Der Ruf der Innenministerkonferenz nach einer Strafrechtsverschärfung zur Verhinderung von Gewalt gegen Wahlkämpfer und Politiker stößt bei einigen Abgeordneten auf Skepsis. «Härtere Strafen sind schnell gefordert - vor allem kurz nachdem öffentlichkeitswirksame Straftaten erfolgt sind», sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, der Deutschen Presse-Agentur.
Polizeibeamte vor Ort und eine gut ausgestattete, zügig arbeitende Justiz seien aber viel wirkungsvoller. «Strafrecht und Strafjustiz können nicht der Reparaturbetrieb für eine allgemeine gesellschaftliche Verrohung sein», gab Kuhle zu bedenken.
Am Dienstag hatten sich die Innenminister in ihrer Sondersitzung für einen besseren Schutz politisch engagierter Menschen ausgesprochen und auch dafür zu prüfen, ob es höhere Strafen geben sollte, wenn sich Gewalt gegen Politiker richtet. Diskutiert wurde zudem über einen Vorschlag aus Sachsen, die Bedrohung von Amts- und Mandatsträgern an ihrem Wohnort - auch politisches Stalking genannt - unter Strafe zu stellen. Hintergrund der Beratungen waren die jüngsten Übergriffe auf Politiker und ehrenamtliche Helfer im Wahlkampf zur Europawahl am 9. Juni.
Am Freitag vergangener Woche hatten vier junge Angreifer im Alter von 17 und 18 Jahren den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Matthias Ecke, in Dresden zusammengeschlagen, als er Plakate aufhängen wollte. Am Dienstag wurde die Berliner Wirtschaftssenatorin, Franziska Giffey (SPD) von einem Mann attackiert, der anschließend flüchtete.
Grünen-Politikerin: Rezepte von vorgestern
Die Ergebnisse der Innenministerkonferenz wirkten «wie von vorgestern und sind maximal Symptombekämpfung», kritisierte die Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan. Die Bundestagsabgeordnete forderte: «Statt härterer Strafen muss das Vollstreckungsdefizit bei Haftbefehlen endlich angegangen werden.» Auf Landesebene wären Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bekämpfung von politisch motivierter Kriminalität eine Lösung, um die Verfolgung solcher Straftaten zu verbessern. Auch bei der Umsetzung der in den vergangenen Jahren beschlossenen gesetzlichen Regelungen zur Eindämmung von Desinformation, Hass und Hetze im digitalen Raum mangele es an der Umsetzung bei den Strafverfolgungsbehörden und der Justiz.
Khan forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, Gewalt gegen Politiker und Ehrenamtliche bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen.