen dürfe jeder Staat entscheiden, wer einreisen dürfe und wer nicht. Vor allem aber wollten ja auch die anderen EU-Länder eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen. «Da wird es überhaupt kein Problem geben», sagte Herrmann in München.
Kritik am «Finanzierungsvorbehalt» im Koalitionsvertrag
Dass alle im Koalitionsvertrag vorgesehenen Vorhaben unter einem Finanzierungsvorbehalt stehen, stößt dem BSW auf. Seine Gründerin Sahra Wagenknecht sprach von einer «Veralberung der Leute» und sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Der Koalitionsvertrag ist so schon ganz kleines Karo, aber der Finanzierungsvorbehalt ist ein Vertragsbruch mit Ansage. Dass sich Bürger und Unternehmen damit auf gar nichts verlassen können, ist gerade in diesen Zeiten ein fatales Signal und Gift für die Konjunktur.»