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Beamtenbund will Sofortprogramm: «Deutschland stabilisieren»

Das Vertrauen in die Ampel-Regierung ist im Keller, die Probleme sind groß. Was sollte die Regierung jetzt tun? Der Chef des Beamtenbunds hat konkrete Vorschläge.
Ulrich Silberbach
Silberbachs Befund zu den Leistungen der Ampel ist weitgehend negativ. © Wolfgang Kumm/dpa

Der Beamtenbund dbb hat die Bundesregierung aufgefordert, in einer Kabinettsklausur Projekte für eine Stabilisierung des Landes auf den Weg zu bringen. «Die Ampel muss sich jetzt schütteln», sagte dbb-Chef Ulrich Silberbach der dpa in Berlin. «Ich schlage der Ampel vor, spätestens in der Sommerpause eine Meseberg-Klausur einzuberufen, Prioritäten zu definieren und dann ein Sofortmaßnahmenprogramm aufzulegen», sagte Silberbach.

«Wir haben netto noch ein Jahr vor der Bundestagswahl für politische Entscheidungen, dann kommt der Wahlkampf», sagte er. Regulär findet die Bundestagswahl im Herbst 2025 statt. Die Ampelparteien dürften – nach ihren überwiegend schlechten Europawahl-Ergebnissen – die Schuld nicht bei anderen suchen. SPD, Grüne und FDP müssten ihren Auftrag trotz widriger Umstände ernst nehmen.

«Kanzler nicht verantwortungsvoll»

Das Ziel müsse sein, «Deutschland in ökonomischen und gesellschaftspolitischen Fragen zu stabilisieren», sagte Silberbach. Wichtig seien dabei vor allem die Migrationsfrage, der Klimawandel, Bildung und innere Sicherheit. Die anstehenden Aufgaben müssten zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgeteilt und die zuständige Ebene dann finanziell entsprechend ausgestattet werden. «Das wäre kein Hexenwerk», sagte der dbb-Chef. «Das könnte man auch noch in dem einen Jahr schaffen, das noch übrig bleibt.»

Die jüngsten Bürgerbefragungen des dbb zeigten, «dass die Bürgerinnen und Bürger jedes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates verlieren», sagte Silberbach. So sagten laut Forsa-Umfrage zuletzt nur noch 27 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, der Staat könne seine Aufgaben erfüllen.

«Würde der Bundeskanzler jetzt über die Vertrauensfrage Neuwahlen initiieren, hätte die Ampel keine Mehrheit mehr», sagte der Gewerkschafter. «Dann liefe es vielleicht auf Schwarz-Grün hinaus, und alle SPD-Träume würden wie Seifenblasen zerplatzen.» Silberbach: «Dass der Kanzler das nicht will, ist vielleicht verantwortungsvoll seiner Partei gegenüber, nicht aber dem Land. (Emmanuel) Macron ist da konsequenter.» Der direkt gewählte französische Präsident hatte das Parlament nach der Europawahl aufgelöst und Neuwahlen angesetzt. 

«Gesetze bleiben unerledigt»

Weitgehend negativ ist Silberbachs Befund zu den Leistungen der Ampel: «Gesetze bleiben unerledigt, Gerichtsentscheidungen werden nicht umgesetzt.» Silberbach nannte die Verwaltungsmodernisierung, die Digitalisierung und den Föderalismus. «Viele unerledigte Themen aus der Koalitionsvereinbarung betreffen direkt die Bürgerinnen und Bürger und den öffentlichen Dienst.»

Ein dbb-Papier, das der dpa vorliegt, zeigt unerledigte Ankündigungen der Ampel: etwa bessere Ausstattung der Bundespolizei oder Ermöglichung flexibler Arbeitszeitmodelle, Entlastung der Kommunen von Altschulden oder mehr Anerkennung von praktischer Erfahrung für den Einstieg bei der Verwaltung. Auch der versprochene digitale Zugang für Gewerkschaften in Betriebe wurde noch nicht umgesetzt.

Ebenfalls auf der To-do-Liste der Regierung: höchstrichterliche Urteile umzusetzen. Allen voran ignoriere der Bund seit Jahren Karlsruher Vorgaben zur angemessenen Besoldung von Beamtinnen und Beamten, kritisierte der dbb-Chef. Auch die vom Europäischen Gerichtshof und dem Bundesarbeitsgericht angemahnte genauere Arbeitszeiterfassung per Gesetz stehe noch aus.

Vor allem mahnte Silberbach: «Versprochen worden war, das Aufgabenwirrwarr zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu sortieren.» Viele Kommunen wüssten nicht mehr, wie sie ihre Aufgaben erfüllen sollten. Grund: Die Länder wollten oft, dass der Bund zahle. Der Bund sei dazu aber nur bereit, wenn die Länder einen Part beitrügen, so Silberbach.

«Ungelöste Fragen mögen die Menschen überhaupt nicht»

Er nannte das Beispiel Flüchtlinge. «Ich bin froh, dass die Mehrheit der Bevölkerung immer noch sagt: "Menschen in Not muss geholfen werden."» Missbrauch müsse aber ausgeräumt werden. Bund und Länder müssten die Kommunen so ausstatten, dass sie dies wirklich schaffen könnten. Ohne solche Schritte drohe Ausländerfeindlichkeit weiter Raum zu greifen. «Ungelöste Fragen – das ist das, was die Menschen überhaupt nicht mögen», sagte Silberbach.

«Bei Klimaanpassung und Migration müssten die Kommunen deutlich entlastet werden», sagte Silberbach. Sie schöben Infrastrukturaufgaben von knapp 150 Milliarden Euro vor sich her. Angesichts des Ampel-Streits über den Haushalt 2025 äußerte Silberbach aber Verständnis für Finanzminister Christian Lindner (FDP): «Wir brauchen nicht dauernd Forderungen nach neuen Sondervermögen, sondern eine Regierung, die jetzt ihre Kernaufgaben definiert und angeht – und das fallen lässt, wo sie sich verrannt hat.» Für Silberbach ist das in erster Linie «die bürokratische Kindergrundsicherung».

© dpa
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